FinTech-Regulierung: Fluch oder Segen?

Eine gute Regulierung sollte prinzipienausgerichtet und technologieneutral sein.

FinTechs – wie kaum einer anderen Entwicklung zuvor, gelingt es den Digital-Pionieren dem Finanzsektor ein neues Gesicht zu geben. Ob allein oder als Dienstleister für die Etablierten der Branche, machen sie sich daran Verbrauchern ganz neue Wege zu Finanzprodukten zu eröffnen, das Backoffice von Banken zu revolutionieren oder die Art, wie wir zukünftig zahlen werden. Ihre Tätigkeitsfelder sind höchst heterogen – genauso wie die Regularien, denen sie zurzeit unterliegen.

Dies soll nun ein Ende haben. Die EU-Kommission macht sich daran, einen europaweit aufgestellten Aktionsplan umzusetzen und hat hierfür auch die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA eingebunden. Doch wie sollte solch eine Regulierung ausgestaltet sein? Gut gemacht, führen die Vorgaben zu Rechtssicherheit in der Branche und für ihre Kunden. Andererseits könnte ein falsch gesetzter regulatorischer Rahmen die positive Entwicklung der FinTech-Branche in ganz Europa bremsen.

FinTechs – erfolgreich und höchst heterogen

Der KPMG-Report The Pulse of FinTech zeigt: Die Investition von Wagniskapital in FinTechs übersteigt mittlerweile 13 Mrd. USD in ca. 1.000 Transaktionen auf globaler Ebene. Auch in Europa werden mehr als 1.500 FinTechs, wie die aktuelle EBA-FinTech-Roadmap zeigt, zu einem immer wichtigeren Teil des Finanzsektors. Der kürzlich für Drittanbieter eingeführte Zugang zu Kontodaten etablierter Zahlungsverkehrsdienstleister über die entsprechende EU-Richtlinie PSD2 wird diese Rolle noch stärken.

FinTechs sind aber bereits jetzt schon in der Lage durch ihre technische Kompetenz und Flexibilität, welche auf der Nutzung moderner Technologien beruht, immer schnellere Innovationszyklen zu erreichen – während etablierte Anbieter sich häufig schwerer tun. Dennoch ist es bislang nicht zu dem befürchteten erbitterten Wettbewerb zwischen FinTechs und etablierten Dienstleistern gekommen. Vielmehr suchen beide Seiten zunehmend nach komplementären Geschäftsideen. Dies ist auch im Sinne des Endverbrauchers. Regulierung kann FinTechs Stabilität verleihen – und somit das Vertrauen von Kunden und Kooperationspartnern stärken.

Regulierung? Bislang uneinheitlich und lückenhaft

Aktuell stehen fast ein Drittel aller FinTechs weder unter europäischer noch unter nationaler Beaufsichtigung. In wesentlichen Bereichen von Finanzinnovationen sind unregulierte FinTechs tätig, die häufig sogar Zugang zu Kundengeldern und Endverbraucher als Kunden haben.

Zulassungsverfahren von Aufsichtsbehörden speziell für Innovationsbereiche von FinTechs bestehen grundsätzlich in knapp zwei Drittel aller EU-Mitgliedsstaaten. Acht Mitgliedsstaaten haben dabei Zulassungsverfahren für Online-Plattformen für das Crowd Funding. Sie fallen jedoch äußerst unterschiedlich aus.

Diese uneinheitliche Regulierung behindert vergleichbare Marktzutrittsmöglichkeiten für FinTechs in Europa sowie gleiche Rahmenbedingungen für FinTechs im Verhältnis zu den zunehmend sehr eng regulierten Banken und Versicherungen. Zudem sorgt sich die Aufsicht über Risiken für die Verbraucher.

Die EBA-Fintech-Roadmap

Dies soll sich nun ändern. Die EBA hat in Einklang mit dem Aktionsplan der EU-Kommission am 15. März 2018 eine FinTech-Roadmap vorgelegt, die unterschiedliche Regulierungsmaßnahmen in 2018 und 2019 definiert.

Die Prioritäten der EBA liegen gemäß der Roadmap auf folgenden fünf Themen:

  1. Überwachung und Weiterentwicklung des regulatorischen Anwendungsbereiches für FinTechs inklusive Lizenzierungsverfahren, „Sandboxes“ und „Innovation Hubs“.
  2. Beobachtung von technologischen Trends und deren Risiken und Chancen zum Zwecke des Erfahrungsaustausches mit der Branche.
  3. Förderung von „Best Practices“ bei der Beurteilung von IT-Sicherheit (Umgang mit Cyberrisiken).
  4. Förderung des Verbraucherschutzes inklusive des Umgangs mit Krypto-Währungen.
  5. Identifikation und Beurteilung von Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung durch FinTech-Dienstleistungen und IT-Anbieter.

Zudem beabsichtigt die EBA die Schaffung eines Forums zur Diskussion aller hoch priorisierten Themen im „FinTech Knowledge Hub“, das aus zuständigen Aufsichtsbehörden und Branchenvertretern bestehen wird.

