Countdown für T+1: RTS machen Anforderungen jetzt zur Pflicht

RTS machen Anforderungen zur Pflicht

Die ESMA sieht eine Umsetzung in drei Phasen bis zum Stichtag vor.

Keyfacts:

  • Mit den neuen technischen Regulierungsstandards (RTS) gibt die Aufsicht Marktteilnehmern nun konkrete Prozessempfehlungen für die Umstellung auf den verkürzten Abwicklungszyklus T+1 an die Hand.
  • Drei Phasen schlägt die ESMA Banken, Asset Managern und Verwahrstellen vor.
  • Die Zeit drängt: Nur wer bereits 2026 T+1-ready ist, wird 2027 regulatorisch und operativ bestehen können.

In Sachen T+1-Settlement wird es ernst: Mit der Veröffentlichung der überarbeiteten technischen Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards, RTS) zur Abwicklungsdisziplin durch die ESMA liegt nun auch der Fahrplan für den Übergang auf den neuen, verkürzten Abwicklungszyklus auf dem Tisch.

Spätestens am 11. Oktober 2027 müssen alle Unternehmen, die in Europa am Wertpapierhandel beteiligt sind, technisch, operativ und organisatorisch dazu bereit sein, innerhalb eines Tages nach einem Trade (T) das Geschäft abzuwickeln. Mit den RTS setzt die ESMA Erfahrungen aus der Praxis in verbindliches Recht um – und viele bisherige Empfehlungen werden nun zur Pflicht .

Der Countdown läuft also – die ESMA sieht eine Umsetzung in drei Phasen vor, die Banken, Asset Manager und Verwahrstellen auf den Stichtag vorbereitet.

Quelle: KPMG in Deutschland 2025

 

Phase 1 bis Dezember 2026: Pre-Settlement

Angesichts der Vielzahl von Umstellungen, die in der gesamten Wertschöpfungskette für die Umsetzung von T+1 erforderlich sind, bleibt nicht mehr viel Zeit. Institute sollten umgehend mit der ersten Phase starten: Bis Ende 2026 gilt es, die schnellere und standardisierte Vorbereitung der Abwicklung anzugehen.

Denn künftig müssen Allocations und Confirmations spätestens bis 23:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit (MEZ) am Handelstag abgeschlossen sein – unabhängig von Zeitzonen oder Handelsplätzen. Für viele Institute bedeutet das eine Abkehr von gewohnten End-of-Day-Prozessen hin zu einer Intraday-basierten Verarbeitung.

Was nach technischer Feinjustierung klingt, ist tatsächlich eine strukturelle Veränderung: Handel und Middle Office müssen enger verzahnt, Systeme auf Echtzeitkommunikation umgestellt werden und Matching-Prozesse automatisiert ablaufen.

Wer noch auf E-Mail, Excel oder manuelle Buchungen setzt, wird die Fristen kaum einhalten können. Besonders für kleinere Häuser und Wertpapierleihe- oder Repo-Aktivitäten mit kurzen Laufzeiten wird das zur operativen Herausforderung.

Parallel dazu verlangt die ESMA die vollständige Digitalisierung der Pre-Settlement-Kommunikation: Alle Nachrichten müssen künftig in einem maschinenlesbaren Format nach internationalen Standards wie ISO 20022 erfolgen.

Das schafft zwar langfristig Interoperabilität, zwingt die Institute aber zu teuren Systemanpassungen und Schnittstellentests. Der Parallelbetrieb von älteren Formaten wie ISO 15022 wird vorübergehend für zusätzliche Komplexität sorgen.

Welche Änderungen bringt T+1 für das Wertpapiergeschäft? #48

Felix Ertl vom BVI und Lisa Hofmann (Partnerin KPMG) erläutern in der Podcast-Folge, welche großen Herausforderungen, die Umstellung für alle Marktteilnehmer in Europa mit sich bringt – und wie Asset Manager rechtzeitig ‚T+1 ready‘ werden können.

Jetzt reinhöhren

Ein weiterer zentraler Baustein sind die sogenannten Standard Settlement Instructions (SSIs): Professionelle Kunden müssen sicherstellen, dass diese Daten jederzeit aktuell und automatisiert verfügbar sind. Veraltete SSIs gehören zu den häufigsten Ursachen für Settlement-Fails. Es gibt bislang keine zentrale Datenbank, die alle relevanten SSI-Informationen bündelt. Die Marktteilnehmer müssen also eigene Mechanismen zur Synchronisierung aufbauen.

Hinzu kommt die Erweiterung der Allokationsdaten: Neben Beträgen und Konto-IDs werden künftig Felder wie der PSET (Place of Settlement) oder der Transaktionstyp verpflichtend. Das soll für eine bessere Matching-Qualität sorgen und Fehlleitungen verhindern. Allerdings besteht noch Interpretationsspielraum bei der PSET-Definition und der Harmonisierung der ISO-Codes – eine Quelle möglicher Inkonsistenzen, die Institute frühzeitig adressieren müssen.

Insgesamt fordert die ESMA in Phase 1 von Marktteilnehmern nicht weniger als einen Paradigmenwechsel: Geschwindigkeit, Datenqualität und Automatisierung werden zur regulatorischen Pflicht. Wer seine Prozesse noch nicht intraday-fähig aufgestellt hat, wird spätestens Ende 2026 massiv unter Druck geraten.

Phase 2 bis Juli 2027: Reporting und Transparenz

In der zweiten Phase (bis Juli 2027) r ückt die ESMA die Überwachung der Settlement-Effizienz in den Mittelpunkt. Mit den neuen Reportingpflichten soll die Transparenz über Abwicklungsfehler und ihre Ursachen deutlich steigen.

