Kundenorientierung: Mit Personalisierung zum besseren Kundenerlebnis

Auch Versicherungen können ihre Relevanz für Kundinnen und Kunden steigern

Die Digitalisierung schreitet ungebremst voran, so auch die dadurch verursachte Flut an Informationen und Daten. Während in den 80er-Jahren alle Deutschen etwa 650 bis 850 Werbebotschaften am Tag ausgesetzt waren, werden sie aktuell täglich mit ca. 10.000 konfrontiert (Wiwo, 2018). Die meisten dieser Botschaften blenden die Menschen in der Regel direkt aus, da ihr Gehirn ab etwa 3.000 bis 5.000 Informationen pro Tag nicht mehr aufnahmefähig ist. Umso wichtiger ist es daher in den letzten Jahren geworden, sich auf relevante Kommunikation zu fokussieren.

So haben Unternehmen die Bedeutung des Themas Personalisierung erkannt. Sie ist einer von sechs Treibern eines guten Kundenerlebnisses (Customer Experience – CX) und entscheidend dafür, ob und in welchem Umfang Unternehmen weiterempfohlen werden und die Kundschaft loyal bleibt. In der Umsetzung gibt es allerdings deutliche Unterschiede bei den einzelnen Branchen. Während der Retail-Bereich beispielsweise als Vorreiter für die personalisierte Kundenbeziehung gilt, hat die Assekuranz Nachholbedarf. Zu den Faktoren, die für eine positive CX sorgen, gehören neben der Personalisierung auch:

  • Integrität: Vertrauensbildende Momente schaffen für eine langfristige Kundenbeziehung
  • Problemlösungskompetenz: Unverzügliches Handeln bei Problemen, wobei der Servicegedanke im Vordergrund steht
  • Erwartungen: Spezifische Kundenerwartungen kennen und erfüllen
  • Zeit und Aufwand: Schnelle Reaktionsfähigkeit in der Kundeninteraktion und eine einfache Handhabung von Anwendungen
  • Empathie: Verständnis für die individuelle Kundensituation zeigen

Grad der Personalisierung wird sich kontinuierlich weiterentwickeln

Personalisierung kann entlang der gesamten Customer Journey zum Einsatz kommen. Von der Informationsphase in Social Media bis hin zur Abschlussphase und den darauffolgenden Services spannt sie sich wie ein Bogen über die Kundenbeziehung. Und je enger Kundinnen und Kunden an ein Unternehmen gebunden werden, desto stärker lässt sich die Interaktion mit ihnen personalisieren. Dabei könnte ein exemplarisches Zielbild der Personalisierung aus Kundensicht – in aufsteigender Reihenfolge – so aussehen:

  • Die Kundinnen und Kunden erhalten vom Versicherer regional relevante Informationen direkt in ihr Kundenportal (beispielsweise über Veranstaltungen zu Gesundheit und Ernährung) oder allgemein über die Website.
  • Beim Anruf im Servicecenter werden die Kundennummer erkannt und unverzüglich im virtuellen Menü die bestehenden Verträge als Optionen aufgezählt; außerdem werden sie durch die Ansprechpersonen mit ihrem Namen begrüßt. Diese haben eine Übersicht über alle Verträge oder Belange und sind auskunftsfähig.
  • Informationen der Versicherung erhalten die Kundinnen und Kunden über ihren bevorzugten Kommunikationskanal und gegebenenfalls auch zur präferierten Tageszeit und zum passenden Wochentag.
  • Meldet jemand beispielsweise einen Totalschaden seines Fahrzeugs, so wird ein Ersatzfahrzeug der Wahl über einen Gebrauchtwagenpartner angeboten, das direkt zu den persönlichen Merkmalen versichert ist. Anfragen durch den Versicherer können Kundinnen und Kunden online erledigen, indem Links oder QR-Codes aus der Kommunikation des Versicherers genutzt werden, die auf personalisierte Microjourneys führen. Hier sind alle Informationen und Präferenzen bereits in den jeweiligen Formularen oder Datenfeldern hinterlegt.
  • Der Versicherer wendet externe Daten auf spezielle Kundensituationen an, um beispielsweise auf mögliche Gefahren im Umfeld, wie Leitungswasserschäden, hinzuweisen.
  • Entscheidend: Die Kundinnen und Kunden haben jederzeit Transparenz über die Nutzung ihrer Daten durch den Versicherer und können dieser widersprechen.

