Neue EZB-Prioritäten: Digitalisierungsstrategie wird überlebenswichtig

Neue Technologien zählen nun zu den aufsichtlichen Prioritäten

Keyfacts

  • Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Aufsichtsprioritäten für 2022-2024 vorgestellt
  • Bemerkenswert: Eine Digitalisierungsstrategie zählt nun zu den überlebenswichtigen Anforderungen
  • Tragfähiges Geschäftsmodell hängt demnach vom Erfolg der digitalen Transformation ab

Es ist ein starkes Signal, das in der Fachwelt für Aufhorchen gesorgt hat: Anfang Dezember 2021 veröffentlichte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Aufsichtsprioritäten für die Jahre 2022 bis 2024. Der Katalog der Themen, auf dem ein besonderes Augenmerk liegt, wird jährlich neu festgelegt und kann jederzeit angepasst werden. Zum ersten Mal wurde er für eine mittlere Frist, also mehrere Jahre, beschrieben. Und es gab noch eine überraschende Neuerung: „Mängel in den Strategien der Banken für die digitale Transformation“ gelten nun als „strukturelle Schwäche“ und somit langfristig als mögliche Überlebensfrage.

In der neuen Veröffentlichung betrachtet die EZB die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Banken wie üblich aus mehreren Perspektiven. Wenig überraschend ist die Tatsache, dass sie in der aktuellen Pandemiesituation Kredit- oder Ausfallrisiken als zentrale Aufgabenstellung sieht. Aber sie schlägt auch neue Töne an, indem sie ein Schlaglicht wirft auf die Frage, was Banken in der Europäischen Union (EU) tun müssen, um ein überlebensfähiges Geschäftsmodell zu haben.

Neue Töne: Digitale Transformation ist zentral für das Geschäftsmodell

So tritt in dem Schreiben zu den gewohnten operationalen Risiken dieses Mal eine neue, bislang in diesem Kontext nicht bekannte Dimension: Die Aufsicht fordert, dass die Institute „einer robusten digitalen Transformation bereitwillig gegenüber stehen“ und „mit der Entwicklung neuer Technologien Schritt halten, und mit der wachsenden Konkurrenz durch Digital Natives wie FinTech- und BigTech-Unternehmen mithalten.“

Kurz gesagt: Jedes Institut sollte eine fundierte Strategie für die digitale Transformation haben, denn diese, so geht es aus der Veröffentlichung hervor, ist zentral für ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Anders formuliert: Die Widerstandsfähigkeit und Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle von Banken sind laut EZB direkt abhängig  vom Erfolg der digitalen Transformation.

Maßnahmen: Umfragen und Vor-Ort-Prüfungen geplant

Zu den vorrangig geplanten Aufsichtstätigkeiten zählen eine Umfrage zu den Digitalisierungsstrategien von Banken, eine Benchmark-Analyse und Nachfolgemaßnahmen, wenn Mängel in der Digitalisierungsstrategie festgestellt werden sowie gezielte Vor-Ort-Prüfungen, sogenannte On-Site Inspections (OSIs).

Aus Sicht des Technologieberaters behandelte die Aufsicht bisher in erster Linie operationale Risiken, wie Cybersicherheit sowie Liquiditäts- oder Finanzrisiken. Die Aufsicht stellte in der Vergangenheit typischerweise Regulierungsanforderungen an zum Beispiel Cloud oder künstliche Intelligenz (KI) auf. Und in solchen Fällen stand sie den neuen Technologien eher kritisch gegenüber und betonte oft eher die Risiken als die Chancen.

Wird die Aufsicht jetzt zum Motor der Digitalisierung?

Mit der neuen Veröffentlichung stellen sich somit einige Fragen: Wird die Aufsicht jetzt zum Motor der Digitalisierung? Welche Kriterien werden angelegt für eine angemessene Digitalisierungsstrategie? Müssen die Institute sich jetzt beispielsweise intensiv mit KI beschäftigen und ihre IT (zumindest in Teilen) in die Cloud bringen? Und gibt es wesentliche Feststellungen für eher nicht-digitale Geschäftsmodelle wie von kleinen Privatbanken?

Auch die Reaktion der Banken ist von Interesse: Immerhin macht die EZB mit ihrer Veröffentlichung eine Strategie für die digitale Transformation zum Aufsichtsthema und formuliert so einen Business Need. Viele Banken könnten das als weiteren Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit betrachten.

Auftrag an Banken: Dokumentationen vorbereiten und Schwachpunkte identifizieren

Mit der Veröffentlichung hat die EZB ein Feld für Diskussionen eröffnet. Einige Punkte sind noch offen und erst die Praxis wird zeigen, wie sich Institute optimal auf Prüfungen vorbereiten. Unbeschrieben ist zum Beispiel aktuell, wie die erwähnten OSIs genau aussehen und welche inhaltlichen Aspekte – voraussichtlich etwas früher – die Umfragekataloge enthalten werden, zu denen Banken Stellung beziehen sollen.

Ratsam erscheint es, dass Banken passende Dokumentationen vorbereiten und eigene individuelle Schwachpunkte identifizieren sowie die Erwartungen der EZB durch entsprechende Recherchen durchdringen. Es lohnt ein Blick in die bestehende IT-Strategie, die im ersten Schritt entsprechend hinterfragt und erweitert werden sollte. KPMG unterhält in Frankfurt am Main ein eigenes ECB Office, das sich auf Informationen und Lösungen rund um aufsichtliche Anforderungen der Zentralbank spezialisiert hat. Auf der ECB Office Website erfahren Sie regelmäßig alles über Neuerungen zu EZB- Aufsichtsthemen.