Produktion / Supply Chain

ESG ist tot, lange lebe ESG

Die wachsenden Aufgaben durch ESG zwingen Unternehmen zum strukturellen Umdenken

Keyfacts:

– ESG entwickelt sich aktuell zum Themenschwerpunkt des Jahrzehnts

– Die Kosten, die mit dem Auf- und Umbau einer Organisation zur ESG Compliance benötigt werden sind bei kleinen und mittleren Unternehmen aktuell schnell existenzbedrohend

– Eine gut geplante und umgesetzte Vollintegration des Themas in die Substanz des Unternehmens erlaubt eine kostenoptimale und zukunftsfähige Aufstellung

– Aufgrund der zeitlichen Engpässe, der hohen Komplexität und der Ernsthaftigkeit der Strafen ist erfahrene Unterstützung in der Umsetzung dringend empfohlen

 

“Environmental, Social and Governance” (kurz ESG) ist in aller Munde. Unternehmen bestimmen Verantwortliche, spätestens getrieben durch die neuesten gesetzlichen Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), mit dem Ziel, das Unternehmen mit einer eigenen ESG-Säule zu versehen. Reportingstrukturen, Verantwortlichkeiten, Risikobewertungen, Lieferantenscreening und -ansprache, Kundenansprache, Maßnahmenentwicklung, Maßnahmencontrolling, etc. – die Liste der abzuarbeitenden Themen ist lang. Dadurch entwickelt sich ESG aktuell zu einem wesentlichen Kostentreiber innerhalb des Unternehmens.

 

ESG als Kostentreiber

Besonders bei kleineren Unternehmen, ohne bestehende Strukturen, sind die benötigten Anstrengungen immens. Die zu erwartenden Aufwendungen für die EU-Initiativen (Corporate Social Due Diligence Directive und Corporate Social Responsibility Directive) werden diese Aufwände noch ein weiteres Mal an ein bisher ungekanntes Limit strecken. Diese Auswirkung wird sich bereits kurzfristig nicht nur lokal, sondern auch global bemerkbar machen (siehe dazu auch beispielsweise. den California Climate Act und ESG Disclosure Simplifiction Act Initiative der USA) und ist inzwischen unausweichlich. Während sich einige Unternehmen noch gedanklich nur mit Greenwashing beschäftigen, nehmen umfassende EU-Reportingregelungen diese Option aus dem Rennen. Auch die Hoffnung vieler Firmen, dass sich das Thema wieder verflüchtigt, oder als Bruchstück des Entwurfs verfliegt, dürfte sich spätestens mit der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) vollständig aufgelöst haben. Entsprechend groß ist die Hektik nun bei der Realisierung. Besonders Firmen mit Hauptsitz im Ausland, die unter die Regelung fallen, zeigen sich häufig überrascht von der scheinbaren Kurzfristigkeit sowie vom Umfang der vorherzusehenden Gesetzeswelle. Im amerikanischen Raum hat der Rückzug der SEC ESC Initiative (die inhaltlich hinter dem CSRD-Entwurf deutlich zurückbleibt) für ein entspanntes Zurücklehnen gesorgt. Dass der EU-Entwurf (nach aktuellem Stand) nicht äquivalent zurück rudert, kommt für viele Unternehmen entsprechend überraschend. Die Folge der oft verspäteten oder halbherzigen Intervention im eigenen Unternehmen ist nun, dass kurzfristig große Trainingswellen initiiert werden müssen, während spezialisiertes Personal am Markt kaum zu finden ist. Der Mangel an Personal, sowie hohe administrative Kosten werden auch mittelfristig eine nahezu unlösbare Aufgabe darstellen. Diese Herausforderung betrifft nahezu alle Unternehmen und bieten neben den beschriebenen Risiken im Erfolgsfall aber auch eine Möglichkeit, einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.

