Ein ESG-Fahrplan für das Asset Management

Welche Verknüpfungen und Stationen zu bauen sind, um ESG-Anforderungen zu erfüllen

Keyfacts:

  • Um im Asset Management die zahlreichen und steigenden ESG-Anforderungen erfolgreich umzusetzen, ist ein übersichtlicher ESG-Fahrplan – in Analogie zum Liniennetzplan des ÖPNV – sehr hilfreich. 
  • Der ESG-Fahrplan ist in seinen Linien und Stationen individuell zu erstellen, seine zentralen Knotenpunkte aber sind: Risiko, Strategie, Kompetenz und Daten. 
  • ESG ist weit mehr als die Umsetzung von ESG-Regularien. Daher muss der ESG-Fahrplan auch zahlreiche weitere Themenblöcke und ihre Interdependenzen berücksichtigen. 

Wer sich mit Nachhaltigkeit im Asset Management beschäftigt, wird schnell feststellen: Eine Organisation so auszurichten, dass sie den ESG-Erwartungen aller ihrer Stakeholder gerecht wird, ist eine überaus komplexe Aufgabe. Denn es sind viele Fragen zu bearbeiten und zu beantworten, die wiederum mit einer Fülle von Herausforderungen verbunden sind. Hierzu zählen nicht nur immer wieder neue Gesetze und Verordnungen, sondern auch die Anforderung, so unterschiedliche Themen wie Klimarisiken, Vertrieb, Personal, Reputation oder Geschäftsstrategien gleichzeitig anzugehen und dabei ihre Interdependenzen zu berücksichtigen. Alle diese Fragen sind sorgfältig zu untersuchen. Denn es müssen Entscheidungen getroffen werden, die zu tiefgreifenden Veränderungen führen. 

Erschwerend kommt hinzu, dass viele ESG-Regulierungen, Branchenstandards und Auslegungen sich noch nicht etabliert haben bzw. noch in Arbeit oder in Vorbereitung sind. Bestes Beispiel hierfür ist die EU-Taxonomie-Verordnung: Sie enthält zwar Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, beschreibt jedoch nicht, wie diese Kriterien konkret umzusetzen sind. Daher führt jeder neue Regelung zunächst zu vielen weiteren Fragestellungen und zahlreichen Unsicherheiten. 

Ein Liniennetzplan 

Wie kann trotzdem ein Plan erarbeitet werden, um die ESG-Anforderungen zu erfüllen? Wie behält man die Übersicht und gelangt zu einer To-do-Liste mit Ziel und Timings? Und wie stellt man sicher, dass die richtigen Prioritäten und Schwerpunkte im Auge behalten werden?  

Hilfreich ist dabei eine Roadmap, genauer: ein Liniennetzplan. Denn genau wie beim Aufbau eines ÖPNV-Streckennetzes sind viele Bereiche einzubeziehen und Verknüpfungen herzustellen, um „ESG-Ready“ zu werden. Es gibt Anfangs- und Endpunkte, mehrere Stationen und Knotenpunkte. Und der Liniennetzplan veranschaulicht auch: Solange das Netz noch in der Bauphase oder mitten in der Weiterentwicklung steckt, gibt es Baustellen, Staus und Umleitungen.  

Infografik
Quelle: KPMG in Deutschland, 2022.

Der Kern: vier Knotenpunkte 

Der ESG-Liniennetzplan sollte die wichtigsten Regularien und Themenblöcke im Asset Management abbilden. Sie sind in ihrer Bedeutung für jeden Asset Manager individuell zu bewerten und gegebenenfalls auch zu ergänzen. Der Plan bietet aber eine gute Blaupause zum Aufbau einer organisationsspezifischen Agenda und zur Strukturierung so unterschiedlicher Themen wie Taxonomie, Reputationsmanagement oder Vertrieb. 

Im Mittelpunkt stehen dabei vier Knotenpunkte, die den Kern aller Aktivitäten darstellen:  

  • Risiko,  
  • Strategie,  
  • Kompetenz und  
  • Daten.  

Denn zuerst muss definiert werden, welche ESG-Risiken aus der Geschäftstätigkeit des Asset Managers resultieren und mit welchem Ambitionsniveau ESG-Anforderungen umgesetzt werden sollen. Ziel ist dabei die Festlegung von „roten Linien“, die die zukünftigen Grenzen der Geschäftsaktivitäten definieren. In unmittelbaren Zusammenhang steht dabei der Kompetenzaufbau: Alle Mitarbeitenden müssen verstehen, was Nachhaltigkeit ist und wie die ESG-Anforderungen in den von ihnen verantworteten Bereichen umzusetzen sind. Und von zentraler Bedeutung sind letztlich Daten. Denn ohne hochqualitative Daten sind ESG-Anforderungen – beispielsweise mit Blick auf das Portfolio, auf das Reporting und die Aufsicht – nicht zu erfüllen.  