Personalisierung stellt hohe Anforderungen an die Unternehmen

Soweit das angestrebte Ziel. Doch wie kann es erreicht werden? Dieser Prozess ist mitunter sehr komplex und stellt hohe technische Anforderungen an die Versicherungen. Allerdings kann der Grad der Personalisierung in mehreren Ausbaustufen erfolgen – von personenbasierter Ansprache bis zur Orchestrierung aller Kanäle und Inhalte entlang einer vollständig individualisierten Customer Journey. Entscheidend für den Erfolg einer Personalisierungsstrategie sind folgende Faktoren:

  • Die richtigen Informationen und Kundendaten (inkl. Analysefähigkeit)
  • Die Einwilligung zur Nutzung der Daten
  • Die Fähigkeiten, die Daten über unterschiedliche Kanäle wie Ausschließlichkeitsorganisation, Makler, Kooperationspartner oder Direktkanal zugänglich zu machen
  • Das Know-how zur Gestaltung von personalisierten Inhalten und Ansprache-Konzepten

Von der Wahrnehmungs- bis zur Nachkauf-Phase

Die Customer Journey – und damit auch die Personalisierung – beginnt bereits in der sogenannten Wahrnehmungs-Phase. Beispiel Hausratversicherung: Eine Versicherung schaltet Infoanzeigen in sozialen Netzwerken, die Studierende auf die Risiken von Datenverlusten, PC- und Handydiebstählen hinweisen.

Ähnlich verhält es sich in der Informationsphase. Beispiel Bauherrenhaftpflichtversicherung: Suchen potenzielle Kundinnen und Kunden in Internetportalen nach Baugrundstücken, werden dabei Cookies gesetzt. In Social Media können daraufhin Informationen, entsprechende Produkte oder Kontakte zu Vermittlern in ihren Feed gespielt werden.

Für die Entscheidungsphase müssen alle relevanten Informationen vorliegen: Je besser ein Versicherer die Interessierten schon kennengelernt hat, desto mehr zielgerichtete, an die Personen angepasste, entscheidungsrelevante Informationen können geliefert werden. Beispiel Versicherungsvermittler: Potenzielle Kundinnen oder Kunden möchten eine Risikolebensversicherung abschließen, weil ein Hauskauf geplant ist. Allerdings sind sie noch unsicher, da auf dem Nachbargrundstück ein weiteres Gebäude gebaut werden soll. Der Vermittler erfährt diese Informationen im Laufe der Beratung und kann nun einen Gutschein für eine Rechtsberatung anbieten, wenn die Versicherung über ihn abgeschlossen wird.

Nach dem Abschluss des Vertrags wird eine schnelle Bearbeitung und Bestätigung der Versicherung erwartet. In dieser Phase punkten Versicherungen vor allem mit exzellentem Service. Durch eine unverzügliche Bestätigung des Versicherungsschutzes sowie Zugang zu einem Onlineverwaltungsportal, in dem die Kundinnen und Kunden ihren Tarif individuell anpassen können, bekommen sie ein direktes Erfolgserlebnis vermittelt. Mit der vorletzten, der Abschlussphase kann die eigentliche Personalisierung beginnen, liefert sie doch auf einen Schlag eine Fülle von Daten für den Versicherer. So kann abgefragt werden, an welchem Tag, zu welcher Uhrzeit und über welchen Informationskanal die Kundinnen und Kunden am liebsten kontaktiert werden möchten.

In der Nachkaufphase kann durch Personalisierung die Kundenbindung gestärkt werden und Zusatzeinkünfte können durch Cross- und Up-Selling generiert werden. In dieser Phase kann die bestehende Kundenbeziehung genutzt werden, um immer wieder Kontakt aufzunehmen, gegebenenfalls neue Daten zu veränderten Lebenssituationen zu generieren und entsprechende Angebote zu unterbreiten, zum Beispiel für die Änderung der Kfz-Police bei entsprechendem Alter der Kinder.

Erfolgsfaktor Relevanz

Wenn Versicherte eine Immobilie kaufen, werden sie es vermutlich sehr schätzen, wenn sie ein individualisiertes Angebot für eine Gebäude- und Hausratversicherung bekommen. Die unterbreiteten Angebote sollten zur jeweiligen Lebensphase und zur individuellen Situation passen.

