Agilität in Regulatorik-Projekten – Funktioniert das?

Wie agile Arbeitsmethoden helfen können, regulatorische Herausforderungen zu meistern

Keyfacts:

  • Agile Arbeitsmethoden finden immer häufiger auch außerhalb von IT-Projekten Anwendung.
  • Agilität bietet Flexibilität und Schnelligkeit – so können Verantwortliche auf sich verändernde Prioritäten reagieren.
  • Einzelne Aspekte aus agilen Methoden können schrittweise bei regulatorischen Vorhaben eingebunden werden und für deutlich bessere Ergebnisse sorgen.

Einen Spaziergang hat wohl jede:r schon einmal unternommen. Eine Tour durchs Hochgebirge hingegen erfordert schon etwas mehr Erfahrung, Übung, Kondition und Vorbereitung. Neben einer professionellen Ausrüstung und einem Bergführer kommt es auch darauf an, dass die Seilschaft perfekt zusammenarbeitet. Ähnlich sieht es beim Thema Agilität aus.

Agile Arbeitsmethoden erfreuen sich großer Beliebtheit. Doch vielen Finanzinstituten scheint es noch zu gewagt, anspruchsvolle regulatorisch motivierte Vorhaben mit klaren aufsichtsrechtlichen Anforderungen und Erwartungen mit einem agilen Vorgehensmodell zu bearbeiten. Doch auch wenn es auf den ersten Blick widersprüchlich klingen mag: Sie können bei aufsichtsrechtlichen Vorhaben von agilen Ansätzen profitieren und zu besseren Erfolgen gelangen.

Scrum und Co. sind längst nicht mehr nur in den IT-Abteilungen beliebt

85 Prozent der IT-Projekte werden heute agil umgesetzt (Digital.ai „State of Agile Report 2021“). Doch der Markt zeigt, dass auch andere Unternehmensbereiche – zum Beispiel Marketing, HR oder Sales – mittlerweile agile Arbeitsmethoden wie Scrum übernehmen. New Work und die Digitalisierung treiben diese Entwicklung weiter voran.

In vielen Unternehmen ist erkannt, dass Agilität als Form der Zusammenarbeit einige Vorteile bietet: Sie beschleunigt die Aufgabenverteilung in Teams und treibt automatisierte Prozesse voran. Außerdem macht sie Arbeits- und Projektfortschritte transparenter. Mitarbeitende sind besser informiert und dadurch motivierter. Das kann die Teamproduktivität steigern und somit auch Kosten reduzieren.

Die Flexibilität und Schnelligkeit, auf sich verändernde Prioritäten zu reagieren, ist häufig das drängendste Ziel, das Unternehmensbereiche mit agilen Arbeitsmethoden erreichen möchten, und bringt den größten Nutzen. Das iterative Vorgehen, das umgehende Einholen von Feedback und damit auch das verringerte Risiko von Fehlentwicklungen, ermöglichen im Vergleich zur klassischen Wasserfall-Methode schnellere, flexiblere – eben agile – Projekte.

Kann Agilität auch im regulatorischen Umfeld eingesetzt werden?

Deshalb eignen sich agile Methoden gerade für den Einsatz bei den zahlreichen Regulierungsprojekten, die Banken und andere Finanzinstitute stemmen müssen. Denn die Unternehmen bewegen sich in einem streng regulierten Umfeld, das durch aufsichtsrechtliche Anforderungen und regelmäßige Überprüfungen geprägt ist. Die Umsetzung regulatorischer Anforderungen ist oft teurer und komplexer als sie zur Erfüllung der Mindestanforderungen sein müsste. Und es mangelt den Instituten häufig an Flexibilität und Schnelligkeit – einer der großen Pluspunkte von agilen Vorgehensweisen.

Und doch gibt es nach wie vor Bedenken bei der Anwendung agiler Vorgehensmodelle im Rahmen von Regulatorik-Projekten. Ein häufig genannter Satz lautet: „Es lässt sich kein agiles Organisationsmodell finden, das den Ansprüchen der und Kommunikationsbedarfen für die Aufsicht gerecht wird.“ Ein weiterer Punkt, der häufig genannt wird, ist die fehlende Erfahrung der Mitarbeitenden mit agilen Methoden. Dazu kommt die Befürchtung, die regulatorischen Ansprüche nicht bis zur von der Aufsicht festgesetzten Frist umsetzen zu können.

