EMIR 3.0 bringt neue Meldepflichten für das Derivateclearing
EMIR 3.0 bringt neue Meldepflichten für das Derivateclearing
Richtlinie fordert aktives Konto für Gegenparteien und regelmäßiges Compliance-Reporting.
Keyfacts:
- Die European Market Infrastructure Regulation (EMIR) erhält eine weitere Novelle: EMIR 3.0 kommt.
- Schon bis zum 25. Juni 2025 müssen Marktteilnehmer ein aktives Konto bei einer Gegenpartei führen und berichten.
- Hinzu kommt eine umfassende Meldepflicht in Verbindung mit dem aktiven Konto, deren Start für 2026 erwartet wird.
Die European Market Infrastructure Regulation (EMIR) soll systemische Risiken im europäischen Derivatemarkt eindämmen. Sie sieht Pflichten für bestimmte Parteien von Derivatetransaktionen vor.
Seit dem Inkrafttreten 2012 wurden die EMIR-Vorschriften immer wieder angepasst. Nun wurde das dritte größere Änderungspaket bekanntgegeben, das die Transparenz und Sicherheit des Derivatemarktes weiter erhöhen soll – unter Fachleuten auch bekannt als EMIR 3.0.
EMIR 3.0 bringt bedeutende Veränderungen und neue Anforderungen für Finanzmarktteilnehmer mit sich. Besonders hervorzuheben ist das sogenannte Active Account Requirement, kurz AAR. Das AAR bezieht sich auf die Besicherung von Derivaten über zentrale Gegenparteien, das sogenannte Clearing.
EMIR 3.0 fordert aktives Clearing über zentrale Gegenpartei in der EU
Künftig werden große institutionelle Marktteilnehmer gemäß EMIR dazu verpflichtet, bestimmte Derivategeschäfte aktiv über eine zentrale Gegenpartei (Central Counterparty, CCP) in der EU zu clearen – zumindest in einem gewissen Maße, sodass die operativen Prozesse implementiert sind. Hierzu ist bei einer geeigneten CCP ein Konto zu unterhalten und regelmäßig zu nutzen.
Darüber hinaus sind betroffene Marktteilnehmer angehalten, eine detaillierte Berichterstattung zur individuellen Übereinstimmung mit dem AAR abzulegen. Die neue Meldepflicht enthält Informationen zu den konkreten Clearing-Aktivitäten sowie zu verschiedenen Compliance-Maßnahmen, die auch Stresstests einschließen.
Die neue Meldepflicht kann thematisch als Ergänzung der bereits seit längerem bestehenden Meldepflicht für Derivategeschäfte nach Artikel 9 der EMIR gesehen werden, auch wenn sich die Meldewege und -formate deutlich unterscheiden.
Auf Finanzinstitute kommt eine Reihe neuer Anforderungen zu
Ziel der neuen Vorschriften ist es, insgesamt die Stabilität des Finanzmarktes zu erhöhen, indem die Resilienz des europäischen Clearing-Marktes gestärkt und die Nutzung des Clearing-Marktes für Aufsichtsbehörden transparenter gemacht werden.
Obwohl sich die konkreten Umsetzungsdetails der Vorschriften noch im Abstimmungsprozess befinden, ist bereits jetzt klar, dass sich Finanzinstitute auf eine Reihe von regulatorischen Anforderungen einstellen müssen, die sowohl interne Prozesse als auch IT-Systeme betreffen.
Das AAR-Reporting ist eine bewusst komplizierte regulatorische Hürde, um Marktteilnehmer zum Clearing über EU-CCPs anzuhalten. Blicken wir auf die weiteren wesentlichen Aspekte der neuen Vorschrift zur AAR-Compliance: Timeline, Scope, Meldeformat und bestehende Unklarheiten sowie die Auswirkungen auf den Markt und die Marktteilnehmer.
Regulator forciert die Umsetzung: Enge Timeline für EMIR 3.0
Die regulatorischen Änderungen unter EMIR 3.0 unterliegen einem klar umrissenen Zeitplan: Der finale Text der Novelle wurde im Dezember 2024 veröffentlicht und trat noch im selben Monat in Kraft. In den Folgewochen bis Januar 2025 führte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) ein Konsultationsverfahren zum Thema durch.
Bis zum 24. Juni 2025 muss sie nun einen finalen Entwurf der konkretisierenden regulatorischen Standards (RTS) an die EU-Institutionen übermitteln. Mit der Verabschiedung und Veröffentlichung der RTS im EU-Amtsblatt wird für das dritte bis vierte Quartal 2025 gerechnet. Somit gehen wir von einem Inkrafttreten der AAR-Reporting-Verpflichtungen am 31. Januar oder am 31. Juli 2026 aus.
Obwohl der aktuelle Plan noch Zeit zur Vorbereitung bietet, könnte die enge Frist zwischen der Verabschiedung und Veröffentlichung der finalen RTS und dem vorgesehenen initialen Reporting eine Herausforderung für betroffene Institute bedeuten. Denn sowohl die ESMA als auch die EU-Kommission forcieren eine möglichst schnelle Umsetzung.