Herausforderung Transparenz

Auf der einen Seite schätzen Kundinnen und Kunden ein hohes Tempo und eine einfache Handhabung von Prozessen. Und je mehr Daten sie selbst zur Verfügung stellen, desto einfacher wird es für ein Unternehmen, dies zu gewährleisten. Allerdings ist besonders in Deutschland der Datenschutz ein hohes Gut. Einige Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit, persönliche Daten preiszugeben, weil sie von vorteilhaften Angeboten profitieren wollen, andere lehnen dies ab. Unabdingbar ist daher: Der Versicherer muss transparent darlegen, wie Daten intern genutzt werden. Er muss Mittel an die Hand geben, damit die Hoheit über die Daten auf Kundenseite erhalten bleibt. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union bietet den dazugehörigen rechtlichen Rahmen.

Herausforderung technische Fähigkeiten

Eine Besonderheit der Versicherungsbranche erschwert die Personalisierung über alle Sparten hinweg. Rechtlich müssen Lebens-, Sach- und Krankenversicherungen stets in eigenen Unternehmen getrennt voneinander verwaltet werden. Das behindert den Datenaustausch zwischen den einzelnen Gesellschaften, der Grundlage für die einheitliche Personalisierung wäre. Der Personalisierungsservice muss daher über alle drei bestehenden, unterschiedlichen IT-Systeme und -Landschaften gelegt werden. Ein Startpunkt ist eine einzige Kunden-ID, die eine Anmeldung über alle Sparten hinweg ermöglicht, sowie dazugehörige Kundendatenverwaltung und Berechtigungsmanagement.

Assekuranz hat die Bedeutung erkannt

Die Versicherungsbranche hat bei der Personalisierung zwar grundsätzlich Nachholbedarf, hat aber die Bedeutung des Themas erkannt. Und das Interesse ist groß, die sich bietenden Chancen zu nutzen. Dazu gehören unter anderem:

  • Die Kundinnen und Kunden sowie deren Bewegungen in der digitalen Welt besser zu verfolgen, zum Beispiel über Web Tracking auf den eigenen Webseiten und Social-Media-Kanälen
  • Die Kundenbedarfe besser zu verstehen und stärker auf deren Kommunikationspräferenzen einzugehen sowie vorhandenes Wissen und Kundendaten in der Kommunikation zu nutzen
  • Bessere, personalisierte Angebote zu unterbreiten, auch über den eigentlichen Versicherungsschutz hinaus
  • Personalisierte Maßnahmen zur Schadenprävention anzubringen

Vollendet wird die Personalisierung entlang der Customer Journey dann, wenn es Versicherern gelingt, ihre Zielgruppe durchgängig zu identifizieren und entsprechend zu adressieren. Für Konsumentinnen und Konsumenten ist es heutzutage wichtiger denn je, relevante Informationen und Angebote zu erhalten, die speziell zu ihrer Lebenssituation passen. Nur so schafft man es, sich als Anbieter von der Konkurrenz abzuheben und die Kundschaft langfristig an sich zu binden. Wer es schafft, seine Kundinnen und Kunden zu Fans zu machen, für den werden sich die dafür benötigten Transformationsprozesse mehr als auszahlen.

 

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Customer Centricity ist heute schon wichtig, morgen jedoch entscheidend. Denn die zunehmende Digitalisierung lässt auch die Erwartungen der Kund:innen an die Produkte und Services ihrer Finanzdienstleister steigen: Sie erwarten eine hohe Personalisierung und Individualisierung, eine möglichst unkomplizierte und schnelle Abwicklung ihrer Aufträge und eine Lösung ihres Anliegens zu jeder Zeit und überall über ihre präferierten Kanäle. Eine systematische Ausrichtung des Geschäftsmodells an den Kundenerwartungen und -bedürfnissen ist damit zu einem noch wichtigeren Erfolgsfaktor im Finanzsektor geworden – und bietet gleichzeitig eine große Chance, sich vom Wettbewerb zu differenzieren.

Dass eine konsequente Customer Centricity viele Potenziale bietet, haben die meisten Finanzdienstleister erkannt. So äußerten 2022 beispielsweise 97 Prozent der Befragten einer Studie von KPMG und Lünendonk („Kunden im Mittelpunkt – Kundenzentrierung als wesentlicher Erfolgsfaktor im Finanzdienstleistungssektor“), dass sie Kundenzentrierung als Teil ihrer Strategie verstehen oder einen entsprechenden Strategieschwenk planen. 88 Prozent der Befragten wollen in Zukunft näher an ihre Kund:innen heranrücken und ihnen zusätzliche Mehrwertservices entlang ihrer Customer Journey und zu ihren individuellen Bedürfnissen und Alltagssituationen bieten.

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