Greenwashing-Vorwürfe vermeiden: ESG treibt Reputationsrisiken

Mit einem gezielten Reputationsrisiko-Management schützen Finanzdienstleister ihr Geschäft

Keyfacts:

  • In der ESG-Transformation werden Greenwashing-Vorwürfe für Banken immer mehr zum Reputationsrisiko.
  • Viele Institute begegnen Reputationsrisiken nicht proaktiv.
  • Die Corporate Governance und ein gezieltes Informationsmonitoring sind wichtige Bausteine der Präventionsarbeit.

Seit das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche an Bedeutung gewinnt, häufen sich auch Berichte über potenzielles Greenwashing – also über Nachhaltigkeitsversprechen, die nicht eingelöst werden. Denn die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für den Klimawandel sowie ESG-konformes Investieren ist groß. Das schließt auch sozial und ethisch korrektes Verhalten ein – und sogenanntes Bluewashing, also unternehmerisches Verhalten, das solche Versprechen nicht hält.

Die Treiber eines Reputationsrisikos im Kontext von Greenwashing und Bluewashing können vielfältig sein: hohe Treibhausgasemissionen, Biodiversitätsverlust, Diskriminierung, Betrug und Korruption sowie Menschenrechtsverletzungen und kontroverse Arbeitsbedingungen.

Es drohen Reputationsrisiken – und Rechtsrisiken

Nicht richtlinienkonformes Verhalten von Unternehmen kann neben großen Reputationsrisiken in gewissen Fällen sogar Rechtsrisiken bedeuten. So wurde der Ölkonzern Shell im Mai 2021 in den Niederlanden von mehreren Umweltverbänden und mehr als 17.000 Bürgern mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen die globalen Klimaziele und der finanziellen Förderung von Öl und Erdgas verklagt.

Das Urteil des Gerichts war eindeutig: Es gebe für das Unternehmen eine Verpflichtung, einen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel zu leisten. Das Gericht formulierte ausdrücklich, dass das auch für andere Unternehmen gelte. Noch nie zuvor wurde ein Unternehmen von einem Richter zu so drastischen Klimaschutzmaßnahmen gezwungen.

Greenwashing-Vorwürfe auch in Deutschland

Ein weiteres Beispiel: Im Mai 2022 kam es zu Greenwashing-Vorwürfen und einer Anklage des Wertpapierdienstleisters BNY Mellon durch die Securities and Exchange Commission (SEC) in den USA. Ihren Untersuchungen zufolge enthielten die Aussagen des Unternehmens zu seinen ESG-Fonds falsche Angaben sowie Auslassungen.

Die SEC stellte fest, dass BNY Mellon Investment Adviser in verschiedenen Erklärungen zugesichert oder impliziert hatte, dass alle Anlagen in die Fonds einer ESG-Qualitätsprüfung unterzogen wurden, obwohl das nicht immer der Fall war. Zahlreiche von bestimmten Fonds gehaltene Anlagen hatten zum Zeitpunkt der Anlage keine ESG-Qualitätsprüfungspunktzahl erhalten. Die Folge: Strafzahlungen in Höhe von 1,5 Millionen US-Dollar und eine umfangreiche mediale Präsenz. Auch in Deutschland werden solche oder ähnliche Vorwürfe verstärkt erhoben, zuletzt etwa bei der DWS.

Transparenz von ESG-Risiken: Wo Finanzinstitute heute stehen

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Reputationsrisiko – ein ernstzunehmendes Thema für die CRO-Agenda

Nun gibt es Reputationsrisiken nicht erst seit den jüngsten Greenwashing-Vorwürfen und seit dem Voranschreiten der ESG-Transformation. Viele in der Finanzindustrie werden sagen: Das Reputationsrisiko ist schon lange als Bestandteil der sogenannten Non-Financial Risk etabliert – Reputationsrisiken wurden jedoch bisher eher reaktiv statt proaktiv gemanagt.

Eine proaktive Handhabe ist aber wichtig, denn die Berichterstattung in den Medien lenkt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Beschwerden, Klagen und Skandale. Das Rechtsrisiko ist somit einer der Treiber für das Reputationsrisiko von Banken und Co. und macht es für die Risikomanager zu einem ernstzunehmenden Thema.

Die geschilderten Beispiele machen deutlich, dass sich für Banken und andere Finanzdienstleister im Zuge der ESG-Transformation nicht nur Reputationsrisiken aus Rechtsstreitigkeiten von Klienten ergeben, sondern auch aus der eigenen Geschäftstätigkeit.

So sind Verfahren ähnlich zu den Vorwürfen gegenüber Shell denkbar, in denen Investitionen oder Flüsse von öffentlichen Mitteln in Frage gestellt werden, die sich nicht auf die Lösung des Klimawandels konzentrieren. Und es könnten durch die Vorgänge auch langfristig die Kapitalkosten für emissionsintensivere Aktivitäten gesteigert werden, selbst wenn diese rechtlich zulässig bleiben. Weitere Fälle sind bei Nichtadaption die gesteigerten Management- und Offenlegungserwartungen zu physischen und transitorischen Risiken.

Reputationsrisiken – schwer greifbar und schwer zu quantifizieren

Reputationsrisiken können – unabhängig von ESG-Fragestellungen – in nahezu allen Bereichen und Funktionen auftreten und durch verschiedenste (Entscheidungs-) Prozesse ausgelöst werden. Doch die Risikoart ist schwer greifbar, zu quantifizieren und angemessen einzuschätzen. Die Überwachung und die Entwicklung von Reaktionsstrategien zur Minimierung entstehender Reputationsrisiken stellt daher eine große Herausforderung dar.

