ESG-Daten – wo steht der Markt

Sinnvolle Analyse und Auswahl von Nachhaltigkeitsdaten für Asset Manager

Nachhaltigkeit nimmt stetig an gesellschaftlicher Bedeutung zu. Das stellt Asset Manager und die ganze Finanzbranche vor neue Herausforderungen: Sie müssen Nachhaltigkeitsaspekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette integrieren, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein aktuelles Kernthema, das dabei im Fokus steht und pragmatische Lösungen braucht, ist: ESG-Daten (Environmental Social Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).

Aktienkurse, Kundeninformationen, Unternehmensdaten – Asset Manager und die ganze Finanzbranche sind mit einer zunehmenden Datenmenge in allen Bereichen konfrontiert. Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft prognostiziert: Die weltweite Datenmenge wird von 33 Zettabyte im Jahr 2018 auf rund 175 Zettabyte im Jahr 2025 steigen – ein Anstieg von jährlich 27 Prozent. Um eine Vorstellung dieser Zahlen zu bekommen: Ein Zettabyte entspricht der Speicherkapazität von rund zwei Billionen Kinofilmen. Diese Entwicklung trifft besonders Asset Manager, denn sie werden von dieser Datenflut überschwemmt und erhalten stetig neue Information. Neben Kursen, Finanzdaten, Unternehmensgesprächen und weiterem Research kommen nahezu sekündlich tausende von Nachrichten über unterschiedliche Kanäle bei den Asset Managern an. Diese müssen daher entscheiden, welche Informationen relevant und welche irrelevant sind.
Aktuell wird die zu verarbeitende Datenmenge für Asset Manager durch einen weiteren Megatrend stark befeuert: die Nachhaltigkeit. Auf europäischer Ebene soll der EU-Aktionsplan mit Anforderungen wie der Offenlegungsverordnung (SFDR) oder der Taxonomieverordnung (TaxVO) Geldströme in nachhaltigere Investments lenken. Hier müssen Asset Manager identifizieren können, welches Unternehmen in welchem Umfang nachhaltig ist und welches nicht. Viele Datenanbieter haben diesen Bedarf erkannt und liefern verschiedene Kennzahlen mit Nachhaltigkeitsbezug. Für die Anbieter ist dies ein lohnendes Geschäftsmodell: So werden laut Opimas Estimates die jährlichen Ausgaben für ESG-Daten von rund 300 Millionen Dollar im Jahr 2016 auf wohl über 900 Millionen Dollar im Jahr 2021 steigen.

Wir wollen aufzeigen, wie Asset Manager den für sie bestmöglichen Datenhaushalt identifizieren und aufbauen können, sodass Nachhaltigkeitsdaten nicht nur Kostenfaktor, sondern auch Ertragsquelle sein können, denn eines steht fest: Um Reputations-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsrisiken in den Portfolien managen zu können, sind diese Daten und der Mehrwert, den sie stiften können, unabdingbar.

Definition des Use Cases ist entscheidend

Im ersten Schritt sollten Asset Manager sich die Frage stellen, welche Daten im Detail in welcher Form benötigt werden. Durch die Beantwortung der folgenden Fragen wird ein erster grober Use Case beschrieben werden: Werden Rohdaten oder bereits konsolidierte Daten benötigt? Sollen regulatorische Anforderungen (beispielsweise TaxVO oder SFDR) oder auch strategische Anforderungen der Asset Manager (beispielsweise CO²-Footprint oder SDG- Mapping; SDG – Sustainable Development Goal) bedient werden?

In einem zweiten Schritt sollte überlegt werden, wie viele Datenpunkte benötigt werden. Hierzu zählt neben dem abzudeckenden Anlageuniversum auch die Aktualisierungshäufigkeit. Der Fokus sollte beim Dateneinkauf auf den für den Asset Manager relevanten Daten liegen und mit dem abzubildenden Universum übereinstimmen.

Die letzte, aber äußerst zentrale Frage ist, für welchen Zweck die Daten eingekauft werden sollen. Werden die Daten für Research-Zwecke benötigt oder werden damit Risikomessungen oder Portfolio-Allokationen bzw. -Reportings durchgeführt? Diese Fragen zu beantworten ist besonders relevant, da einige Datenanbieter unterschiedliche Preise in Abhängigkeit davon anbieten, in welchem Zusammenhang die Daten genutzt werden sollen.

Diese drei genannten Schritte definieren den Use Case und sind ein maßgeblicher Treiber der Lizenzkosten. In einer umfangreichen Analyse der Datenanbieter kann man drei unterschiedliche Anbietermodelle identifizieren

  • Abo-Modell
  • Bezahlung nach Datenfeldern
  • Bezahlung nach Datensets

Im Abo-Modell erhalten Asset Manager im Rahmen des Abonnements Zugang zu einer Plattform. Häufig wird ein solches Modell von Spezialanbietern angeboten, die wenige Produkte aus einer Nische anbieten. Diese eignen sich häufig als Ergänzung des bestehenden Datenportfolios. Bei der Bezahlung nach Datenfeldern muss jedes einzelne zusätzliche Datenfeld bezahlt werden. Dieses Modell eignet sich nicht für Asset Manager mit großen Anlageuniversen, sondern eher für kleine Asset Manager, die sich auf eine Asset-Klasse, Marktkapitalisierung oder Region spezialisiert haben. Bei der Bezahlung nach Datensets können Daten aggregiert erworben werden. So können Asset Manager bei diesen Anbietern beispielsweise ein Klimadatenset kaufen und erhalten für das gesamte abgedeckte Universum des Datenanbieters Informationen zu diesem Themenfeld.

