Zukunftsforschung Mann in Glasraum blickt nachts auf Immobilien

In der Zukunft liegt die Kraft

Unternehmen tun gut daran, Visionen zu entwickeln und Chancen daraus zu ziehen.

Der einstige Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte in seiner ihm ganz eigenen schnoddrigen Art: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Ich denke, wer Visionen hat, muss sich keine Sorgen um seine Gesundheit machen. Im Gegenteil: Wer Visionen hat, sollte bei seinem Chef um einen Termin bitten. Denn Visionäre können die geistige Triebfeder eines Unternehmens sein, sie entscheidend voranbringen und für den gewissen Unterschied sorgen.

Visionen zu entwickeln hat nichts mit orakeln zu tun

Ich denke, dass Helmut Schmidt mit seinem Satz weniger seine Skepsis gegenüber Visionären zum Ausdruck bringen, sondern vielmehr seinen Pragmatismus unterstreichen wollte. In meinen Augen sind Visionen unerlässlich, um bestimmte Szenarien antizipieren und robuster planen zu können. In die Zukunft zu blicken hat nichts mit orakeln oder unseriösen Vorhersagen zu tun. Natürlich kann niemand die Lottozahlen von der nächsten Woche oder die Firmenumsätze des kommenden Jahres prophezeien.

Aus Szenarien werden Strategien abgeleitet

Darum geht es der Zukunftsforschung auch nicht. Vielmehr geht es darum, auf Grundlage wissenschaftlicher Standards und Methoden konkrete Aktionen und Strategien zu entwickeln. Zunächst wird der Status Quo mittels der richtigen Fragen und Business Assessments bestimmt, im nächsten Schritt werden Annahmen und Zukunftsszenarien entwickelt. Die daraus entstandenen Erkenntnisse werden dann in eine Strategie überführt. Zukunftsforschung ist längst kein Phänomen mehr – immer mehr Unternehmen, Forschungsinstitute, Ministerien und Institutionen wie die Europäische Kommission greifen regelmäßig auf die Expertise von Zukunftsforschern zurück. Und auch unser Bundesministerium identifiziert künftige gesellschaftliche und technologische Handlungsfelder mit einem eigenen Vorausschau-Prozess (BMBF Foresight).

Es geht um große Zeiträume und Zusammenhänge

Wenn Unternehmen in die Zukunft schauen, meinen sie oft einen Zeitraum von vier, fünf Jahren. Visionär ist das nicht und wirklich quer- oder out-of-the-box-gedacht auch nicht. Es geht um größere Zeiträume und größere Zusammenhänge. Nehmen wir das Beispiel künstliche Intelligenz. Sie wird längst in vielen Unternehmen in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt. Geforscht an ihr wird und wurde seit Jahrzehnten. Zukunftsforscher gehen davon aus, dass sich die KI in den nächsten zwei Jahrzehnten zu einem „lebendigen Bewusstsein“ entwickeln könnte. Deswegen sollte man sich schon jetzt damit beschäftigen, wie Firmen davon profitieren können, welche Tools sich entwickeln lassen und wie sich dadurch unsere Arbeitswelt noch weiter verändern wird.

Drei Prämissen für die Zukunft

Zukunftsforschung und -management sind kein Hexenwerk. Drei Prämissen sind dabei wichtig:

  1. Generelle Veränderungsbereitschaft und ein Bewusstsein für die Zukunft: Wenn beides in einem Unternehmen vorhanden ist, steigt auch die Bereitschaft, sich mit Zukunftsszenarien ernsthaft auseinanderzusetzen.
  2. Die organisatorischen Voraussetzungen schaffen: Wer entwickelt Szenarien und bringt diese in eine Firma ein? Ich denke, in jeder Organisation sollte es Zukunftsverantwortliche geben, die diese Themen qua Rollenbeschreibung anpacken und kommunizieren.
  3. Methodentraining: Jeder kann Zukunft trainieren. Es gibt mehr als 30 Methoden, die beim Blick über den Tellerrand helfen. Von Szenarien über Delphi, Prognosemärkte bis zu hin Zukunftswerkstätten.

Sie sollten sich regelmäßig fragen, wo Ihr Unternehmen in Sachen Future Readiness steht. Es lohnt sich immer, sich mit zukünftigen Entwicklungen und deren Folgen fürs eigene Geschäftsmodell zu beschäftigen. Nur, wer weiß, ob er fit für die Zukunft ist, der kann sie auch erfolgreich meistern.

Der Autor leitet seit Beginn des Jahres den Lehrstuhl für Zukunftsforschung an der Steinbeis-Hochschule Berlin, School of International Business and Entrepreneurship.