Die Immobilienwirtschaft entdeckt Compliance

Verhaltensregeln sollen das Image der Branche verbessern und bei Haftungsfällen schützen.

Es läuft eigentlich gut für die Immobilienwirtschaft. Investoren nutzen Wohn- und Gewerbeimmobilien als attraktive Kapitalanlage, Immobilienbesitz ist als Altersvorsorge begehrt, die Miet- und Kaufpreise sind in vielen Region Deutschlands so hoch wie selten zuvor, und die Baubranche boomt.

Doch immer wieder gibt es auch kritische Medienberichterstattung über Fälle von Bestechung, unberechtigter Weitergabe von Daten und Veruntreuung. Das Image der Branche hat einige Kratzer bekommen, und das sollte ihr nicht gleichgültig sein.

Zeit zum Umdenken

Die Immobilienwirtschaft ist einer der größten Wirtschaftszweige des Landes, der zudem stark mit der Volkswirtschaft verbunden ist. Da mag es etwas verwundern, dass die Branche bisher zum großen Teil unreguliert und daher von Compliance-Anforderungen unberührt geblieben ist.

Das liegt zum einen daran, dass sich die Immobilienwirtschaft bisher nicht durch allzu große Nähe zum Kapitalmarkt auszeichnete, aber auch daran, dass die Branche sehr differenziert ist. Neben den großen Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) gehören Vermarkter, Bewerter, Projektentwickler, Asset- und Property-Manager, Makler, die gesamte Baubranche und viele große und kleine Dienstleister dazu. Reguliert sind aufgrund ihrer Rechtsform zum Beispiel die KVGen. Sie verfügen bereits über Interne Kontroll- und Compliance-Management-Systeme.

Der große Rest der ca. 790.000 Unternehmen, die der Immobilienbranche zugehörig sind, tut sich mit Compliance noch etwas schwer. Über ein Internes Kontrollsystem (IKS) verfügen nur die wenigsten. Wenn nicht gesetzliche oder unternehmensspezifische Zwänge vorliegen, ist die Einhaltung von Compliance-Standards bei ihnen von Freiwilligkeit geprägt oder im schlimmsten Fall gar nicht vorhanden.

Eine aktuelle KPMG-Studie zeigt aber: Es findet ein Umdenken bei den Unternehmenslenkern statt. Mehr als 80 Prozent der Befragten halten Compliance für ihr Unternehmen für wichtig oder sehr wichtig und gehen davon aus, dass die Bedeutung in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen wird.

Zunehmende Regulierung

Die Einsicht kommt zur rechten Zeit. Compliance ist heutzutage eine Grundvoraussetzung für nachhaltigen Erfolg in Geschäftsbeziehungen, im gesellschaftlichen Umfeld und auf dem Arbeitsmarkt. Unzureichende oder fehlende Compliance-Regelungen können für Unternehmen und ihre Mitarbeiter weitreichende Folgen haben. Das Geschäft der Immobilienwirtschaft birgt einige branchenspezifische Risiken, die kostspielige Haftungsfragen und nachhaltige Reputationsschäden nach sich ziehen können.

Zudem rückt die Real-Estate-Branche immer mehr in die Nähe regulierter Finanzmärkte. Asset- und Property-Manager verwalten vermehrt Bestände für institutionelle Investoren. Die gestiegenen Anforderungen, denen die Kapitalverwaltungsgesellschaften ausgesetzt sind, geben sie an ihre Dienstleister weiter. Auch diese Entwicklung erfordert ein Umdenken beim Stellenwert von Compliance.

Das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft e.V. (ICG) erarbeitet seit 15 Jahren Leitlinien und Kodizes für die Branche, denen sich viele Unternehmen unterworfen haben – u. a. den Leitfaden „WerteManagement in der Immobilienwirtschaft“. Über ein Zertifizierungssystem für Compliance-Management werden diese in der Branche verankert. Auch der große Branchenverband RICS (Royal Institution of Chartered Surveyors) ist aktiv geworden und entwickelt Standards für die Branche.

Der Markt ändert sich

Die Immobilienwirtschaft wird zukünftig nicht weiter so ausdifferenziert sein, wie sie jetzt ist. Die KVGen sind Vorreiter, hier beobachten wir momentan eine Konsolidierung des Marktes. Zukünftig wird der Markt von einigen großen Flaggschiffen dominiert. Diese Entwicklung wird sich bei den Dienstleistern, insbesondere den Asset- und Property-Managern fortsetzen.

Die kleineren Unternehmen werden sich für bestimmte Standards öffnen müssen, allein schon, um im Wettbewerb bleiben zu können. In dem Moment, wo sie ihren institutionellen Auftraggebern (z.B. KVGen) IKS- und Compliance-Zertifizierungen nicht nachweisen können, werden ihre Verträge nicht verlängert, bzw. sie gewinnen in den Pitches keine neuen Verwalterverträge.

Der Druck ist also da, die Einsicht auch. Doch die Umsetzung bleibt momentan noch mindestens 20 Prozent hinter den Zielen zurück – auch das eine Erkenntnis der Studie „Compliance in der Immobilienwirtschaft“. Jedes Compliance-Regelwerk kann nur dann funktionieren, wenn es von allen Mitarbeitern auch befolgt und gelebt wird. Daher sollten Unternehmen Wert darauf legen, Mitarbeitende aller Hierarchieebenen dafür zu sensibilisieren und sich um professionelle Strukturen zu kümmern.

Fazit

Vermutlich waren viele Unternehmen der Immobilienwirtschaft in der Vergangenheit dem Thema Compliance gegenüber auch deshalb nicht so aufgeschlossen, weil sie hohe Kosten und personellen sowie organisatorischen Aufwand befürchtet haben. Ich denke jedoch, je mehr sie sich mit dem Thema auseinandersetzen, desto mehr werden sie die Vorteile von Internen Kontroll- und Compliance-Management-Systemen entdecken – und wir sehen ja auch bereits, dass sich das immer weiter durchsetzt.

Die großen Unternehmen geben die Standards vor, die kleineren werden sich anpassen. Und wenn wir in fünf Jahren bei den Unternehmen noch mal nachfragen, dann wird der größte Teil der Befragten Compliance und Interne Kontrollen nicht nur für wichtig halten, sondern auch entsprechende Systeme im Unternehmen erfolgreich umgesetzt haben.