Kampf der Titanen: Das Ringen um klare Standards für das ESG-Reporting

ISSB oder EFRAG – Wie Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung jetzt ausrichten

Keyfacts:

  • Die Finanzbranche hat einen großen Bedarf an einheitlichen und vergleichbaren Nachhaltigkeitsinformationen.
  • Das International Sustainability Standards Board (ISSB) und die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) haben abweichende Standardentwürfe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgelegt.
  • Eine Kompatibilität ist aber insbesondere für global agierende Unternehmen entscheidend. Es besteht die Gefahr, dass europäische Unternehmen doppelt berichten müssten.

Seit dem November vergangenen Jahres haben sich in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung die Ereignisse überschlagen. Damals, im Rahmen des Klimagipfels COP 26 in Glasgow, gab die International Financial Reporting Standards Foundation (IFRS) die Gründung des International Sustainability Standards Board (ISSB) bekannt.

Das Gremium mit Hauptsitz Frankfurt am Main verfolgt das Ziel, eine weltweit konsistente, vergleichbare und verlässliche Nachhaltigkeitsberichterstattung zu etablieren. Doch ein Entwurf der Europäischen Union weicht in Teilen davon ab – keine leichte Situation für Unternehmen.

ISSB – Erarbeitung von globalen Basisstandards

Doch von vorn: Zunächst einmal bietet der Ansatz des ISSB Flexibilität und damit Raum für regionale Anpassungen. Ein Bausteinkonzept soll es den Unternehmen ermöglichen, in unterschiedlichen Ländern die globalen Standards um regional geltende Verordnungen und Bestimmungen zu ergänzen. Zudem soll der Anwendungsbereich der künftigen Nachhaltigkeitsstandards des ISSB von der Verpflichtung zur Anwendung der IFRS losgelöst sein und somit auch eine breitere Integration in Bestrebungen verschiedener Jurisdiktionen ermöglichen. Eine Verknüpfung mit der Finanzberichterstattung wird dennoch erwartet.

Einen ersten Eindruck über die künftige Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den ISSB-Standards vermitteln die am 31. März 2022 veröffentlichten Entwürfe der IFRS S1 und S2, deren Konsultation vor kurzem zu Ende ging. Aussagen zur Prüfungspflicht treffen die ISSB-Standards nicht, da diese Entscheidung dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten bleibt.

EFRAG – auf dem Weg zu einem EU-Regelwerk

Noch vor den Bemühungen des ISSB, nämlich mehr als ein Jahr früher im Juni 2021, hat die Europäische Kommission bereits die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) mit der Erstellung EU-weit einheitlicher Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (engl. European Sustainability Reporting Standards, kurz: ESRS) beauftragt. Sie dienen der Umsetzung der aktuellen Fassung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und gehen mit wesentlich höherem Tempo und größerem Umfang an Berichtsanforderungen entlang der Kategorien Environmental, Social und Governance (ESG) einher. Hinzu kommt: Die EFRAG ist bereits mit 13 sektorübergreifenden Standardentwürfen (sogenannten Exposure Drafts) der ESRS vorangeschritten.

Neben der Aussicht auf einen verbindlichen Rechtsrahmen inklusive der Verankerung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht sowie der Einführung einer Prüfungspflicht – steht eine rechtsverbindliche Zeitleiste für die Umsetzung der CSRD kurz vor der Verabschiedung. Die erste Berichtspflicht greift bereits für das Geschäftsjahr 2024. Der Anwendungsbereich wird in den Folgejahren sukzessive erweitert.

EFRAG und ISSB – der Kampf der Titanen

Im Raum stehen also zwei Reporting-Titanen: EFRAG und ISSB. Insbesondere für global agierende Unternehmen der Finanzbranche mit Aktivitäten in und außerhalb der EU stellt sich in dieser Gemengelange die Frage: Wie sollen sie ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung künftig regulatorisch und strategisch ausrichten?

Die Analyse zeigt: Die Entwürfe der beiden Standardsetzer haben einige Gemeinsamkeiten. Sie haben eine ähnliche Zielsetzung und beziehen das Rahmenwerk der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) ein. Gleichzeitig gibt es aber auch Abweichungen in der Definition der Wesentlichkeit: Während der ISSB-Ansatz eine sogenannte Outside-in-Perspektive einnimmt und auf Investoren (also: Anleger) fokussiert, bevorzugt die EU einen breiteren Ansatz (sogenannte doppelte Wesentlichkeit), die zusätzlich auch Verbraucher:innen, die Öffentlichkeit und insbesondere Betroffene der Aktivitäten eines Unternehmens berücksichtigt.

Im Fokus stehen aktuell aber vor allem die praktischen Herausforderungen aus abweichenden Anforderungen von multinationalen Marktteilnehmern. Sie versuchen, eine kohärente und konsistente Berichterstattung sicherzustellen, die sowohl den Bedürfnissen globaler Investoren als auch den rechtlichen Anforderungen verschiedener Jurisdiktionen gerecht wird. Die Konsultationen haben eine große Zahl von Kommentaren hervorgebracht. Weitere Änderungen oder Verfeinerungen in den Regelwerken sind also zu erwarten.

Enge Kooperation: entscheidend für den Erfolg der Nachhaltigkeitsstandards

Unsere Haltung lautet: Für ein in der EU ansässiges und nach CSRD berichtspflichtiges Unternehmen empfiehlt es sich aus einer regulatorischen Sicht, die Umsetzung der ESRS in Angriff zu nehmen. Hier werden schon bald eine Rechtsverbindlichkeit und eine hinreichende Übersicht der bevorstehenden Anforderungen vorhanden sein, um Umsetzungsaktivitäten zu initiieren.

Mit Blick auf die ISSB-Standards ist zu beobachten, dass erst zwei Standards im Entwurf veröffentlicht wurden und noch kein Endorsement-Verfahren der EU absehbar ist. Die Folge: Im Markt ist Zurückhaltung zu beobachten.

Die beschriebenen Herausforderungen sind auch den beiden Standardsetzern bekannt. Deshalb stehen ISSB und EFRAG in einem engen Austausch miteinander, um eine mögliche Vereinbarkeit zu erarbeiten. Gelingt es ihnen nicht, sich auf eine gemeinsame Definition zu einigen, besteht die Gefahr, dass europäische Unternehmen am Ende doppelt berichten müssen. Das kann im schlimmsten Fall zu unterschiedlichen und inhaltlich abweichenden Nachhaltigkeitsberichten führen – und zu Mehrarbeit.

Die Revolution der Nachhaltigkeitsberichterstattung: Chance für die grüne Transformation

Was die hiermit eingeleitete Revolution der Nachhaltigkeitsberichterstattung aber vor allem birgt, sind Chancen. Die zukünftigen Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen werden umfangreicher und belastbarer. Sie werden zu einem Aushängeschild des Unternehmens in Richtung Kund:innen, Aufsicht, Markt und in Richtung der Mitarbeitenden. Die standardisierten Reportings haben außerdem das Potenzial, vergleichbare und relevante Informationen zu liefern, auf deren Grundlage Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten forciert werden können.

 

 

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