 

Weshalb ESG als Stabsstelle keine optimale Lösung darstellt

Ein oft gesehener Lösungsansatz könnte der Aufbau einer Stabsstelle sein, die als Querschnittsfunktion die Integration und Umsetzung von ESG-Themen treibt (wie das aktuell zumeist durch „Corporate-Sustainability-Verantwortliche“ umgesetzt wird). Wie bei Staatsstellen üblich, fehlt hier jedoch besonders in der wichtigen und zeitkritischen Startphase die Durchsetzungskraft und die Umsetzungsfähigkeit, solange die Abteilungen nicht zentral mit ESG- Zielen angesteuert werden. Aber auch danach bleibt die Schlagfähigkeit der ESG-Abteilung zurück, da das Management der Abteilungen extrinsisch über einen Top-down-Ansatz gesteuert wird, anstatt ESG als eigenes Ziel zu begreifen. Die Stabsstelle würde demnach als einzige Anlaufstelle im Unternehmen integrativ ESG-Ziele als ihre eigenen verstehen und als Dienstleister den Abteilungen die Arbeit teilweise oder ganzheitlich abnehmen. Die entsprechende Arbeitsbelastung der Abteilung und die benötigte Kopfstärke wird schnell unübersichtlich und zu einem administrativen Wasserkopf, der auch die Bilanz belastet. Der Aufbau solch einer Querschnittsfunktion über das gesamte Unternehmen, in der ESG als Stabsfunktion aktiv wird und als eigenständige Säule die Integration von ESG-Themen treiben und kontrollieren soll wird folglich ab einer mittleren Unternehmensgröße und in einem globalen Umfeld zu einem unrealistischen Unterfangen. Der Umfang des Themas erfordert dort eine eigene kleine Parallelorganisation, um in allen Bereichen des Unternehmens die geforderten ESG-Themen umzusetzen und weiter zu treiben.

 

Vollständige strategische Integration von ESG-Zielen

Die langfristig unumgängliche Alternative ist die vollständige Integration der ESG-Ziele in die Organisation. ESG wird dadurch als integrales Thema innerhalb sämtlicher Unternehmensfunktionen etabliert und zum Ziel für jegliche Abteilungen und Mitarbeiter. Hierzu wird eine strategische Grundsatzentscheidung notwendig sein. Statt ESG-Themen als eigenständige Säule und somit als Querschnittsfunktion zu verstehen, wird das Thema vollintegriert in der Zielerreichung jeder betrieblichen Funktion verortet. ESG-Ziele werden in Übereinstimmung mit der ESG-Unternehmensstrategie in den individuellen Zielen der Führungskräfte verankert und somit in jeder unternehmerischen Entscheidung integriert.

Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, trotz anfänglich großer Veränderungen, vielfältig. Neben relativ geringen zusätzlichen Personalaufwendungen wird die zukünftige Entwicklung antizipiert und bestehende Prozessstrukturen werden genutzt, um ESG als Querschnittsziel auf alle Schultern zu verteilen. Die Vollintegration von ESG, äquivalent zu Bilanzierungsprinzipien wie SOX, in alle relevanten Geschäftsbereiche ist das Ziel. Zur praktischen Umsetzung würden dann beispielsweise bestehende Fragebögen um wenige weitere Fragen je Bereich ergänzt, oder interne und externe Audits entsprechend erweitert. Auch Balanced Scorecards und Einkaufsprämissen könnten um ESG-relevante Faktoren erweitert werden, um ein paar der vielfältigen Beispiele zu nennen.

 

Umsetzungsvoraussetzungen

Dass dieser unternehmerische Umbau von Zielen nicht ohne intensive und weitreichende Trainings und Auditstrukturen realisierbar ist, erklärt sich wahrscheinlich von allein. Mit Blick auf den engen Zeitplan sollte die notwendige strategische Entscheidung nicht lange vor sich hergeschoben werden. Da es in den gesetzlichen Regelungen und auch den bisherigen EU-Entwürfen an schwammigen Formulierungen nicht mangelt, ist die Einbindung von Partnern mit Integrationserfahrung und direkten Beziehungen zu den Kontrollinstanzen dringend zu empfehlen. Die benötigte Geschwindigkeit der Trainings und der strukturellen Integration erfordert zudem standardisierte und erprobte Ansätze, welche die meisten Unternehmen intern nicht leisten können werden. Das Risiko der Zielverfehlung ist durch drakonische Strafen und den ausdrücklichen Willen der Behörden zur Statuierung eines Exempels nicht zu empfehlen – die Investition in Unterstützung ist somit gut angelegt!