Vorgaben besser prinzipienorientiert und technologieneutral

FinTechs sind ein wesentlicher Treiber für die Digitalisierung der Wirtschaft innerhalb der EU. Die Auflösung des Flickenteppichs unterschiedlicher Regulierungswerke ist notwendig, um europäische FinTechs im globalen Wettbewerb zu fördern. Da z.B. Internet-Plattformen nicht an nationalen Landesgrenzen enden, sind stabile und einheitliche Rahmenbedingungen für FinTechs zumindest in Europa ein Schlüssel für deren weiteres Wachstum. Eine „richtige“ Regulierung kann einen maßgeblichen Beitrag für das weitere Wachstum der Branche geben – im Sinne der Stabilisierung einer jungen Branche, aber auch im Sinne eines „Gütesiegels“ für Kooperationspartner und Investoren. „Richtig“ wird die Regulierung nur sein, wenn sie mindestens europäisch harmonisiert, technologieneutral und prinzipienbasiert ist. Ein zu enges regelbasiertes Korsett würde allein schon mit der Innovationsgeschwindigkeit der Branche nie mithalten können.

Dazu sind erhebliche Investitionen in das Know-how über innovative Technologien bei Standardsetzern und Aufsehern sowie die Anpassung von Organisation und Prozessen der Aufseher selbst erforderlich – und eine Plattform für den regelmäßigen Dialog mit der Branche.

Darauf sollten FinTechs jetzt achten

Die Transparenz zu Geschäftsmodellen und eingesetzten Technologien sollte gegenüber Aufsichtsbehörden und potentiellen Kooperationspartnern im kontinuierlichen Dialog weiter gestärkt werden. Aufbau- und Ablauforganisation sowie Risikomanagement und IT-Sicherheit gilt es bezüglich einschlägiger regulatorischer Anforderungen zu überprüfen und dann bezogen auf die Größe und Anforderungen eines Startups umzusetzen. Dazu ist spezifisches Know-how zum regulatorischen Rahmen aufzubauen oder über geeignete Dritte zu beziehen, um die eigene Exponiertheit der Geschäftsaktivitäten in Bezug auf Regularien zu verstehen. Die Erfordernisse des Lizenzierungsverfahrens sollten unter Abwägung von Aufwand und Nutzen überprüft werden.

FinTechs sollten sich analog der Banken- und Versicherungsbranche noch stärker organisieren und rechtzeitig ihre Interessen in Konsultationen einbringen – nicht nur national, sondern vor allem auch europäisch. Ein rechtzeitiges „Lobbying“ wird notwendig sein, um Fehlentwicklungen von Standards zu vermeiden. Die nächsten ein bis zwei Jahre werden entscheidend für die Schaffung des regulatorischen Rahmens der Branche sein. Das bildet die Basis dafür, die EU tatsächlich als einen Markt zu nutzen.

Etablierte Finanzdienstleister müssen aktiver werden

Etablierte Anbieter sollten ihre Geschäftsmodelle an die neuen Möglichkeiten der verfügbaren Technologien anpassen und „Innovation“ in der Aufbau- und Ablauforganisation etablieren. Dies beinhaltet den Ausbau der digitalen Vertriebswege und Dienstleistungen – vom produktorientierten zum innovativen, kundenorientierten Ansatz. Bei der Neugestaltung von Wertschöpfungsprozessen sollten Kooperationen mit FinTechs geprüft werden, die es Banken und Versicherungen erlauben, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und ihre Stärken auszuspielen: etablierte Kundenbeziehungen, fachliche Expertise und Reputation am Markt.

Auch müssen Banken und Versicherungen die Risiken der Digitalisierung erkennen und steuern lernen. Dies gilt insbesondere im Bereich des Schutzes von Kundendaten, der Stabilität von IT-Lösungen und der Verlässlichkeit von Kooperationspartnern oder ausgelagerten Technologien. Innovative Dienstleistungen müssen Teil eines effektiven internen Kontrollsystems sein. Geschäftsleiter bzw. sämtliche Führungskräfte müssen die IT-Kompetenzen stärken. Die Aufsicht hat dies bei der Regulierung der notwendigen Qualifikationen von Geschäftsleitern bereits berücksichtigt.

Die angestrebte EU-weite FinTech-Regulierung kann für alle Beteiligten zum notwendigen Rahmen werden, der Wachstum und Innovation ermöglicht und gleiches Geschäft mit gleichen Regeln versieht – aber nur, wenn es zu keiner Überregulierung der Branche kommt.

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Warum sollten Unternehmen das Thema Innovation aktiv steuern? Reicht es nicht, sich organisch weiterzuentwickeln oder Erneuerung gar dem Zufall zu überlassen? Heute, wo Unternehmen sich immer schneller digital transformieren müssen, lautet die Antwort ganz klar: Nein.

Der Sog neuer Technologien, Trends und Kundenbedürfnisse ist so stark, dass sich ihm keine Branche entziehen kann. Was heute noch Erfolg verspricht, ist morgen schon Geschichte. Die fortschreitende Digitalisierung führt zu einem fundamentalen Wandel in der Finanzbranche und stellt ganze Geschäftsmodelle infrage. Und auch das Kundenverhalten hat sich deutlich verändert. Die Art, wie Leistungen von Banken und Versicherungen wahrgenommen und bewertet werden, befindet sich im Umbruch.

Um ihren Erfolg zu sichern, müssen sich Finanzdienstleister deshalb in immer kürzeren Zeiträumen kontinuierlich neu erfinden. Einen so wichtigen Vorgang kann man nicht dem Zufall überlassen. Man sollte ihn vielmehr bewusst steuern.

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