M&A im Versicherungssektor: ESG als wichtiger Baustein der Due Diligence

Im Interview geben wir Praxishinweise zur Umsetzung von ESG-Aspekten in der Due Diligence

Keyfacts:

  • Umwelt-, soziale und Aspekte der Governance (ESG) bestimmen die strategische und operative Ausrichtung von Versicherungsunternehmen – und auch Mergers & Acquisitions (M&A) sind zunehmend von ESG geprägt.
  • Eine ESG Due Diligence kann im Rahmen von Transaktionen unter anderem dazu beitragen, ESG-bezogene Chancen und Risiken strukturiert darzustellen sowie Handlungsoptionen für die Post-Merger- bzw. Integrationsphase aufzuzeigen.
  • Grundlegende Voraussetzungen für eine effektive und effiziente ESG Due Diligence sind unter anderem eine an der ESG-Strategie der Akteure sowie den Spezifika der Zielgesellschaft ausgerichtete Auswahl von zu analysierenden Fokusthemen.

    ESG: Drei Buchstaben, hinter denen perspektivisch eine fundamentale Transformation der Wirtschaft und damit gleichzeitig der vielleicht größte Megatrend unserer Zeit steckt. Die Versicherungsgesellschaften nehmen hierbei sowohl als Zeichner von ESG-Risiken als auch als institutionelle Kapitalanleger und Finanzintermediäre eine Schlüsselrolle ein. Vor diesem Hintergrund bestimmt ESG bereits seit einiger Zeit die strategische und operative Ausrichtung der Versicherungsgesellschaften. Auch die M&A-Agenda der Unternehmen ist davon nicht mehr ausgenommen.

    Im Interview geben uns Jan Leiding und Laura Stobbe einen Überblick über die Relevanz von ESG für das Transaktionsgeschäft innerhalb der Versicherungswirtschaft.

    Inwieweit ist der Megatrend ESG für das Transaktionsgeschäft im Versicherungssektor relevant?

    Jan Leiding: Über sämtliche Branchen und Länder hinweg werden Transaktionen immer mehr von Nachhaltigkeitsaspekten beeinflusst. Investoren setzen sich bei geplanten Zukäufen nicht nur intensiv mit ESG-bezogenen Risiken und Chancen auseinander, sondern preisen diese auch ein. M&A-Teams führen daher bereits heute im Transaktionsprozess regelmäßig eine ESG Due Diligence bei potenziellen Zielunternehmen (Targets) durch. Für Targets mit einer guten ESG-Performance werden dabei häufig Preisaufschläge bezahlt.

    Welche Vorteile bietet eine ESG Due Diligence aus Ihrer Sicht?

    Jan Leiding: Die Ergebnisse einer ESG Due Diligence können über den weiteren Verlauf eines Deals entscheiden. Investoren verknüpfen die Anforderungen an ein mögliches Zielunternehmen mit ihrer eigenen ESG-Strategie. So kann es vorkommen, dass die im Rahmen einer ESG Due Diligence identifizierten Risiken nicht kompatibel mit der ESG-Strategie des Käufers sind und die Transaktion platzt.

    Laura Stobbe: Die Anforderungen an eine ESG Due Diligence gehen jedoch über das Identifizieren von Risiken hinaus. Die Entscheidungsträger haben erkannt, dass „grüne Deals“ dazu beitragen können, den eigenen Gesamtunternehmenswert zu steigern und potenziell erhebliche Vorteile für die Umsetzung der eigenen ESG-Strategie bieten.
    Eine ESG Due Diligence kann somit sowohl den Kaufpreis und die im Vertrag zu fixierenden Garantien, Gewährleistungen und Verpflichtungen beeinflussen als auch Wertsteigerungspotenziale identifizieren.

    Richten wir den Blick auf die Versicherungswirtschaft. Welche Szenarien könnten hier eine Transaktion scheitern lassen?

    Jan Leiding: Im Zuge der EU-Taxonomie-Verordnung wenden Versicherer ein Klassifikationssystem an, welches einstuft, inwieweit einzelne Investitionen nachhaltig sind oder nicht. Ein konkretes Szenario für eine „Red Flag“ im Rahmen einer Transaktion könnte sein, dass ein Zielunternehmen einen hohen Anteil an Assets in seinem Bestand führt, welche gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung keine nachhaltigen Investments darstellen und somit nicht zur – möglicherweise auch öffentlich kommunizierten – Geschäftsstrategie des potenziellen Erwerbers passen.

