Welchen Wert hat kostenlos?

Research-Anbieter müssen Preismodelle entwickeln, um MiFID II-Regelungen zu entsprechen.

Eigentlich lief alles ganz einvernehmlich: Banken, Broker und Spezialanbieter erstellten Research-Material, z.B. Finanzanalysen. Wertpapierfirmen, die unabhängige Anlageberatung oder Portfolioverwaltung erbringen, hatten dazu kostenfrei Zugang.

Soweit so gut. Doch auch, wenn die Nutzung des Materials kostenfrei war, umsonst war sie indes nicht. Der Zugang zu Research wurde einer Wertpapierfirma, einem Investmentmanager nur unter bestimmten Bedingungen eingeräumt, zum Beispiel, indem er besonders viel Geschäft mit dieser Bank gemacht hat. Also: Ein Assetmanager soll im Auftrag eines Kunden eine bestimmte Aktie oder ein Wertpapier für dessen Portfolio kaufen. Dafür wendet er sich sehr häufig an eine Bank. Die Banken räumen den Assetmanagern als Gegenleistung für möglichst viele Aufträge bei ihrem Institut den kostenlosen Zugang zu Research ein. Und wenn die Bank, zu deren Research der Assetmanager Zugang haben möchte, weil sie vielleicht für seine Zwecke das bessere Material zur Verfügung gestellt hat, einen höheren Preis für die Aktie verlangt, als andere Banken, deren Research aber nicht so gut ist, dann ist der Assetmanager vielleicht geneigt, dem Kunden das teurere Produkt zu verkaufen. Kundeninteresse und Bankinteresse prallen also hier aufeinander.

Research-Ersteller müssen Material jetzt kostenpflichtig anbieten

Die europäischen Regulierungsbehörden wollten diesen Interessenkonflikt im Wertpapiergeschäft zwischen Kunde, Bank und Research-Hersteller, der über diese versteckte Incentivierung versucht, Geschäftsabschlüsse herbeizuführen, im Sinne des Anlegerschutzes vermeiden. Deshalb besagen die Regelungen der Finanzmarktrichtlinie MiFID II sowie die ergänzende Verordnung MiFIR, die dieses Jahr in Kraft getreten sind, dass Nutzer für erhaltenes Research-Material ein Entgelt bezahlen müssen. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Ersteller es kostenpflichtig anbieten müssen.

Da standen die Research-Anbieter natürlich vor der Frage: Wie viel ist etwas wert, was mal kostenlos war? Mit was für einem Preisschild versieht man eine Dienstleistung, die früher umsonst war? Bei den Preismodellen, die sich inzwischen am Markt etabliert haben, und die wir uns für das Whitepaper „Ist es das wert?“ angeschaut haben, sieht man, dass die meisten Anbieter sich mit der Antwort auf diese Frage recht schwer getan haben. Sie hatten nicht wirklich eine Idee, zu welchem Preis sie dieses Produkt sinnvollerweise anbieten sollten – in einem Markt, in dem die Zahlungsbereitschaft für solches Material bisher eigentlich bei Null gelegen hat.

Konsolidierung im Markt wird erwartet

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Preise, die die Anbieter eilends entwickeln mussten, anfangs einen relativ wahllosen Eindruck machten. Es gab Anbieter, die wollten ihr gesamtes Research für über 100.000 Euro zugänglich machen, nur 3 Monate später sollte dasselbe Paket 40.000 Euro kosten.  Final angeboten wurde es am Ende für 10.000 Euro. Dieses Beispiel gibt glaube ich einen ganz guten Eindruck davon, wie hoch der Faktor unvollständige Information im Rahmen der Bepreisung anfangs war. Das gleiche gilt auch für die Preismodelle, die wir am Markt identifiziert haben. Die Gründe, warum sich Anbieter für ein Flat-fee-Modell für ganze Institute entschieden haben, andere hingegen ein nutzerbasiertes Modell gewählt haben, sind nur bedingt faktisch nachvollziehbar.

Zurzeit gilt noch eine gewisse Schonfrist, und man muss mal schauen, wohin die Preise sich jetzt entwickeln. Wir erwarten eine Konsolidierung im Markt. Die ersten Anbieter, die sich mit Preisen an den Markt gewagt haben, hatten es natürlich am schwersten. Die mussten sehr viel häufiger korrigieren, weil die anderen, die nachgezogen haben, diese Preise unterboten haben. Das führte teils auch zu überzogenen Anpassungen. Jetzt merken wir langsam, dass sich viele Anbieter durch den Herdentrieb auf einem einigermaßen ähnlichen Niveau einpendeln. Aber hier ist nach wie vor eine hohe Dynamik vorhanden und es wird sich noch einiges verändern, bevor wir ein finales Bild haben.

Spezialisierung führt zu Qualitätsverbesserung

Was die zukünftige Nutzung von Research anbetrifft, erwarte ich eine zweigeteilte Entwicklung. Das eine ist das Breitenresearch, also allgemeine Themen und allgemeine Kommentierungen – Themen, die auch in der Vergangenheit schon auf breiter Fläche den Banken zur Verfügung gestellt worden sind. Die werden sich vermutlich auf einer relativ einheitliche Ebene einpendeln. Daneben wird es aber einen Spezialmarkt geben, für Themen, die eben nicht von jedem bedient werden können. Das sind klassischerweise besondere Branchen, z.B. Medizin- oder Luftfahrtthemen, Einzeltitel und andere Spezialwerte. Dafür wird in der Preisgestaltung eine entsprechende Prämie berücksichtigt werden.

Ein positiver Faktor dieser Konsolidierung und Spezialisierung wird zudem eine Qualitätsverbesserung sein. Denn was man bei den Überlegungen zum vermeintlichen oder auch tatsächlichen Wert des Research-Materials ja nicht vergessen darf, sind die Empfänger, die Abnehmer. Die werden sich aufgrund dessen, das es jetzt kostenpflichtig ist, für wenige Anbieter entscheiden. Wenn die Ersteller von Research dann feststellen, dass bestimmtes Material bei ihnen nicht mehr abgenommen wird, weil es nicht gut ist, werden sie sich auf das konzentrieren, was sie gut können und den anderen Teil einstellen. Es gab schon mal eine ähnliche Entwicklung in UK. Hier hat sich am Ende herauskristallisiert, dass sich die meisten Anbieter gezielt in bestimmten Themen platziert und konzentriert haben. Hierdurch ist es zu einer gewissen Marktbereinigung gekommen.

Grundsätzlich erfüllt die Vorgabe von MiFID II, Research kostenpflichtig zu machen, ihren Zweck. Die Allokation von Aufträgen ist losgelöst von Anreizen bestimmter Research-Anbieter. Dadurch werden Interessenkonflikte reduziert und der Anlegerschutz gestärkt. Wie die Frage „Ist es das wert?“ beantwortet wird und wie sich dementsprechend die Preise entwickeln und was für Auswirkungen das auf den Markt hat – all das wird man erst in ein oder zwei Jahren beantworten können. Und dann werden wir auch noch einmal ganz genau hinschauen.

Das Whitepaper „Ist es das wert? Research-Preismodelle unter MiFID II“ können  Sie hier herunterladen.