Digitalisierung: Eine Modedesignerin arbeitet an einem Laptop.

Maus statt Stift und Schere: Digitaler Designprozess in der Modebranche

Wie Modeunternehmen von digitalen Tools im Kreativprozess profitieren

In der Modebranche verschärft sich der Wettbewerb, Konkurrenz- und Kostendruck nehmen zu. Zeit ist in diesem Umfeld zu einem erfolgskritischen Faktor geworden: Die Durchlaufzeiten zwischen dem ersten Entwurf und dem Verkauf verkürzen sich seit Jahren.

Aufwendige Kreativprozesse effizienter gestalten

Damit wächst der Druck, Design- und Kreativprozesse zu beschleunigen. Diese sind häufig noch sehr aufwendig und kostspielig. Das liegt an dem hohen Anteil an Handarbeit und daran, dass Materialien und Muster verschickt werden. Vor Corona kamen Reisezeiten hinzu. In einem späteren Schritt sind oftmals noch zeitintensive Abstimmungen zwischen Design-Teams und Produktionsstätten notwendig.

Außerdem ist die Branche gefordert, auf den zunehmenden Individualisierungstrend zu reagieren: Kund:innen wollen verstärkt selbst Anpassungen an Artikeln vornehmen, beispielsweise bei Farbe, Form, Motiven. Massenproduktionen desselben Artikels werden in Zukunft somit seltener werden, stattdessen wird die Bedeutung von On-Demand zunehmen.

Hier bietet die Digitalisierung enorme Chancen. Die Modeindustrie weist in dieser Hinsicht aktuell teilweise noch einen Rückstand gegenüber anderen Industrien auf, befindet sich aber in einer digitalen Aufbruchstimmung. Diese wurde zuletzt durch die Pandemie weiter verstärkt. Den tiefgreifenden strukturellen Wandel hin zu einer digitalisierten Modebranche beschreiben wir ausführlich auch in unserer Studie „Front Row: Sehen, was morgen Mode ist“.

Auf dem Weg zum digitalen Designprozess

Ein wichtiges digitales Instrument, um wie beschrieben die Geschwindigkeit des Kreativprozesses zu erhöhen, stellen 3D-Designplattformen dar. So hat z. B. PVH bereits ganze Kollektionen vollständig digital entwickelt, und auch weitere namhafte Modehersteller setzen bereits heute als Branchenpioniere auf digitales Design. Anhand von 3D-Design-Software können Farben, Muster und Stoffe am dreidimensionalen Modell simuliert werden, und Designer:innen können mit wenigen Mausklicks Änderungen vornehmen.

Virtuelle Fashion Dank neuester Technologie für individuelleres Design

Produktbilder werden künftig in virtuellen Fotostudios erstellt. Körperscans im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz (KI) können genutzt werden, um eine bessere Vorstellung von der Körperform der Käufer:innen zu erlangen.

Dies lässt sich weiterentwickeln zu einem „Co-Creation-Prozess“, der die Kund:innen am Designprozess beteiligt. Sie könnten künftig im Online-Shop das gewählte Kleidungsstück am virtuellen 3D-Modell anpassen und ihre Körpermaße selbst einscannen bzw. hochladen. Anschließend erstellt die Software für das individuell angepasste Kleidungsstück einen Schnittmusterbogen. Auf dessen Basis wird dann On-Demand die Ware in kurzer Zeit gefertigt.

Vorteile digitaler Designprozesse in der Modebranche

Die Digitalisierung von Kreativprozessen bietet zahlreiche Potenziale und Mehrwerte für Modeunternehmen.

Die 3D-Technologie kann Planungszeiten reduzieren und Agilität und Flexibilität steigern. Insgesamt verkürzt sich der Zeitraum bis zur Markteinführung deutlich: Ein neues Kleidungsstück kann in nur wenigen Tagen bis zu einer Woche designt werden, im Vergleich zu bisher zwei bis vier Wochen.

Außerdem erhöhen die digitalen Prozesse die Transparenz in der Designentwicklung. Sie tragen darüber hinaus deutlich zu mehr Nachhaltigkeit bei: Materialien werden eingespart und Transport- und Reisewege reduziert. Unter dem Strich bergen digitalisierte Digitalprozesse somit ein deutliches Kosteneinsparungspotenzial.

Änderungen im Mindset und neue Kenntnisse erforderlich

Um die neuen Anforderungen umsetzen zu können, brauchen die Unternehmen der Branche nicht nur die passenden digitalen Lösungen. Sie stehen auch vor der Aufgabe, bisherige Einstellungen und Denkweisen zu ändern und neue Fertigkeiten, Kenntnisse und Kompetenzen zu etablieren.

Die Designer:innen benötigen – neben ihrer Kreativität und dem Wissen über Social-Media- und popkulturelle Trends im Modebereich – künftig auch verstärktes technisches Know-how. Sie sind deshalb entsprechend zu schulen bzw. auszubilden.

Wesentlich hierbei ist ein wirksames Change Management, das den Designer:innen Angst vor einem Arbeitsplatzverlust durch die Digitalisierung nimmt und ihnen die Vorteile eines digital unterstützten Designprozesses vermittelt. In diesem Rahmen sollte außerdem die Sensibilität für sozio-ökonomische und ökologische Trends wie beispielsweise Nachhaltigkeit, Fair Fashion und Kreislaufwirtschaft, Individualisierung und Do-it-yourself (Co-Creation) erhöht werden.

Kurzum: Die Digitalisierung der Kreativprozesse in der Modebranche ist nicht nur ein Nice-to-Have sondern ein Must-Have und impliziert aus meiner Sicht zahlreiche Optimierungspotenziale – nicht nur hinsichtlich Zeit- und Kosteneinsparungen, sondern auch mit Blick auf Ressourceneinsparung und Nachhaltigkeit, Kreativität, Individualisierung/Personalisierung und Innovationsführerschaft.

Verena Lensch

Direct-to-Consumer: So gelingt es