Welche Gegenparteien betroffen sind
Die AAR-Compliance betrifft finanzielle Gegenparteien wie Banken oder Versicherungen als auch klassische Unternehmen (nicht finanzielle Gegenparteien), die aufgrund ihres großen Bestandes an außerbörslichen Derivaten der Clearing-Pflicht unter EMIR unterliegen. Zusätzliches Kriterium ist ein Bruttonominalwert von mehr als drei Milliarden Euro in einer oder mehreren der nachfolgend aufgeführten Derivatekategorien.
Sobald eine Gegenpartei von der Anforderung, ein aktives Konto zu unterhalten, betroffen ist, hat sie dies der ESMA sowie ihrer jeweils zuständigen Behörde mitzuteilen und innerhalb von sechs Monaten ein Konto bei einer EU-CCP einzurichten.
Aufgrund des Schwellenwerts ist für alle Marktteilnehmer eine kontinuierliche und umfassende Überwachung der Derivatepositionen essenziell. Bei Überschreiten des Limits von drei Milliarden Euro müssen Finanzinstitutionen in kürzester Zeit ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen. Daher empfiehlt sich bereits im Voraus eine Aggregation innerhalb der folgenden Unterkategorien.
Zahlreiche Unterkategorien von Derivaten: Welche Produkte betroffen sind
Die EU-Kommission misst bestimmten Transaktionen Systemrelevanz bei und möchte diese möglichst dem Clearing innerhalb der Union bei einem EU-CCP unterziehen. Transaktionen in den folgenden Derivatekategorien werden als systemrelevant eingestuft: auf Euro oder polnische Zloty lautende OTC-Zinsderivate sowie auf Euro lautende kurzfristige Zinsderivate. Die Kommission behält sich ausdrücklich vor, die Liste zu erweitern.
Innerhalb der Derivatekategorien werden nun verschiedene Derivateklassen definiert, zum Beispiel die gängigsten Zinsderivate wie Fixed-to-Float, Interest Rate Swaps (IRS) oder Forward Rate Agreements.
Auf Basis der so entstehenden Matrix aus Derivatekategorien und -klassen sind die Marktteilnehmer nun dazu angehalten, Unterkategorien anhand der Dimensionen Laufzeit und Handelsgröße zu bilden. So ergeben sich bis zu 46 Unterkategorien mit sehr spezifischen Merkmalen wie auf Euro lautende IRS mit einer Laufzeit von 5 bis 10 Jahren und einer Handelsgröße von 25 bis 50 Millionen Euro.
Die drei Säulen des AAR-Reportings
Marktteilnehmer müssen gemäß EMIR 3.0 also verpflichtend ein aktives Konto bei einer EU-CCP führen. Die Meldepflicht dazu umfasst drei Säulen: Die erste Säule stellt die Berichterstattung über das aggregierte Portfolio an aktiven Derivaten des meldenden Instituts und dessen Besicherung dar. Die Grundlage dafür bilden im Wesentlichen die Meldedaten aus der bereits seit längerem bestehenden Meldepflicht für Derivategeschäfte nach Artikel 9 der EMIR.
Die zweite Säule gibt Auskunft über die operative Fähigkeit des meldenden Instituts, Derivate auch tatsächlich über ein EU-CCP clearen zu können. Die Institute müssen hierzu beispielsweise ein funktionsfähiges Konto bei einem EU-CCP sowie damit verbundene vertragliche Clearing-Vereinbarungen nachweisen.
Darüber hinaus müssen sie auch die tatsächliche operative Nutzung dieses Kontos aufzeigen und in der Lage sein, kurzfristig alle neuen Geschäfte seit Inkrafttreten von EMIR 3.0 darüber clearen zu können.
Zur Sicherstellung der operativen Fähigkeit zum Clearing müssen regelmäßig technische und funktionale Stresstests durchgeführt werden. Dazu wurden in EMIR 3.0 sowohl ein System- als auch ein Accounttest spezifiziert. Der Systemtest mündet in einer unterzeichneten schriftlichen Erklärung, die bestätigt, dass das Konto der Gegenpartei die Kapazität besitzt, um bis zu dreimal das nominale ausstehende Volumen der Derivatkontrakte zu clearen, die in den letzten zwölf Monaten abgewickelt wurden. Ein erfolgreicher Account-Test muss vom EU-CCP bestätigt werden.
Die dritte Säule der AAR-Compliance ist nur für große systemrelevante Marktteilnehmer mit einem Bruttonominalwert geclearter Derivate von mehr als sechs Milliarden Euro relevant. Sie umfasst die sogenannte Repräsentativitätspflicht: Betroffene Institute, die Derivate über zentrale Kontrahenten von erheblicher systemischer Bedeutung mit Sitz außerhalb der EU clearen, müssen nachweisen, dass sie in den relevantesten Unterkategorien solcher Derivateklassen auch eine Mindestanzahl an Derivaten über eine EU-CCP clearen, um damit ihre operative Fähigkeit zum Clearing genau dieser Derivate sicherzustellen.