    Laura Stobbe: Ähnliches gilt auch für die Versicherungstechnik und das Produktportfolio. So sind zum Beispiel Lebensversicherer durch die Offenlegungsverordnung der EU dazu verpflichtet, darüber zu berichten, ob ihre Produkte ökologische und soziale Kriterien erfüllen und damit als „grüne“ Versicherungsanlageprodukte gelten. Fordert die eigene Geschäftsstrategie eines potenziellen Käuferunternehmens ein Mindestmaß an „grünen“ Versicherungsanlageprodukten in einem Bestand, bestehen die Anforderungen regelmäßig auch für ein mögliches Zielunternehmen.

    Wie sollte eine ESG Due Diligence aufgebaut sein und welche Analysebereiche sollte sie aus Ihrer Sicht abdecken, um auch die spezifischen Anforderungen der Versicherungswirtschaft zu berücksichtigt?

    Jan Leiding: Grundsätzlich sollte eine ESG Due Diligence die Möglichkeit bieten, alle drei Teilbereiche der Dimensionen E, S und G abzudecken. Themen wie beispielsweise Treibhausgasemissionen und Energiequellen (E) im Eigenimmobilienbestand oder Diversität in der Belegschaft (S) sind ebenfalls zentrale Aspekte für Versicherer und sollten daher in einer umfassenden Analyse berücksichtigt werden.

    Neben größeren Fusionen haben Versicherer in der Vergangenheit insbesondere auch zahlreiche Zukäufe in versicherungsnahen Dienstleistungsbereichen getätigt (zum Beispiel Schadendienstleister, Makler, InsurTechs). Inwieweit hat die ESG Due Diligence auch hier ihre Relevanz?

    Jan Leiding: Die genannten Branchen sind in der Regel nicht mit den regulatorischen Anforderungen eines Versicherungsunternehmens konfrontiert. Sie sind deshalb auch nicht dazu verpflichtet, eine vergleichbare Nachhaltigkeitsberichterstattung zu veröffentlichen. Die fehlende Transparenz über ESG-relevante Aspekte stellt vor diesem Hintergrund ein potenzielles Risiko dar und sollte umso mehr in einer ESG Due Diligence analysiert werden. Nur auf dieser Basis kann der Aufwand für die Integration in gruppenweite ESG-Standards und damit für die Einhaltung regulatorischer Vorgaben des jeweiligen Versicherungsunternehmens valide geschätzt werden.

    Laura Stobbe: In diesem Zusammenhang möchte ich auf die besondere Relevanz einer ESG Due Diligence bei internationalen Transaktionen – vor allem außerhalb der EU – hinweisen. Die zuvor skizzierten regulatorischen Anforderungen gelten in der Form lediglich für Versicherer innerhalb der Europäischen Union, was die Einwertung der ESG-Performance bei außereuropäischen Zielgesellschaften natürlich zusätzlich erschwert.

    Die Due Diligence ist heute ein elementarer Bestandteil des Deal-Zyklus. Zugleich gibt es weitere Teilschritte im Transaktionsprozess. Inwieweit werden diese durch das Thema ESG beeinflusst?

    Jan Leiding: Mit einer Due Diligence sind im Rahmen einer Transaktion häufig – zumindest indikative – Unternehmensbewertungen verbunden. Nach einer systematischen Analyse und Quantifizierung von ESG-bezogenen Risiken und Chancen sollte eine Integration dieser Sachverhalte in die entsprechenden Bewertungskalküle erfolgen. Die Erkenntnisse aus einer ESG Due Diligence können somit unmittelbar den im Rahmen einer Transaktion gezahlten Kaufpreis beeinflussen.

    Zu einem idealtypischen Deal-Zyklus gehört zudem die Integration des Zielunternehmens in die Strukturen des Erwerbers. Eine ESG Due Diligence kann hierbei konkrete kurz-, mittel- und langfristige Handlungsoptionen für die Zeit nach dem Closing der Transaktion aufzeigen. Dazu können beispielsweise Hinweise zur Implementierung gruppenweit einheitlicher Nachhaltigkeitsberichterstattungsprozesse und -strukturen gehören. Auf diese Weise kann eine Transaktion die ESG-Transformation des Erwerbers maßgeblich beeinflussen.

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