Sourcing: Digitalisierung verändert Zusammenarbeit mit Dienstleistern

Beim Einkauf von IT-Dienstleistungen auf das passende Shoring-Modell achten

Finanzinstitute überdenken ihre Sourcing-Strukturen, denn die Digitalisierung verändert das Geschäftsmodell der Branche. Ein wesentliches Element der Sourcing-Strategie ist dabei die Frage nach dem passenden Shoring-Modell.

Wir haben mit Bernd Schumacher gesprochen, Partner bei KPMG Financial Services und Sourcing Experte, und ihn zum Trend beim Sourcing von Finanzinstituten befragt.

Warum ist das Thema Sourcing in der Finanzindustrie aktuell so präsent?

Die Digitalisierung wirkt sich massiv auf das Geschäftsfeld der Finanzinstitute aus. Die Rahmenbedingungen ändern sich, neue Anbieter wie FinTechs drängen auf den Markt der Banken und Versicherungen. Etablierte Unternehmen sind darauf angewiesen Partnerschaften mit diesen „Disruptoren“ einzugehen, wenn sie von den digitalen Entwicklungen profitieren und im Markt bestehen wollen. Und hier kommt die Notwendigkeit der passenden Sourcing-Strategie sowie des Shoring-Modells ins Spiel.

Welche Shoring-Modelle sind denn in der Praxis im Einsatz?

Grundsätzlich gibt es drei Ausprägungen: Offshore, Nearshore und Onshore – also ob der Dienstleister weit entfernt, innerhalb der EU oder im eigenen Land sitzt. Beim Offshoring werden Aktivitäten oder Prozesse weit weg verlagert, um möglichst stark vom Lohngefälle zu Niedriglohnländern zu profitieren. Beim Nearshoring möchte man ebenfalls von niedrigeren Löhnen profitieren, jedoch wird hier auf Standorte im benachbarten Ausland bzw. innerhalb der EU gesetzt. Von Vorteil ist dabei, dass die Dienstleister den europäischen Anforderungen unterliegen, beispielweise beim Datenschutz, die meist strenger ausfallen als an Offshore-Standorten. Beim Onshoring befindet sich der Standort des Dienstleisters für die Leistungserbringung sogar im eigenen Land, beispielsweise in Gebieten Deutschlands, in denen im Vergleich ebenfalls niedrigere Löhne bezahlt werden.

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf bestehende Shoring-Modelle?

Die Digitalisierung ist schnelllebig. Sie bringt stetig neue Lösungen hervor, die durch die IT unterstützt beziehungsweise umgesetzt werden müssen. Es wird also eine hohe Agilität der IT erwartet, um in den Geschäftsprozessen „digital-ready“ zu sein. Auch nimmt die Geschwindigkeit und Fluktuation immens zu, mit der den Kunden neue digitale Services angeboten werden. Die Integration und Anbindung dieser Services in die eigene IT muss also flexibel und in kurzer Zeit möglich sein.

Cloud-Monitor 2021: Financial Services

Unsere Studie zu Entwicklungen bei der Cloud-Nutzung in der Finanzbranche, u.a. mit diesen Themen: Wie groß ist die Akzeptanz der Cloud bei Finanzdienstleistern schon? Auf welche Wolke setzen sie (Public- oder Private-Cloud)? Warum werden spezialisierte Digital- oder Cloud-Teams benötigt?

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Typischerweise kann man sagen, dass für diese Agilität eine Nähe zum Dienstleister erforderlich ist. Für schnelle Entwicklungszyklen braucht es einen stetigen und flexiblen Austausch zwischen allen Beteiligten – sowohl auf Finanzinstituts- als auch Dienstleisterseite. Gegebenenfalls vorhandene Zeitverschiebungen oder kulturelle Unterschiede im Falle eines Offshorings können die Zusammenarbeit erschweren und die Flexibilität beeinträchtigen.

Ein wichtiger Punkt ist hierbei auch, dass die Interaktion der Lieferseite, des Dienstleisters, nicht wie in der Vergangenheit nur mit der IT des Finanzinstituts stattfindet, sondern dass ein direkter Austausch mit den Fachbereichen und dem Business notwendig wird. Nur so können im Rahmen von agilen Vorgehensmodellen Erfolge erzielt und mit der Schnelllebigkeit der Digitalisierung Schritt gehalten werden. Unabhängig vom jeweiligen Shoring-Modell wird es durch die Digitalisierung unerlässlich, dass sich Zusammenarbeitsmodelle mit dem Dienstleister etablieren, die den ständigen und agilen Austausch direkt mit dem Business ermöglichen.

Ist das in der Praxis so umsetzbar?

Ich denke schon. Bereits heute ist zu beobachten, dass Business und IT zunehmend zusammenrücken und gemeinsam Lösungen und neue digitale Prozesse erarbeiten. Ob ein Shoring-Modell im Hintergrund aktiv ist und beispielweise große Teile der Entwicklung an einem anderen Standort stattfinden, ist dabei nicht von Bedeutung. Die virtuelle Zusammenarbeit macht es möglich. Wichtig ist dabei nur, dass passende Rahmenbedingungen etabliert werden, beispielweise ein zentraler Teamserver bzw. Entwicklungsplattform für alle Projektbeteiligten. Oder eine Infrastruktur zum virtuellen Zusammenarbeiten mit zum Beispiel Videokonferenzen. Wenn dann noch der Austausch mit dem Business durch das Team vor Ort sichergestellt ist, steht einem Praxiserfolg nichts mehr im Wege.

Es ist also wichtig, dass Finanzinstitute ihre Auslagerungen und die damit verbundenen Shoring-Modelle an den Entwicklungen der Digitalisierung und der dafür notwendigen Agilität ausrichten. Nur so kann den stetig steigenden Anforderungen begegnet werden – und ein Finanzinstitut mit innovativen, digitalen Lösungen neue Kunden gewinnen.

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Warum sollten Unternehmen das Thema Innovation aktiv steuern? Reicht es nicht, sich organisch weiterzuentwickeln oder Erneuerung gar dem Zufall zu überlassen? Heute, wo Unternehmen sich immer schneller digital transformieren müssen, lautet die Antwort ganz klar: Nein.

Der Sog neuer Technologien, Trends und Kundenbedürfnisse ist so stark, dass sich ihm keine Branche entziehen kann. Was heute noch Erfolg verspricht, ist morgen schon Geschichte. Die fortschreitende Digitalisierung führt zu einem fundamentalen Wandel in der Finanzbranche und stellt ganze Geschäftsmodelle infrage. Und auch das Kundenverhalten hat sich deutlich verändert. Die Art, wie Leistungen von Banken und Versicherungen wahrgenommen und bewertet werden, befindet sich im Umbruch.

Um ihren Erfolg zu sichern, müssen sich Finanzdienstleister deshalb in immer kürzeren Zeiträumen kontinuierlich neu erfinden. Einen so wichtigen Vorgang kann man nicht dem Zufall überlassen. Man sollte ihn vielmehr bewusst steuern.

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