Institute werden künftig anhand ihres relativen Marktanteils bewertet: Wer überdurchschnittlich viele Fails verursacht, muss monatlich Ursachen und Gegenmaßnahmen melden. Damit wird das Reporting von einer jährlichen Pflicht zu einer kontinuierlichen Managementaufgabe.

Fehlerquellen – sei es im Matching, bei SSIs oder in der Cash-Verfügbarkeit – müssen systematisch identifiziert werden. Ohne automatisierte Datenanalyse wird das kaum zu bewältigen sein.

Zudem müssen Zentralverwahrer (CSDs) künftig öffentliche Transparenzberichte veröffentlichen, in denen Settlement-Fails nach Assetklasse, Handelsplatz, Dauer und Grund aufgeschlüsselt werden. Das sorgt für Sichtbarkeit – und erhöht den Reputationsdruck.

Institute mit schwacher Abwicklungseffizienz werden künftig nicht nur von Aufsichtsbehörden, sondern auch vom Markt wahrgenommen. Für das Management wird die Leistungsstärke im Settlement damit zu einem echten Wettbewerbsfaktor.

T+1 in Europa: Verkürzter Abwicklungszyklus für Wertpapiere

Mit den neuen Regeln unter dem Stichwort T+1-Settlement kommen erhebliche Veränderungen auf alle Marktteilnehmer im Wertpapiergeschäft zu. Vor allem Asset Manager müssen zügig die Umsetzung der regulatorischen Vorgaben angehen und operative Auswirkungen analysieren.

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Phase 3 bis Oktober 2027: Infrastruktur und Funktionalitäten

Die dritte Phase endet mit dem Start von T+1 im Oktober 2027 . Vom Stichtag 11. Oktober an müssen Settlement Instructions bis spätestens 23:59 MEZ am Handelstag an das jeweilige Settlement-System übermittelt werden. Nur so lässt sich der enge T+1-Zyklus überhaupt realisieren.

Diese Frist wirkt auf den ersten Blick technisch, hat aber strategische Folgen, die einen erheblichen operativen Feinschliff bedeuten: Späte Handelsaktivitäten – etwa im ETF- oder Cross-Border-Geschäft – kollidieren schnell mit den Cut-Off-Zeiten. Auch globale Marktteilnehmer, die in Asien oder Nordamerika handeln, müssen ihre Abläufe auf europäische Zeitzonen abstimmen. Das erfordert neue Koordinationsmechanismen und angepasste Netting-Prozesse.

Parallel werden die Funktionalitäten der Settlement-Systeme harmonisiert. Die ESMA schreibt verbindlich vor, dass alle CSDs Hold and Release und Auto-Partial Settlement anbieten müssen. Beide Mechanismen sollen helfen, Fails zu reduzieren, indem sie eine flexiblere Steuerung und Teilabwicklung von Transaktionen ermöglichen.

Für Teilnehmer bedeutet das allerdings auch operative Komplexität: Teilabwicklungen können zusätzliche Tickets und Gebühren verursachen, und Opt-out-Funktionen müssen technisch zuverlässig abbildbar sein.

Ein weiterer Meilenstein ist die verpflichtende Auto-Collateralisation: CSDs müssen künftig Intraday-Kredite gegen Sicherheiten bereitstellen – entweder zentralbank- oder geschäftsbankgestützt. Damit sollen die Liquiditätssteuerung verbessert und Settlement-Fails aufgrund fehlender Mittel vermieden werden.

Gleichzeitig verlangt das eine engere Verzahnung mit Treasury- und Collateral-Management-Systemen, was viele Häuser noch technisch umsetzen müssen. Schließlich sollen alle CSDs entweder fähig sein, Real Time Gross Settlement (RTGS) anzubieten oder mindestens drei Settlement-Batches pro Tag.

Das erhöht die Flexibilität und die Geschwindigkeit der Abwicklung, setzt aber auf Seiten der Teilnehmer voraus, dass Systeme und Prozesse in Echtzeit oder nahezu in Echtzeit arbeiten können. Kurz gesagt: Phase 3 stellt für Marktteilnehmer die Nagelprobe dar – sie entscheidet, ob T+1 in der Praxis funktioniert oder zum operativen Risiko wird.

Jetzt handeln: T+1-Fähigkeit bereits 2026 herbeiführen

Für Banken, Asset Manager und Verwahrstellen ist die Botschaft eindeutig: T+1 ist kein technisches Projekt mehr – es ist eine strategische Verpflichtung. Wer erst 2027 damit beginnt, seine Prozesse, Systeme und Datenflüsse auf den Stichtag vorzubereiten, kommt zu spät. Es gilt, jetzt

  • End-to-End-Prozesse ganzheitlich zu analysieren
  • IT-Systeme auf durchgängige Prozesse zu prüfen
  • operative Tests frühzeitig zu starten – intern und extern

Wir empfehlen daher, nach folgender Regel vorzugehen: Nur wer bereits 2026 T+1-ready ist, wird 2027 regulatorisch und operativ bestehen können. Neben den verbindlichen RTS-Anpassungen bleiben auch die ESMA-Empfehlungen aus dem Juli 2025 relevant. Dazu zählen etwa das Recall Framework, das eine frühzeitige und standardisierte Kommunikation bei Wertpapierleihe-Positionen vorsieht, sowie das Notional Shaping, das große Repo-Transaktionen in kleinere Settlement-Einheiten aufteilt, um Fails zu vermeiden.

Dazu kommen viele weitere, die es in der Praxis ebenfalls zu berücksichtigen gilt. Auch wenn diese Maßnahmen (noch) nicht verpflichtend sind, erhöhen sie den operativen Druck zusätzlich und verdeutlichen, dass der Weg zu T+1 nicht allein mit der Umsetzung der RTS endet.

Mitarbeit an diesem Artikel: Luisa Schleiminger