 

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Teil-Agilisierung als Startpunkt für regulatorische Projekte

Auch wenn Finanzinstitute ihre Regulatorik-Projekte noch nicht komplett auf Agilität umstellen möchten, können einzelne agile Prinzipien und Aspekte aus agilen Methoden Schritt für Schritt eingebunden werden. Bereits diese fünf Schritte können großen Mehrwert stiften:

  1. Ein Kernteam bilden: Bilden Sie ein Kernteam, das die regulatorischen Anforderungen verfolgt, deren Auswirkungen bewertet und mit den Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet beziehungsweise die Rolle der Kommunikation übernimmt.
  2. Ein einheitliches Framework festlegen: Definieren Sie ein einheitliches Framework zur Bewertung der regulatorischen Änderungen und ihren Auswirkungen, deren Wirkung auf Prozesse und Systeme und den Zeitrahmen für das jeweilige Vorhaben. Berichten Sie den Fortschritt der Zielerreichung.
  3. Das Framework als Backlog verwenden: Verwenden Sie dieses Framework, um das eigene Backlog streng zu priorisieren. Konzentrieren Sie sich auf die User Stories, die wichtig sind. Nutzen Sie agile Forecast-Optionen.
  4. Regelmäßige Updates etablieren: Bringen Sie alle Beteiligten regelmäßig zu gemeinsamen Planungs- oder Update-Sitzungen zusammen und besprechen Sie die zu erfüllenden Anforderungen. Das wird die Kommunikation und Zusammenarbeit erheblich verbessern.
  5. In iterativen Abschnitten arbeiten: Setzen Sie die Vorgaben Stück für Stück um und holen Sie frühzeitig Feedback ein, auch von den Aufsichtsbehörden. Nutzen Sie dazu nach Möglichkeit auch umfassende End-to-End Demos für eine große Gruppe von Stakeholdern, um Teilergebnisse frühzeitig zu testen.

Agilität ist nicht nur eine Arbeitsmethode – sie ist auch ein Mindset

Während der schrittweisen Implementierung von agilen Arbeitsmethoden ist es ratsam, vor allem die Relevanz des Vorhabens zu kommunizieren. Ohne die Verinnerlichung der agilen Werte wie Transparenz, Offenheit und Vertrauen bei den Mitarbeitenden ist ein (teil-) agiles Vorgehen oft zum Scheitern verurteilt. Nur wenn langfristig Verantwortung abgegeben und auf die Teams umverteilt wird, kann man mit Agilität von allen Vorteilen profitieren.

Im Idealzustand sind sich alle darüber bewusst, dass regulatorische Anforderungen nicht stabil sind. Es kann jederzeit zu Veränderungen kommen. Diese gilt es gemeinschaftlich zu priorisieren. Wo sich früher erst zum Stichtag herausstellte, dass die Umsetzung einer Anforderung gescheitert ist, zeigt die schnelle Entwicklung von Teilergebnissen bereits im Vorfeld, was machbar ist und was nicht.

So kann der Aufsicht sehr viel früher kommuniziert werden, wo es hakt. Regelmäßige Retrospektiven (so werden regelmäßige gemeinsame Auswertungen zur Zusammenarbeit im Team in agilen Projekten genannt) sowie eine zeitnahe Dokumentation machen die Erfolge sichtbar. Insgesamt kann es so deutlich besser gelingen, die regulatorischen Vorgaben einzuhalten.

Als eingespieltes Team lässt sich jedes schwierige Gelände und jedes unerwartete Unwetter überwinden. Mit der richtigen Planung, Ausrüstung und Rücksicht aufeinander lässt sich jeder Berg bezwingen. Nichts stärkt den Zusammenhalt mehr, als gemeinsam auf dem Gipfel zu stehen und sich von der Aussicht belohnen zu lassen.

 

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Stefan Dreyer, Product Owner Transition Team Scrum bei der KfW und Katrin Poschen, Senior Managerin bei KPMG, Financial Services, sprechen über Hürden und Erfolgsfaktoren für Agilität in Banken.

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