Kommt es tatsächlich zu einem Reputationsverlust, können Kunden wie auch Investoren früher oder später Vertrauen in die Bank verlieren. Daraus könnten sich weitere operative und finanzielle Risiken ergeben. Das Vertrauen der wichtigsten Stakeholder zurückzugewinnen, erfordert zeit- und ressourcenaufwendige Anstrengungen und ist, je nach der Schwere des Reputationsschadens, möglicherweise nie vollständig wiederherzustellen.

Aufgrund dieser potenziell weitreichenden Auswirkungen von Reputationsschäden sollten Reputationsrisiken wie alle anderen Risikoarten in den Rahmen des Risikomanagements eingebettet und quantitativ bewertet werden.

Während die aktive Gestaltung der öffentlichen Reputation eines Instituts in Form von Pressemitteilungen, Marketingkampagnen oder Corporate Social Responsibility-Programmen seit langem ein fester Bestandteil des täglichen Bankgeschäfts sind, befindet sich das Reputationsrisikomanagement meist noch in den Kinderschuhen. Aufgrund der jüngeren Entwicklungen mit Blick auf ESG und gestiegene Erwartungen der Aufsichtsbehörden erhält das Thema aber einen starken Bedeutungszuwachs.

Prävention im Management des Reputationsrisikos

Im Allgemeinen ist ein vorausschauendes Reputationsmanagement das beste Präventionsinstrument gegen Reputationsrisiken, insbesondere auch gegen Greenwashing oder Bluewashing. Das bedeutet, die wesentlichen Prozesse insbesondere der sogenannten First Line of Defense auf potenzielle Reputationsrisiken zu identifizieren und hier bewusste Entscheidungen darüber zu treffen, ob man als Institut das Geschäft, die Zusammenarbeit oder ähnliche Vorgänge trotzdem eingehen möchte.

Die zentrale Anforderung eines proaktiven Reputationsmanagements ist eine solide Corporate Governance. Hierzu gehört auch eine starke und mit den notwendigen Rechten und Instrumenten ausgestattete Second Line of Defence, die eine unabhängige Überwachung dieser Risiken sicherstellt. Oft werden hier auch Gremien- oder Komitteestrukturen genutzt oder eigens dafür aufgesetzt.

Monitoring: in Echtzeit und automatisiert

Des Weiteren ist es ratsam, das Marktumfeld und potenzielle Gefahren sorgfältig im Auge zu behalten – die Geschwindigkeit insbesondere in den sozialen Medien stellt hier eine besondere Herausforderung dar. Dafür sind am Markt diverse Monitoring-Tools verfügbar. KPMG hat ein eigenes Tool entwickelt: den Business Environment Monitor (BEM). Er nutzt Machine Learning, um automatisiert eine große Menge von Nachrichten in kurzer Zeit zu analysieren und somit potenzielle (Reputations-)Risiken proaktiv zu identifizieren.

Bis zu 100.000 Artikel aus internationalen Quellen werden täglich analysiert und erhalten einen Risikoscore. Artikel können auch nach Schlüsselwörtern durchsucht werden, sodass beispielsweise insbesondere solche mit ESG-Bezug betrachtet werden können. Somit können das Geschäftsumfeld konstant überwacht, Risikofälle frühzeitig erkannt und nötige Maßnahmen ergriffen werden.

Auch wenn das Reputationsrisiko und entsprechende Risikomanagementverfahren für Finanzdienstleister nicht neu sind, wirken ESG im Allgemeinen und Greenwashing im Besonderen als Impulse für eine Weiterentwicklung der bestehenden Verfahren und Instrumente. Eine gute Governance, Instrumente, die für Transparenz bezüglich dieser Risiken sorgen, und der Einsatz von Technologie (wie Maschine Learning) sind wichtige Bausteine der Weiterentwicklung.

 

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Sustainable Finance und ESG

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Sustainable Finance

Mit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals (SDGs) und des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen das wohl ehrgeizigste Projekt der Menschheitsgeschichte auf den Weg gebracht: Die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

Bei dieser Transformation kommt dem Finanzsektor eine herausragende Bedeutung zu. Denn mit seiner Hilfe lassen sich Kapitalströme in nachhaltige Investitionen lenken und Anreize für ein nachhaltigeres Handeln setzen. Außerdem wird so Nachhaltigkeit zu einem integralen Bestandteil des Risikomanagements und die Transparenz von Finanz- und Wirtschaftsaktivitäten deutlich erhöht.

Um diese Hebelwirkung des Finanzsektors für die gewünschte nachhaltige Transformation zu nutzen, hat die Europäische Kommission 2018 den EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verabschiedet. Er hat in Verbindung mit der EU-Taxonomie und einer Vielzahl weiterer Gesetze und Verordnungen – insbesondere zur ESG-Berichterstattung (Environment, Social, Governance) – dazu geführt, dass Finanzdienstleister zahlreiche Prozesse umgestalten und ihre Produktangebote neu ausrichten müssen. Dabei sind zahlreiche Entscheidungen zu treffen, die tiefgreifende Veränderungen nach sich ziehen und erhebliche Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg und das Geschäftsmodell haben.

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