MRO entscheidet im Luftfahrtsektor über ökonomischen Erfolg oder Misserfolg

Deutliche Kosteneinsparungen und Sicherheitsgewinne durch Industrie-4.0-Lösungen möglich

Keyfacts:

  • MRO stellt den größten laufenden Kostenblock im Flugbetrieb dar und erfordert organisatorische und technische Optimierung
  • Eine schlechte Ersatzteillogistik ist im Bereich MRO der größte Zeitfresser und erfordert daher besondere Aufmerksamkeit und konzeptionelle Stärke
  • Die Einbindung von Industrie-4.0-Sensorik ermöglicht deutliche Kosteneinsparungen und Sicherheitsgewinne durch Früherkennung von technischem Versagen

Der Bereich Maintenance, Repair und Overhaul (MRO), also Wartung, Reparatur und Instandhaltung, ist der maßgebliche Zeit- und Kostentreiber im Luftfahrtsektor. Daher stellt sich in Zeiten des wachsenden Kostendrucks die Frage nach Optimierung. Ein wegweisendes Vorgehen stellt darum die konsequente Modernisierung von MRO dar. Dabei sollten insbesondere technische Lösungen aus dem Bereich Industrie 4.0 eine zentrale Rolle spielen.

Die Kosten eines Flugzeugs am Boden
Die Kosten eines Flugzeugs, das sich am Boden befindet, sind nahezu unabhängig vom Flugzeugtypus enorm. Beim Grounding der neuen Boeing 777 müssen mit ca. 33.000 Euro pro Tag und Flugzeug gerechnet werden. Aufgrund der strengen Wartungsvorschriften gibt es hier hinsichtlich des Umfangs der Maßnahmen kein Einsparpotenzial.

Angesichts solcher Zahlen verwundert es nicht, dass der Geschwindigkeit bei der Wartung und Überholungsprozesse grundsätzlich eine hohe Bedeutung zugemessen wird. Seit vielen Jahren kämpfen Fluglinien, Charterbetriebe und besonders auch die militärischen Flugbetriebe um jede Minute, wenn es darum geht, ein Flugzeug möglichst schnell durch die jeweiligen Stundenprüfungen zu bringen. Die Instandhaltungsmaßnahmen werden in A-, C- und D-Checks eingeteilt. A-Checks benötigen ungefähr sechs Stunden. Die C- und D-Checks (zumeist Sechs- und Zwölfjahres-Checks) sind jedoch aufwändiger und können mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Aufgrund der hohen Umfänge handelt es sich dabei um millionenschwere Wartungsprojekte. Allein aufgrund ihrer Dimension rechnen sich Optimierungen nahezu unmittelbar.

Lean Management eignet sich perfekt zur Optimierung der Abläufe
Eine Managementform, die ein passgenaues Konzept liefert, wenn es um die Verkürzung von Durchlaufzeiten geht, ist das Lean Management. Beim Lean Management stehen die Reduktion und das Verhindern von Verschwendung im Fokus. Dadurch wird der Anteil der wertschöpfenden Arbeit relativ gesehen größer. Es handelt sich also um einen organisationsgetriebenen Optimierungsansatz, der sich insbesondere bei personalintensiven und hochstandardisierten Prozessen, wie beispielsweise MRO, anbietet.
Um den Fluss effektiv abbilden zu können, werden dafür unterschiedliche Arbeitsgruppen gebildet und Task Cards analog zu den Takten geplant. Diese „fließen“ dann gemäß ihrer Taktung durch das Flugzeug. Je besser die Planung die benötigten Zeitbausteine abbildet, desto optimaler lässt sich der organisatorische Ablauf planen und auch verkürzen.
Diese Zeitersparnis lässt sich unmittelbar als Kosteneinsparung messen. Mithilfe getakteter und in den Fluss gebrachter Prozesse und entsprechend gruppierter Task Cards lassen sich neben der organisatorischen Optimierung der Abläufe auch die Fehlerquoten durch kontinuierliche Fokussierung auf spezifische Tätigkeiten innerhalb der jeweiligen Arbeitspakete deutlich reduzieren.

Die Planung von Wahrscheinlichkeiten im Reparaturprozess
Neben der Optimierung dieser regulären Checks besteht die eigentliche Herausforderung im Planungsprozess an den Stellen, an denen unerwartete Reparaturen notwendig werden. Besonders häufig treten solche beispielsweise im Linienfluggeschäft bei Korrosion unterhalb der Küchenzeilen auf. Aber auch die Fahrwerke sind anfällig für abrupt auftauchende Materialermüdung.
Bei diesen und allen weiteren, unerwarteten Reparaturen stellt die Verfügbarkeit von Ersatzteilen die Wartungsteams vor große Probleme. Es erklärt sich von selbst, dass die Herausforderungen und Beschädigungsmöglichkeiten im militärischen Einsatz noch deutlich höher sind.
Anstatt bei Reparaturen wie diesen von unvorhersehbaren Ereignissen auszugehen, besteht ein Lösungsansatz darin, von „wahrscheinlichen, aber unbestätigten“ Reparaturblöcken auszugehen und diese einzuplanen. Das macht nicht nur aus unerwarteten Reparaturen erwartete. Vielmehr hat dies einen direkten Einfluss auf die Planung und Bereitstellung von Ersatzteilen, Werkzeugen und benötigten Ressourcen.
Auch der Bereich Forschung und Entwicklung hat das Problem der nicht planbaren Reparaturen sowie deren Ursachen inzwischen erkannt und sucht nach Lösungen. In neueren Baureihen setzen sich beispielsweise bereits neue Materialien durch, die Korrosionsrisiken reduzieren. Mithilfe von Umrüstungen während der langwierigen D-Checks können auch Bestandsflugzeuge durch Modernisierungsmaßnahmen vom technischen Fortschritt profitieren.

