Faktoren zur Risikominimierung im Abspaltungsprozess

Wie man bei Carve-outs im physischen Abspaltungsprozess einen kühlen Kopf behält

Keyfacts:

  • Carve-outs und Desinvestments sind mit großen Risiken verbunden
  • Die größten Risiken im strukturellen Neuaufbau liegen im Aufbau und der Ausbildung des zukünftigen Personals und überzogenen Erwartungshaltungen
  • Klare Priorisierung, rechtzeitiges und ggf. frühzeitig vorbereitetes (verdecktes) Recruiting sowie die Auslagerung von Optimierungsprozessen nach der Ablösung der Transition Service Agreements, ein frühzeitiger Start sowie eine solide Vorbereitung von Ausschreibungen und eine realistische Einschätzung von Trainingsaufwänden sind die Kernelemente, die es zu beachten gilt
  • Erfahrene Partner erleichtern den Prozess elementar, bieten Transparenz, Struktur und Sicherheit im Prozess und erhöhen die Erfolgschancen deutlich

Während Carve-outs oder auch Desinvestments kommt irgendwann der Moment, in denen die physische Trennung durch Aus- und Neubildung von Strukturen angepasst wird. Klassischerweise liegt diese Phase zwischen den sogenannten Day 1 (legale Unternehmenstrennung) und Day 2 (finale Abspaltung und Kündigung der Unterstützung). Diese Phase ist geprägt vom Wissenstransfer und der Verantwortungsübergabe und für den Verlauf der Unternehmenstrennung entscheidend. Es zeigen sich jedoch auch diverse Erfolgsrisiken, die sich nur durch rechtzeitige und saubere Planung und Umsetzungsstarts sowie durch angemessene Erwartungshaltungen mittigeren lassen.

Ressourcenengpässe
Während von Beratungsseite und weiteren externen Servicedienstleistern während dieser Phase notfalls zusätzliche Ressourcen verfügbar gemacht werden können, sind die Ressourcen in den meisten Unternehmen intern stark begrenzt. Die limitierte Zahl an Wissensträgern führt dazu, dass neben dem hohen individuellen Druck auf den einzelnen Leistungsträgern (und den damit einhergehenden Stresssymptomen) auch ein extremer Priorisierungsaufwand betrieben werden muss, um die begrenzten Ressourcen optimal einzusetzen und geschäftskritische Prozesse erfolgreich abzubilden. Da es sich um die Gestaltung und Übernahme interner Prozesse handelt, ist hierbei auch der Einsatz der berühmten „verlängerten Werkbank“ nur sporadisch möglich, da weder das spezifische Wissen gegeben und Ownership durch Externe weder erstrebenswert noch gewollt ist. Um Prozesse nach der erfolgreichen Transition kurzfristig weiter zu betreiben, sind interne Verantwortlichkeiten zwingend. Alternativ sind Interimsmanager eine mögliche, aber teure und mit Blick auf die benötigte Anlernzeit auch nicht ganz kurzfristige Alternative. Aus der zumeist angestrebten Wertoptimierung und den oft überschaubaren Finanzreserven des neu gegründeten Unternehmens ergibt sich zumeist, dass diese Lösung keine reale Alternative bildet.

Motivationsengpässe
Entgegen der vertraglich zumeist durch Transition Service Agreements (TSAs) geregelten Unterstützung des Mutterkonzerns sollte man im Laufe der Trainings- und Übergabephase mit sinkendem oder gar einbrechenden Unterstützungswillen durch die bisherigen Kolleg:innen aus dem Mutterkonzern rechnen. Zwar ist die Unterstützung vertraglich zugesichert, jedoch sehen sich die beteiligten Mitarbeitenden des Mutterkonzerns einer Doppelbelastung aus weiterlaufendem Tagesgeschäft und parallel stattfindendem Training der Mitarbeitenden aus der neuen Gesellschaft ausgesetzt. Der (auch angestrebte) kulturelle Wandel des neuen Unternehmens führt zudem auch schnell zu einer psychologischen Abspaltung. Konsequenterweise werden, auch getrieben durch das Management und sinkende Leistungszahlen durch die beschriebenen Personalengpässe, durch den abnehmenden Unterstützungswissen des Altkonzerns zunehmend auch Tätigkeiten aus dem Tagesgeschäft bereits während des Neuaufbaus an das neue Unternehmen weitergegeben. Die Belastung neuer, noch nicht eingearbeiteter Kolleg:innen durch das Training und parallel eingelastete Tagesgeschäftsaufgaben gilt es genau im Auge zu behalten, um aufkommenden Frust junger Kolleg:innen nicht in einer Kündigungswelle münden zu lassen.

