Die neue Legitimität der Finanzwirtschaft

Investitionen mit höherem Sinn als Weg der Versöhnung der Finanzwirtschaft

Das Bundesverfassungsrecht hat mit seinem Urteil zur teilweisen Verfassungswidrigkeit des Klimaschutzgesetzes einen judikativen Meilenstein gesetzt. Freiheit ist nach dem Urteil unseres höchsten Gerichtes nicht nur die Freiheit im Augenblick. Freiheit muss vielmehr intertemporär betrachtet und bewertet werden. Verhalten der Gegenwart, das Freiheiten in der Zukunft einschränkt, muss heute bereits korrigiert werden. Das Bundesverfassungsgericht verlangt somit, dass Klimaschutz heute bereits zu deutlichen Verhaltensänderungen führen muss, damit zukünftige Generationen im Kampf gegen den Klimawandel ihre Freiheiten noch genießen können.

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen nicht nur für die gesetzgebende Instanz selbst, die nun im Rahmen einer Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes auch Maßnahmen zur Verlangsamung der Erderwärmung nach 2030 entwickeln und vorgeben muss. Auch Unternehmen und Investierende werden sich fragen müssen, wie sie ihre Bemühungen um einen geringeren Ressourcenverbrauch zum Schutz des Klimas noch einmal steigern können.

Dies ist nicht nur eine ethische Frage, sondern auch eine unmittelbar ökonomische. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht erstmalig klargestellt, dass Klimaschutz nicht nur ein ökologisches Gebot, sondern eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zum Schutz der nächsten Generationen ist. Und kein Unternehmen will sich gegen zukünftige Konsumierende und deren fundamentale Interessen stellen oder sich vorwerfen lassen, durch sein Verhalten grundrechtliche geschützte Positionen junger Konsumierender zu verletzten. Eine öffentliche Anprangerung durch Bewegungen wie „Fridays for Future“ und Konsumboykotte von Teilen der Zielgruppen wären in einer sich stetig aufheizenden Debatte nicht ausgeschlossen. Dem gilt es, durch vorausschauendes Handeln vorzubeugen.

Aber nicht nur Unternehmen, sondern auch Vermögensverwaltende werden noch stärker auf ökologisch bewusste Investitionen setzen und nach „Impact“ suchen, um in Bezug auf Nachhaltigkeit bewusster werdende Investierende zu binden beziehungsweise zu gewinnen. Man darf nicht vergessen, dass die nächste Generation eine Erbengeneration ist, bei der vielfach erhebliches Vermögen verwaltet werden muss. Gerade diese junge, recht vermögende Generation stellt aber bekanntlich mehr Anforderungen an ein Investment als allein finanzwirtschaftliche Rendite. Es ist die Generation, die nicht mehr so auf materielle Werte fokussiert, wie es noch vorangegangene Generationen getan haben.

Eine derart „aufgeklärte“ Finanzwelt, in der ein neuer, umfassenderer Renditebegriff Platz greifen wird und in der finanzielle Mittel zur Sicherung der Umwelt und des Lebens eingesetzt werden, erhält eine völlig neue Bedeutung und gegebenenfalls sogar eine neue Legitimität. Denn die damit erzielte Rendite ist nicht eine individuell den Investierenden zukommende, sondern vielmehr eine universelle Rendite, die auf unterschiedliche Art und Weise letztlich uns allen zufließt.

Ein solches Investieren mit „Impact“ ist damit vielleicht die Antwort auf die tief sitzende Skepsis gegenüber Finanzmärkten und ihren Akteuren, ein wirksames Mittel gegen die teils diffuse, teils berechtigte Angst vor Individualismus und überbordendem materiellem Egoismus. Denn solche Investitionsstrategien beinhalten das Prinzip der „geteilten Rendite“: Einer direkt ökonomischen für die Investierenden und einer indirekt ökologisch-sozialen Rendite für uns alle.

Wichtig wäre auch die Anerkennung entsprechender Investitionen durch die Politik. Würde die Politik entsprechende Investitionsstrategien unterstützen, positiv kommentieren und damit entsprechend handelnde Marktakteure ermutigen, würde dies die Akzeptanz deutlich erhöhen. Denn die Politik ist in diesem Zusammenhang ein in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzender Leumund. Besonders vorteilhafte Investitionen im Sinne der „geteilten Rendite“ könnten darüber hinaus einen deutlich reduzierten Steuersatz bei der Abgeltungsteuer eingeräumt bekommen. Auch gesonderte Freibeträge bei den Einkünften aus Kapitalvermögen könnten für entsprechende Kapitalanlagen angedacht werden. Ob es aber jemals soweit kommen wird, bleibt abzuwarten.

Eines macht das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz der Bundesregierung aber deutlich: Investitionen in innovative, klima- oder ressourcenschonende beziehungsweise den Gesundheitsschutz fördernde Technologien werden nochmals deutlich zunehmen. Der Kapitalbedarf ist riesig, die Privatwirtschaft gefordert, das Sentiment für entsprechend bewusste Investitionen positiv.

 

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Sustainable Finance und ESG

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Sustainable Finance

Mit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals (SDGs) und des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen das wohl ehrgeizigste Projekt der Menschheitsgeschichte auf den Weg gebracht: Die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

Bei dieser Transformation kommt dem Finanzsektor eine herausragende Bedeutung zu. Denn mit seiner Hilfe lassen sich Kapitalströme in nachhaltige Investitionen lenken und Anreize für ein nachhaltigeres Handeln setzen. Außerdem wird so Nachhaltigkeit zu einem integralen Bestandteil des Risikomanagements und die Transparenz von Finanz- und Wirtschaftsaktivitäten deutlich erhöht.

Um diese Hebelwirkung des Finanzsektors für die gewünschte nachhaltige Transformation zu nutzen, hat die Europäische Kommission 2018 den EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verabschiedet. Er hat in Verbindung mit der EU-Taxonomie und einer Vielzahl weiterer Gesetze und Verordnungen – insbesondere zur ESG-Berichterstattung (Environment, Social, Governance) – dazu geführt, dass Finanzdienstleister zahlreiche Prozesse umgestalten und ihre Produktangebote neu ausrichten müssen. Dabei sind zahlreiche Entscheidungen zu treffen, die tiefgreifende Veränderungen nach sich ziehen und erhebliche Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg und das Geschäftsmodell haben.

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