Frau am Steuer

Unversehrtheit versus finanzielle Grenzen: Autokäufer in der Coronakrise

Autokäufe werden stärker hinterfragt, Hersteller sollten Vertragsangebote flexibilisieren.

Das Automobil bietet gegenüber der U- oder S-Bahn einen Vorteil, der in der Coronakrise erheblich an Bedeutung gewonnen hat: Es hält den Nutzer auf seinem Weg von A nach B von den Viren Dritter ab. Damit ist das Auto nicht bloß ein Transportmittel wie jedes andere, sondern wird auch als Schutzraum betrachtet, der die persönliche Unversehrtheit sicherstellt.

Diese Sichtweise aufs Auto zeigt sich in der Abkehr vom öffentlichen Personen(nah)verkehr während der Krise. In unserem aktuellen Global Automotive Executive Survey gehen wir davon aus, dass dieser Trend weiter anhalten wird. In China hat sich zudem gezeigt, dass nach dem Ende der Lockdown-Phase sich die Nachfrage nach Automobilen zügig erholt hat, getrieben u. a. durch die Angst vor Ansteckung.

Unsicherheit bremst den Konsum

Dem Wunsch nach individueller Mobilität im eigenen Auto stehen allerdings zwei entscheidende Punkte gegenüber. Zum einen wird der Nutzen eines eigenen Fahrzeugs mittelfristig begrenzt durch die Infrastruktur: Wenn der Autoverkehr zunimmt, kommt es vermehrt zu Staus und der verfügbare Parkraum nimmt ab.

Wichtiger aber noch: Bei vielen Kunden ist in der jetzigen Krise das Kostenbewusstsein gestiegen. In Zeiten von Unsicherheit, auch hinsichtlich der eigenen finanziellen Situation aufgrund von Kurzarbeit und Rezessionssorgen, sinkt die Bereitschaft zum Konsum und damit auch zum Autokauf.

Dies spiegelt sich in der Prognose des auf den Automobilsektor spezialisierten Marktforschungsunter­nehmens LMC Automotive wider: Demnach dürften im Zeitraum 2020 bis 2022 weltweit 37 Millionen Kfz weniger verkauft werden als noch vor der Corona-Krise vorausgesagt. Allein für 2020 geht LMC von einem globalen Rückgang von 90 Millionen Kfz auf 71 Millionen aus. Hier wirkt sich zum Teil der pandemiebedingte Produktionsstopp im Lockdown aus, aber auch eine sinkende Nachfrage.

Mobilitätsdienste als Chance nutzen

Schon vor der Pandemie schlug in Städten das Pendel in Richtung Nutzung und Erlebnis, weg vom traditionellen Fahrzeugbesitz. Covid-19 verstärkt diesen Trend. Zugleich eröffnen die Sorge um die Gesundheit und die Abkehr vom Massentransport in öffentlichen Verkehrsmitteln neue Geschäftschancen für die Automobilhersteller (OEMs).

Deren derzeitiges Angebotsportfolio ist dafür allerdings auf den Prüfstand zu stellen. Die OEMs sollten neue Vertragsangebote entwickeln, beispielsweise innovative Abonnementsmodelle, die flexibler und kostengünstiger sind als starre Leasing-Konzepte. In unserem diesjährigen Global Automotive Executive Survey sehen 74 Prozent der befragten Executives Abonnementsmodelle als die Zukunft von Mobility on Demand; 79 Prozent glauben, dass Abonnementsmodelle Leasingmodelle ersetzen werden.

Flexibel meint dabei Vertragsbedingungen ohne langfristige Verpflichtungen oder Bindung, aber auch die Wahl eines Fahrzeugtyps je nach spezifischer Situation – etwa ein Kombi für den Familienurlaub oder ein Cabrio für den Wochenendausflug.

Kundennähe als Pluspunkt

Die Nachfrage nach solchen Angeboten wird erheblich zunehmen, nicht zuletzt aufgrund geänderter Bedürfnisse in der neuen Normalität der (Post-)Corona-Zeit: Unserer Studie zufolge könnten sich 64 Prozent der Konsumenten vorstellen, in Zukunft eine Mobilitätsplattform zu nutzen, die verschiedene Services bündelt. Mobility on Demand birgt somit ein enormes Potenzial, das die Hersteller jetzt heben sollten.

Die Kundenbefragung im Rahmen unseres Global Automotive Executive Survey hat zudem gezeigt: 43 Prozent der befragten Konsumenten sehen die OEMs als diejenigen an, die auch in Zukunft am nächsten am Kunden sein werden.

Den Online-Vertrieb stärken

Zugleich erwarten 61 Prozent der befragten Executives, dass die Zahl der Autohäuser in den kommenden fünf Jahren um 20 bis 30 Prozent sinken wird. Daher sollten die Hersteller sich noch intensiver als bislang um ihre Kundenbeziehungen kümmern. Das bedeutet, in der Krise ihre Vertriebsteams nicht zu reduzieren, sondern vielmehr die Vertriebsaktivitäten mit intensivierter Kundenpflege zu erhöhen. Dabei geht es für die OEMs insbesondere darum, die digitalen Vertriebskanäle auszubauen.

Entscheidend ist, die Mobilitätsbedürfnisse und die dahinter liegenden Motive der Kunden zu verstehen und bestmöglich zu bedienen. Dies schafft ein exzellentes Management, das die Kundenkontaktpunkte entlang der Customer Journey identifiziert. Auf dieser Basis lassen sich dann auch unterschiedliche Mobilitätsangebote entwickeln, die zu den verschiedenen Bedürfnissen und den unterschiedlichen Bedingungen der verschiedenen lokalen Märkte passen.