ESG-Risikomanagement: Neue Ansätze für Banken

Warum Geldinstitute ihren Methodenbaukasten erweitern müssen

Keyfacts:

  • Nachhaltigkeit treibt Banken derzeit um – und damit insbesondere die Frage: Wie wirken sich die unmittelbaren Folgen des Klimawandels auf ihre Kunden aus?
  • In den Vordergrund rücken ESG-Risiken und insbesondere Klima- und Umweltrisiken, die im Kreditprozess zumeist nicht strukturiert berücksichtigt werden.
  • Daher müssen Banken ihren Methodenbaukasten im Risikomanagement erweitern und in neuen Kategorien denken.

Alles neu macht ESG: Der Umgang mit Risiken ist seit jeher Teil des Geschäftsmodells von Finanzdienstleistern, Risikomanagement zählt zu einer Kernkompetenz der Branche. Üblicherweise haben die dabei betrachteten Risiken – wie Liquiditäts-, Kredit-, Markt- oder operationelle Risiken – aber die Auswirkungen auf das Institut selbst zum Gegenstand. Bei ESG-Risiken (Environment, Social, Government) verhält sich dies anders: Diese wirken als so genannte Risikotreiber auf die anderen Risikoarten, insbesondere das Kreditrisiko. Aus diesem Grund ist es geboten, dass Banken ESG-Risiken in all ihren Facetten berücksichtigen und dabei einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen.

Auch von Seiten der Aufsicht ist der Druck hoch: Die Aufseher der BaFin sowie die EZB und die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA erwarten, dass Geldinstitute Transparenz schaffen. So geht es zum einen darum, entsprechende Risiken zu identifizieren, um so Steuerungsfähigkeit herzustellen. Gleichzeitig gibt es die Erwartung, dass sich das Topmanagement mit dem Thema ESG und daraus resultierenden Risiken befasst und unter anderem die Auswirkungen auf die Geschäfts- und Risikostrategie bewertet. Was also bedeutet das für Banken konkret?

ESG-Risiken einkalkulieren

Der Umweltaspekt wirkt sich besonders auf die Geschäftstätigkeit von Banken aus, wenn beispielsweise wie im Ahrtal 2021 Häuser und Infrastruktur über Nacht vom Starkregen weggerissen werden. Entsprechend müssen Geldinstitute reagieren und physische ESG-Risiken künftig bei der Kreditprüfung mit einkalkulieren – so wie es Versicherungen längst tun. Dabei geht es vor allem darum, zu verstehen, welchen physischen Risiken Kreditnehmende ausgesetzt sind. Um diese überblicken zu können, brauchen Banken Informationen darüber, wie groß die Risiken im Einzelnen sind und wie sich diese auf die finanzierten Assets auswirken. So sind Banken beispielsweise angehalten zu prognostizieren, wie sich Überschwemmungen in einem bestimmten Gebiet in Zukunft auswirken könnten: An welcher Adresse ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Flut das Haus zerstören würde? Welche Fabrikhallen sind wie gefährdet? Mithilfe von Geoinformationen lassen sich so Schätzungen ableiten, wie hoch der Verlust in Zukunft ausfallen könnte. Auch hier verfügen Versicherungen bereits über fundiertes Wissen und Erfahrung.

Doch das ist noch nicht alles: Banken werden künftig auch nicht umhin kommen darüber zu urteilen, ob das Geschäftsmodell eines Unternehmens in einer klimaneutralen Zukunft noch tragfähig sein wird. Ist ein Autobauer potenziell nicht nachhaltig? Inwiefern wird sich das in der Kreditwürdigkeit niederschlagen? An dieser Stelle geht es also darum, die sogenannten transitorischen Risiken zu managen. Eine enorme Herausforderung: Denn dafür müssen Geldinstitute beurteilen können, wie anpassungsfähig ein Geschäftsmodell ist. Dazu gehört auch, dass Banken einschätzen können, wie sich verschiedene Klimaszenarien sowie politische Vorgaben auswirken werden: Wie tragfähig wird ein Geschäftsmodell bei einer Erderwärmung beispielsweise um zwei Grad sein? Wie wird sich die Erhöhung des CO2-Preises auswirken? Hier gilt es, Vorhersagen zu treffen und zu modellieren, um Aussagen zur Ausfallwahrscheinlichkeit unter diesem neuen Blickwinkel zu betrachten. Oder anders gesagt: Ein Klimaszenario muss in ein volkswirtschaftliches Szenario übersetzt werden, aus dem wiederum Ableitungen für die Kreditausfallwahrscheinlichkeit getroffen werden. Hier sind nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Bewertungen gefragt.

Neue Kategorien, neue Wirkungsmechanismen

Der Umgang mit ESG-Risiken erfordert von Finanzinstituten eine Erweiterung des Methodenbaukastens im Risikomanagement. Um neue Wirkungsmechanismen zu verstehen, muss in neuen Kategorien gedacht werden. Das bedeutet, dass Risiken auch qualitativ betrachtet werden müssen. Mathematiker:innen allein reichen dafür nicht mehr aus. Die Institute sind gezwungen, deutlich langfristiger zu denken und neue Treiber zu berücksichtigen, die bisher nicht im Fokus standen.

Auf der Agenda haben das Thema alle. Mitunter stehen die Bemühungen jedoch noch eher am Anfang. Gleichzeitig ist diese neue Art zu arbeiten für einige Institute relevanter als für andere. Neues Denken ist ad hoc vor allem bei den Banken gefragt, die in CO2-intensiven Sektoren wie Immobilien, Shipping, Automotive oder Energie aktiv sind.