Die Ersatzteilversorgung und Open Repair Loops als Schlüssel für kurze Bodenzeiten
Ein „Closed Repair Loop“ sieht das Ausbauen, Reparieren und Einbauen von reparaturbedürftigen Bestandteilen vor. Im Gegensatz dazu versteht man unter „Open Repair Loop“ den Prozess, bei dem man ein identisches Ersatzteil wie zum Beispiel eine Turbine bereits vorhält und gegen das alte oder defekte Gerät austauscht. Der MRO-Prozess wird dadurch weniger zeitkritisch, weil dieser beispielsweise die Überholung der am Boden verbleibenden Turbine beinhalten würde.
Das Öffnen von Repair Loops, soweit möglich, offenbart damit einen weiteren Lösungsansatz, um Reparaturen unabhängig vom Schadensmaß und Reparaturumfang planbar zu gestalten. Dieser Ansatz ist jedoch durch die Anzahl der vorzuhaltenden Austauschteile kapitalintensiv und lässt sich nicht auf wesentliche Strukturteile anwenden. Modulare Bauweisen verfolgen das gleiche Konzept.
Durch ein Open-Loop-Konzept wird die Ersatzteilhaltung zum Kernelement der erfolgreichen Wartung. Ein dezentrales Ersatzteilmanagement sowie tiefgreifende Analysen der Lebensdauern und Ausfallwahrscheinlichkeiten auf Teileebene werden damit – besonders in Zeiten gestörter Lieferketten – zum Erfolgstreiber der schnellen Überholung.

Industrie-4.0-Tools sollten verstärkt Eingang in die frühzeitige Fehlererkennung bei Flugzeugen finden
Ein weiterer Sprung zur Planbarkeit ergibt sich aus smarten Bauteilen. Diese sind seit Langem aus klassischen Fertigungslandschaften nicht mehr wegzudenken. Auch in zahlreichen neueren Flugzeugmodellen ist Industrie-4.0-Sensorik bereits standardmäßig verbaut. Diese wird beispielsweise systemseitig in Flugzeugen seit Jahrzehnten genutzt, um Fehler auszulesen und zu dokumentieren. Auf diese Weise können schon auf dem Weg zwischen Gate und Hangar sowie sogar während der Line Checks die ersten Fehlerquellen analysiert werden. Allerdings betrifft dies bisher nur ausgewählte Systeme.
Durch die wachsende Sensorimplementierung können auch Strukturteile und weitere belastete Teile kontinuierlich überwacht werden. Im Idealfall können diese Bestandteile dann schon vor dem Versagen ausgetauscht werden. Durch die frühzeitige Ankündigung lässt sich zudem die Supply Chain entzerren und das benötigte Ersatzteil wartet bereits bei der Landung vor dem Hangar auf das Flugzeug.
Der Einsatz von Data & Analytics beziehungsweise Predictive-Maintenance-Modellen kann zur drastischen Reduzierung von Reparatur- und Wartungszeiträumen führen. Die Voraussetzung für den Einsatz von Lösungen auf Industrie-4.0-Basis ist entsprechend eine Datenhaltung sowie die Fähigkeiten und Tools zur Datenauswertung.

Fazit: Vier Bausteine einer erfolgreichen MRO im Flugbetrieb
Durch die gestiegene Anforderung, Kosten im Luftfahrtsektor zu reduzieren, gerät auch der MRO-Bereich als kostenintensiver Bestandteil des Lebenszyklus eines Flugzeugs unter Druck. Mit den hier dargestellten Lösungsansätzen lassen sich vier Bausteine ausmachen, die eine erfolgreiche MRO im Flugbetrieb ausmachen:

  • Erstens: Die Planung nicht planbarer Ereignisse
  • Zweitens: Die effiziente Personalplanung (Lean-Management-Ansatz: Flow & optimized Task Cards)
  • Drittens: Eine herausragende Ersatzteilversorgung
  • Viertens: Der Einsatz von Industrie-4.0-Sensorik sowie Data & Analytics

Neben Management-Methoden wie Lean Management und einer dezentralen Ersatzteilversorgung sollten insbesondere die Standards der Industrie 4.0 als Trend verstärkt den Weg in die Flugzeuge finden, um die Bodenzeiten weiter zu verringern und damit dem wachsenden Kostendruck entgegenzustehen.