Immer mehr verwaltetes Vermögen: Aktive ETFs erobern Deutschland

Anbieter müssen umdenken und ihre Produkt- und Vertriebsstrategie anpassen.

Key Facts:

  • Aktive ETFs vereinen die Vorteile des börsentäglichen Handels mit einem aktiven Portfoliomanagement und eröffnen Kapitalverwaltungsgesellschaften neue Vertriebs- und Produktstrategien.
  • Das wachsende Angebot in Europa ebnet den Weg für thematische, quantitative und ESG-orientierte Anlagestrategien – bislang vor allem ein Feld klassischer Fonds.
  • Trotz der Chancen stehen aktive ETFs unter hohem Margen-, Transparenz- und Performancedruck – Anbieter müssen technologische und strategische Hürden überwinden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Der deutsche Asset-Management-Markt ist traditionell von klassischen, aktiv gemanagten Publikums- und Spezialfonds sowie von institutionellen Mandaten geprägt. Exchange Traded Funds (ETFs) spielten bislang eine untergeordnete Rolle und wurden fast ausschließlich als kostengünstige, passive Indextracker genutzt – sowohl von Privatanlegern als auch von institutionellen Investoren.

Mit dem Aufkommen aktiver ETFs hat sich dieses Bild in den vergangenen Jahren allerdings gewandelt: In den USA wird bereits ein Volumen von rund 900 Milliarden US-Dollar in aktiven ETFs verwaltet. Und auch in Europa wächst das Segment nun deutlich. In Deutschland stieg das verwaltete Vermögen aktiver ETFs von 29,5 Milliarden Euro (Q2 2024) auf 49,5 Milliarden Euro (Q2 2025) – ein Plus von 68 Prozent.

Auch wenn das im Vergleich zum Gesamtvolumen klassischer Fonds gering erscheint, ist die Wachstumsdynamik bemerkenswert und birgt das Potenzial, die Produktpalette deutscher Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) nachhaltig zu verändern.

Aktives Management und börsentäglicher Handel: Was aktive ETFs auszeichnet

 Technisch betrachtet handelt es sich bei aktiven ETFs um reguläre UCITS-konforme Fondsvehikel mit täglicher Handelbarkeit, hoher Transparenz und Liquidität. Der wesentliche Unterschied liegt im Managementansatz:

  • Klassische ETFs bilden passiv einen Index passiv ab – bei aktiven ETFs treffen Fondsmanager eigenständige Anlageentscheidungen.
  • Aktive ETFs ähneln daher traditionellen, aktiv gemanagten Publikumsfonds – sie bieten aber gleichzeitig die Vorteile des börsentäglichen Handels.
  • Für KVGs eröffnet sich die Möglichkeit, bestehende aktive Strategien in ein modernes, liquides Produkt zu überführen.

     Fondsland Deutschland – ein Traditionsmarkt im Wandel

    Deutschland gilt als Land klassischer, aktiv gemanagter Investmentfonds: Annähernd 4,8 Billionen Euro wurden Ende September 2025 laut dem Branchenverband BVI von deutschen KVGs verwaltet, der Großteil davon in traditionellen Fondsmandaten. ETFs – ob passiv oder aktiv – machen bislang weniger als 10 Prozent des Marktes aus.

    Die Gründe sind vielfältig:

    1. Vertriebsstrukturen: Die Vertriebspraxis vieler Banken und Sparkassen ist stark auf gruppeninterne Fonds ausgerichtet, gestützt durch etablierte Sparplanstrukturen.
    1. Produktexpertise: Deutsche KVGs verfügen häufig nur über begrenzte Erfahrung mit ETFs – und speziell aktiven ETFs –, insbesondere im Vergleich zu etablierten US-Anbietern.
    2. Kulturelle Zurückhaltung: Deutsche Anlegerinnen und Anleger und Institutionen agieren bei der Fondsauswahl traditionell konservativer als beispielsweise US-amerikanische.

    Die jüngsten Entwicklungen deuten aber darauf hin, dass sich die Dynamik spürbar ändert. Das Segment aktiver ETFs gewinnt zunehmend an Bedeutung und damit für Anbieter an strategischer Relevanz. Inzwischen formiert sich auch in Deutschland ein lebendiger ETF-Markt, der nicht nur durch steigende Produktzahlen, sondern auch thematisch immer vielfältiger ist:

    Mehr Anbieter

    Mehr Anbieter

    Die Zahl der Anbieter im deutschen Markt stieg nach Recherchen von Scope und Fondsconsult von 17 (August 2024) auf 27 (August 2025).

    Mehr Produkte

    Mehr Produkte

    Über 180 aktive ETFs sind aktuell handelbar, mit starkem Fokus auf Aktien- und Anleihestrategien.

    In der Nische

    In der Nische

    Während klassische ETFs meist als Kernbestandteil dienen, werden aktive ETFs häufig als Satellitenprodukte für Nischenstrategien oder differenzierende Elemente eingesetzt.

    Das wachsende Interesse an aktiven ETFs kann mittelfristig dazu führen, dass klassische Produkte als zentrales Vehikel der Anleger an Zuspruch verlieren.

    Langfristig investieren mit ELTIFS: Das bringt die Reform

    European Long Term Investment Funds (ELTIF) ermöglichen es institutionellen und privaten Investoren, Kapital in alternative Anlagen wie Infrastrukturprojekte zu lenken. Neue Regeln haben jüngst das Anlagespektrum erweitert und Hürden für Privatanleger gesenkt. Die Zahl der Fondsangebote steigt, aber die Vorgaben für Asset Manager sind hoch und das Zulassungsverfahren komplex.