Diese vier Punkte sind mit besonderer Sorgfalt zu planen und zu definieren. Denn sie entscheiden letztlich darüber, wie erfolgreich die Umsetzung der ESG-Agenda sein kann. Sie sind nicht nur die zentralen Eckpunkte des ESG-Engagements, sondern bilden gleichzeitig auch die Basis für den Erfolg jedes einzelnen ESG-Projekts. Und unsere Erfahrungen zeigen: Von ihnen hängt es wesentlich ab, wie auch zukünftig auf veränderte Regularien reagiert werden kann. Je sorgfältiger und umfassender diese Knotenpunkte bearbeitet werden, desto leichter lassen sich auch die anderen Linien und Stationen aufbauen und miteinander verbinden. 

Baustellen, Staus und Umleitungen 

Genau wie beim Aufbau eines ÖPNV-Streckennetzes wird es auf dem Weg zur „ESG-Readiness“ Ereignisse geben, die den Ausbau behindern oder versperren. Zu denken ist dabei beispielsweise an die Herausforderung, geeignete KPIs zu definieren und zu messen, oder Unsicherheiten darüber, die richtigen Reportinginhalte zu definieren. Diese Baustellen führen gelegentlich auch zu Staus, und vorhergesehene Ereignisse lassen Umleitungen notwendig werden. Auch ein temporärer Schienenersatzverkehr ist einzuplanen. Von zentraler Bedeutung auf dem Weg zur Endstation sind daher ein kompetentes ESG-Projektmanagement und agile Projektstrukturen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf zukünftige Regularien, die möglicherweise weitere Linien und Stationen im Streckennetz erforderlich machen.  

Umso wichtiger ist daher eine Übersicht, die die wichtigsten Themenblöcke und ihre Interdependenzen visualisiert, die Verknüpfungen und Wegmarken aufzeigt und die Knotenpunkte heraushebt. Und die auch deutlich macht, dass auf bestimmten Wegstrecken Menschen und ihr spezifisches Know-how zusteigen bzw. sie mitgenommen werden müssen.  

Endstation „ESG-Readiness“ 

Ein bloßes Abarbeiten und Umsetzen von ESG-Regularien wird nicht zum gewünschten Erfolg führen. Denn ein derartiger Ansatz vernachlässigt die Notwendigkeit, ESG auch im Bewusstsein aller in der Organisation tätigen Menschen zu verankern. Daher sollte der Liniennetzplan auch Themenblöcke wie „Engagement“, „Tone at the top“ oder „Harmonisierung“ beinhalten; Themen also, die sich mit Verhaltensprinzipien beschäftigen und klare Erwartungen an die Handelnden formulieren. Erst wenn ESG nicht nur in den Strukturen und Prozessen des Asset Managements, sondern auch im Mindset und den Überzeugungen aller Mitarbeitenden des Unternehmens zum Ausdruck kommt, wird das Unternehmen auf kommende Anforderungen gut vorbereitet sein. 

Das Ziel erreicht man nicht von heute auf morgen. Realistisch ist eher ein Zeithorizont von fünf und mehr Jahren. Je besser die einzelnen Linien und Stationen im Fahrplan beschrieben und durchdacht werden, desto leichter lassen sich daraus die detaillierten Projektpläne ableiten und die notwendigen Entscheidungen treffen – und umso schneller gelangen alle an der ESG-Transformation Beteiligten ans Ziel. 

 

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Sustainable Finance und ESG

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Sustainable Finance

Mit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals (SDGs) und des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen das wohl ehrgeizigste Projekt der Menschheitsgeschichte auf den Weg gebracht: Die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

Bei dieser Transformation kommt dem Finanzsektor eine herausragende Bedeutung zu. Denn mit seiner Hilfe lassen sich Kapitalströme in nachhaltige Investitionen lenken und Anreize für ein nachhaltigeres Handeln setzen. Außerdem wird so Nachhaltigkeit zu einem integralen Bestandteil des Risikomanagements und die Transparenz von Finanz- und Wirtschaftsaktivitäten deutlich erhöht.

Um diese Hebelwirkung des Finanzsektors für die gewünschte nachhaltige Transformation zu nutzen, hat die Europäische Kommission 2018 den EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verabschiedet. Er hat in Verbindung mit der EU-Taxonomie und einer Vielzahl weiterer Gesetze und Verordnungen – insbesondere zur ESG-Berichterstattung (Environment, Social, Governance) – dazu geführt, dass Finanzdienstleister zahlreiche Prozesse umgestalten und ihre Produktangebote neu ausrichten müssen. Dabei sind zahlreiche Entscheidungen zu treffen, die tiefgreifende Veränderungen nach sich ziehen und erhebliche Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg und das Geschäftsmodell haben.

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