Verspätetes Recruiting
In den meisten Unternehmenstrennungen finden sich diverse Funktionsbereiche, die von allen Abteilungen angesprochen werden und die es folglich im neu gegründeten Unternehmen nachzubilden gilt. Hier kommt dem Recruiting eine besondere Schlüsselrolle zu. Ohne ausreichend qualifizierte und motivierte Mitarbeitende wird beim Neuaufbau eines Unternehmens noch zusätzlich Arbeit auf die wenigen bestehenden Mitarbeitenden umgeschichtet, was die generelle Überlastung über den maximalen Belastungspunkt hebt. Dies kann Kündigungen der Key Player, Frust oder auch Verschieben von Deadlines und somit ungeliebte Verlängerungen des Carve-outs bedeuten. Hierbei sollte man sich auch bewusst werden, dass, getrieben von sozialen und kulturellen Hintergründen, eine Zusage zum Antreten des Arbeitsplatzes mit Vertragsabschluss alles andere als sicher ist. Erfahrungen zeigen in manchen Regionen mehr als 50 Prozent verspätet startende oder gar abspringende Bewerber zwischen Vertragsabschluss und Startdatum.
Auch das Ausbildungsniveau sollte man ernst nehmen. Während bei fehlenden Mitarbeitenden zwar offene Aufgaben umverteilt werden müssen, binden neue Mitarbeitende mit mangelnden Grundfähigkeiten zusätzliche Ausbildungsressourcen. Mithilfe externer Trainings lassen sich hier einige Lücken schließen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich dadurch die eigentlichen Ausbildungsinhalte und somit die Übergabe von Verantwortlichkeiten nach hinten schieben, ist groß. Und auch die unmittelbare Verfügbarkeit externer Ausbildungsressourcen ist selten gegeben

Überzogene Erwartungshaltung
Häufig werden unter dem Druck der angestrebten Wertoptimierung zum Verkauf des neuen Unternehmens die Wunschlisten, neben dem zwingenden Neuaufbau geteilter Strukturen, auch mit diverse Optimierungswünschen gefüllt. Da ein neuer Prozess durch die Bestandsgesellschaft nicht bekannt ist, kann dieser logischerweise nicht trainiert werden. Es entsteht – besonders, aber nicht nur bei neuen Kolleg:innen – dadurch ein Wissensvakuum, welches an kritischen Schnittpunkten schnell auch die Sicherstellung der Geschäftsfortführung in Frage stellen kann. Die zusätzliche Arbeitsbelastung durch die Entwicklung, Umsetzung und das Testen neuer Abläufe und Prozesse setzt zudem den bereits belasteten Mitarbeitenden zu. Unsicherheiten und eine hohe Fehleranfälligkeit in den Prozessen sind die Konsequenzen.
Etwas anders sieht diese Situation bei der vollständigen Neueinführung von Systemen, Maschinen und Anlagen aller Art aus. In der Regel wird hier das Training durch den Hersteller angeboten und strukturiert und Prozessbeschreibungen (SOPs) werden gleich mit der neuen Maschine geliefert. Neue Mitarbeitende können hierbei demnach im Prozess von externen Dienstleistern trainiert werden, was sogar zur Entlastung der Transition Teams führen kann. Dies setzt jedoch möglichst autarke Lösungen oder Maschinen ohne großen Einbindungs- und Abstimmungsbedarf voraus. Bei hochintegrativen Systemen, wie beispielsweise ERP-Systemen ist der Abstimmungsbedarf hingegen analog zu anderen Prozessen zu sehen und alle über den Grundbedarf hinausgehenden Änderungen sind folglich alles andere als empfehlenswert.

Fazit
Ein Carve-out stellt eine der grundlegendsten strukturellen Änderungen eines Unternehmens dar und beinhaltet in jeder Phase hohe Risiken. Besonders Ressourcenengpässe, verspätetes oder unqualifiziertes Recruiting und überzogene Erwartungshaltungen an Prozessoptimierungen im Ablauf stellen dabei nur drei der größten Risiken dar. Diese und auch weitere Risiken rechtzeitig zu erkennen und zu mitigieren, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Abspaltung.
Erfahrung, gute Planung, hohes Prozess-Know-how und Transparenz im Ablauf sind eine zwingende Basis, um das Projekt zum Erfolg zu führen. Nicht zuletzt sind auch Flexibilität und eine gewisse Fähigkeit zum Krisenmanagement gefordert, denn trotz aller guten Planung sollte man mit unvorhersehbaren Herausforderungen im Projekt dennoch jederzeit rechnen. Die Einbindung eines Partners mit durch Erfahrung geprägter Weit- und Voraussicht ermöglicht das Umschiffen der meisten Probleme und bietet Sicherheit im Ablauf. Um die Geschäftsfortführung sicher zu stellen, sollte auf diese Hilfe nicht verzichtet werden.