Vier zentrale Unterschiede zwischen den Anbietern

Neben den oben genannten unterschiedlichen Lizenzmodellen sind vier weitere maßgebliche Unterschiede erkennbar.
So nutzen die Datenanbieter beispielsweise unterschiedliche Inputfaktoren für ähnliche Produkte. Die meisten Datenanbieter fokussieren sich bei der Erstellung von ESG-Scores auf Unternehmensberichte und andere Veröffentlichungen von Unternehmen, wohingegen andere Anbieter teilweise ausschließlich Nachrichtenartikel als Inputfaktor nutzen – hierin besteht ein zentraler Unterschied in der Innen- und Außensicht auf ein Unternehmen.

Ein weiterer Unterschied liegt in der Methodik der Datenanbieter. So wird von einigen Anbietern ausschließlich künstliche Intelligenz genutzt, während andere große Analystenteams beschäftigen, die in regelmäßigem Austausch mit den Unternehmen stehen. Hier erfolgt häufig eine zusätzliche, qualitative Einordnung durch Analysten, dafür sind diese Datenpunkte schneller veraltet.

Außerdem unterscheiden sich die Datenanbieter hinsichtlich der Datenabdeckung. Die Datenabdeckung unterscheidet sich unter anderem bezüglich Marktkapitalisierung, Unternehmensanzahl sowie in der Datentiefe. Einige Datenbieter bieten beispielsweise lediglich bis Scope-2 Daten an, wohingegen andere Anbieter auch Scope-3 Daten liefern können.
Relevant ist außerdem der Unterschied in der Produktlandschaft. Während einige Datenanbieter als Vollsortimenter bezeichnet werden können und viele unterschiedliche Datenprodukte anbieten, fokussieren sich andere Spezialanbieter auf wenige Produkte. Ebenso haben diese Anbieter häufig einen anderen Ansatz in der Methodik und können eine attraktive Ergänzung des Datenportfolios darstellen.
Anhand dieser Unterschiede lässt sich eine Matrix aufspannen, in der die einzelnen Punkte noch granularer unterschieden werden. Diese Matrix soll die einzelnen Asset Manager dabei unterstützen, den oder die perfekten Datenanbieter für den individuellen Use Case zu finden.

Datenhaushalt und Golden Source aufbauen

Die erstellte Anbietermatrix kann mit individuellen Anforderungen abgeglichen und daraus das bestmögliche Datenanbieterportfolio identifiziert werden.
Die extern zugekauften Nachhaltigkeitsdaten sollten mit internen, bereits vorhandenen Daten und eigenem Research angereichert werden und so eine eigene und möglichst unabhängige ESG-Datenbasis und damit auch Meinung zu den einzelnen Investments bilden. Ergänzt um traditionelle Daten der Anbieter, empfiehlt sich die Umsetzung einer sogenannten Golden Source, die all diese Informationen in einer Quelle bündelt. Aus dieser Golden Source heraus können unterschiedliche Stakeholder beliefert werden.
In dieser Golden Source sollten Daten liegen, welche qualitätsgesichert und standardisiert sind. Aus dieser Quelle heraus können sich andere Einheiten der Asset Manager bedienen und diese in ihre entsprechenden Zielsysteme entlang der gesamten Wertschöpfungskette einspielen. Ziel sollte es sein, dass alle Prozesse, Produkte und Rechtsdokumente die Daten aus dieser qualitätsgesicherten Datenbasis erhalten. Dadurch ist eine Pflege unterschiedlicher Herkunftsorte der Daten nicht länger erforderlich. Dies senkt die Kosten und stärkt die systemseitige Robustheit, da weniger Schnittstellen notwendig sind. Übergeordnet werden damit auch operationelle und vor allem Reputationsrisiken der Unternehmen minimiert.

Fazit:

Zusammenfassend und im Kontext entscheidend ist, wie ESG-Daten demnach neben der Definition des Use Cases die Daten abgelegt, aggregiert, mit weiteren Informationen angereichert und anschließend an unterschiedliche Zielsysteme entlang der Wertschöpfungskette verteilt werden können. Die strukturierte und gezielte Auswahl der Datenanbieter stärkt perspektivisch die Position der Asset Manager. Insbesondere vor dem Hintergrund einer sich verstärkenden gesellschafspolitischen Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit, weiteren regulatorischen Anforderungen und einer Zunahme der Datenmenge, ist eine solche Analyse und Auswahl essenziell. ESG-Daten sind für Asset Manager die Basis für die „grüne Revolution“.