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    Mit neuen Strategien neue Kunden ansprechen: Chancen aktiver ETFs für KVGs

    Für KVGs eröffnen aktive ETFs ein breites Spektrum strategischer Handlungsoptionen. Sie ermöglichen es Anbietern zum Beispiel, etablierte Fondsstrategien in ein modernes, liquides Format zu überführen und damit neue Zielgruppen zu erschließen.

    Insbesondere digitalaffine Anleger lassen sich über börsentägliche Vehikel wie ETFs deutlich einfacher erreichen – auch über Onlinebroker, Neobanken oder Robo-Advisors. Gleichzeitig profitieren KVGs von einer erhöhten Sichtbarkeit: Während klassische Publikumsfonds häufig nur im Bankvertrieb präsent sind, erscheinen ETFs in Echtzeit auf Handelsplattformen und Finanzportalen, was die Markenwahrnehmung nachhaltig stärkt.

    Darüber hinaus bieten aktive ETFs die Möglichkeit, innovative Strategien am Markt zu platzieren und Anlegerinnen und Anleger mit klar umrissenen Themen – etwa im Bereich ESG, der künstlichen Intelligenz oder der Green Transition – gezielt anzusprechen. Gerade in volatileren Umfeldern kann die Liquidität des Börsenhandels ein entscheidender Vorteil sein, um Flexibilität und Sicherheit zu bieten.

    Insgesamt entsteht für KVGs die Chance, ihre Produktarchitektur zu modernisieren, neue Vertriebskanäle zu erschließen und sich als zukunftsorientierter Anbieter im Wettbewerb zu positionieren.

    Druck auf Margen und Performance: Herausforderungen für Anbieter aktiver ETFs

    Gleichzeitig dürfen die mit aktiven ETFs verbundenen Herausforderungen nicht außer Acht gelassen werden. Wer aktive ETFs anbieten will, sollte vor allem folgende vier Punkte auf der Agenda haben:

    • Kostenstruktur: Auch aktive ETFs müssen mit deutlich niedrigeren Verwaltungsgebühren auskommen, was die Margen der KVGs unter Druck setzt.
    • Transparenzanforderungen: Investoren erwarten höchste Reporting-Standards – für Manager aktiver Strategien ist das ein Balanceakt zwischen Transparenz und Schutz des Investmentansatzes.
    • Performance-Druck: Die noch geringe Historie aktiver ETFs und die häufig unterdurchschnittliche Performance nach Kosten gegenüber den jeweiligen Benchmarks führen, so schreibt es zum Beispiel S&P Global, zu einer gewissen Skepsis gegenüber dem aktivem Management von ETFs.
    • Komplexer Betrieb: Die Auflage und der Betrieb von ETFs erfordern eine spezialisierte technologische Infrastruktur und die enge Zusammenarbeit von Anbietern, Market Makern und Vertriebspartnern – das sind Strukturen, die vielen klassischen KVGs bislang fehlen.

    Die Zukunft des Asset Management: Der Vertrieb von morgen

    Schwächelnde Konjunktur, steigende Zinsen und zweistellige Inflationsraten: Es wird schwerer werden, Asset-Management-Produkte zu verkaufen. Vermögensverwalter sind mit fundamentalen Fragen konfrontiert. Eine davon lautet: „Wie sieht der Vertrieb der Zukunft aus?“ 

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    Aktive ETFs markieren strukturellen Wandel im Asset Management

    Aktive ETFs etablieren sich auch im deutschen Markt. Mittelfristig dürfte das tiefgreifende strukturelle Veränderungen auslösen. Eine zentrale Entwicklung, die es zu beobachten gilt, ist die Hybridisierung von Produktarchitekturen: Immer häufiger finden sich gleichartige Strategien sowohl in traditionellen Fondsvehikeln als auch in aktiven ETFs im Angebot.

    Um kostenintensive Doppelstrukturen und damit verbundene Ineffizienzen zu vermeiden, wird es notwendig sein, eine Strategie der Konsolidierung umzusetzen und die Produktlandschaft gezielt zu verschlanken. Je nach Marktresonanz und Anlegerinteresse kann das bei Asset Managern zu einer ganzheitlichen Transformation in der Produktpalette führen.

    Gleichzeitig steigt der Wettbewerbsdruck erheblich. Internationale Anbieter mit ausgeprägter ETF-Kompetenz drängen verstärkt auf den deutschen Markt und setzen lokale KVGs unter Handlungsdruck, eigene Lösungen zu entwickeln – denn sie wollen ihre Marktanteile sichern.

    Dazu kommt der Wandel im Vertrieb: Die traditionelle Gatekeeper-Rolle der Banken verliert an Bedeutung, während digitale Plattformen und Broker als Vertriebskanäle an Bedeutung gewinnen.

    Für KVGs ergibt sich daraus die Notwendigkeit, ihre Vertriebsstrategien grundlegend zu überdenken und sich sowohl technologisch als auch organisatorisch auf eine neue Marktlogik einzustellen. Der Wandel ist nicht nur unausweichlich – er ist bereits in vollem Gange.

    Jetzt Kompetenzen aufbauen: Aktive ETFs sind ein Katalysator der Transformation

    Aktive ETFs sind kein Modetrend – sie markieren eine strukturelle Verschiebung im deutschen Fondsmarkt. Trotz ihres noch geringen Anteils ist die Wachstumsdynamik hoch, und das Produktkonzept passt zu den Anforderungen einer zunehmend digitalaffinen Anlegergeneration.

    Für KVGs gilt: Zögern ist keine Option. Wer frühzeitig Kompetenzen im ETF-Segment aufbaut, kann von einem wachsenden Markt profitieren. Wer abwartet, riskiert von internationalen Wettbewerbern verdrängt zu werden.

    Dieser Text entstand unter Mitwirkung von Alla Mitsyk und Konstantin Höschele.