Meldeformat und Abgabe der Meldung
Zum Meldeformat wurden bislang noch keine konkreten Vorgaben gemacht. Diese werden mit der Konkretisierung durch die europäische Aufsicht (Level-3-Guidance) erwartet und beinhalten neben Datenstandards und -formaten auch konkrete Methoden und Regelungen zur Berichterstattung.
Aktuell wird angenommen, dass ein Excel-Template analog zur Selbstanzeige aus der EMIR verwendet wird. Bis zur weiteren Klärung der Informationskanäle mit der ESMA können die Informationen per E-Mail bei der BaFin als Meldeadressatin eingereicht werden.
AAR-Reporting: Wer von der Meldepflicht befreit ist
Gegenparteien, die gruppenweit schon jetzt mindestens 85 Prozent ihrer relevanten Derivate bei einem EU-CCP clearen, sind von der Meldepflicht befreit. Diese Ausnahme soll Marktteilnehmer ermuntern, relevante Derivate verstärkt bei EU-CCPs zu clearen.
Um von der Pflicht befreit zu sein, müssen Marktteilnehmer aber sicherstellen, dass sie die Schwelle nicht unterschreiten. Die Herausforderung besteht darin, die Clearingaktivitäten so zu strukturieren, dass die Befreiungsvoraussetzungen erfüllt werden, ohne die operative Effizienz zu beeinträchtigen.
Auswirkungen auf Markt und Marktteilnehmer
Die Einführung von EMIR 3.0 und das Reporting zur AAR-Compliance wird vor allem die Clearingaktivitäten von Asset Managern, Privat- und Spezialbanken für relevante Derivate in die EU verlagern.
Die geforderten Maßnahmen – aktive EU-CCP-Konten, Mindestclearing, Stresstests und Pflichtdokumentationen – führen zu einer deutlichen Steigerung der Clearingfähigkeit von Derivaten auf Einzelinstituts- und Marktebene und stellen somit auch bei spontanen und signifikanten Marktverwerfungen die Funktionsfähigkeit des Marktes sicher.
Obwohl das Delegieren der Meldungen rechtlich nicht ausgeschlossen ist, ist sie praktisch kaum umsetzbar. Denn für das Bestimmen der wichtigsten Unterkategorien sind aggregierte Daten erforderlich. Eine delegierte Meldung wäre nur dann möglich, wenn eine Gegenpartei ihre Clearing-Geschäfte exklusiv bei einem Clearing-Broker abwickelt.
Ein weiterer Effekt wird die vollständige Transparenz von größeren Akteuren durch die erweiterten Offenlegungspflichten im Rahmen der Repräsentativitätspflicht sein. Bei den betroffenen Marktteilnehmern sorgt das für einen erheblichen Mehraufwand.
Meldequalität wird steigen – vollständiger Datenbestand als Voraussetzung
Durch die Wiederverwendung der Datengrundlage aus den Meldungen nach EMIR (Artikel 9) für das AAR-Reporting wird sich die Meldequalität verbessern. Marktteilnehmer müssen aber sicherstellen, dass sie über einen vollständigen und umfassenden Datenbestand verfügen, um die Datenaggregation im Rahmen der AAR-Compliance erfolgreich durchführen zu können.
Eine aufbauorganisatorische Aufteilung der einzelnen Pflichten aus der EMIR 3.0 ist zur Sicherstellung der Compliance für die Meldepflicht, für den Nachweis der operativen Bereitschaft zum Clearing, für die Durchführung von Testgeschäften und für das regelmäßige Stresstesting, unvermeidlich.
Ein typisches Setup sieht vor, dass die Meldung im Backoffice erfolgt, während Kontrolle und Mindestclearing im Frontoffice stattfinden, gegebenenfalls bei der Überwachung der Derivatepositionen unterstützt durch das Risikocontrolling, das auch die Führung bei den Stresstests übernimmt.
Aufgrund der Natur der Compliance-Meldung lässt sich diese nicht in bestehende automatisierte Meldelösungen einfügen, wie zum Beispiel die EMIR-Transaktionsmeldung. Daher sind entweder manuelle Prozesse oder eine separate Automatisierung notwendig. Das aktive EU-CCP-Konto erfordert darüber hinaus unter Umständen einen zusätzlichen Aufwand im Collateral Management.
Jetzt die eigenen Clearing-Aktivitäten analysieren und auf Start im Jahr 2026 vorbereiten
Das Inkrafttreten von EMIR 3.0 und speziell das Reporting zur AAR-Compliance fordert von Marktteilnehmern eine umfangreiche Anpassung der internen Prozesse und Systeme. Die Analyse der eigenen Clearingaktivitäten entlang der drei beschriebenen Derivatekategorien und die Anbindung an EU-CCPs zur Erfüllung der Mindestanforderungen sind essenziell.
Außerdem sollte geprüft werden, ob eine Vorbeugungsstrategie, bei der 85 Prozent der relevanten Produkte über eine EU CCP abgewickelt werden, sinnvoll sein kann, um eine neue Meldepflicht zu vermeiden. Mit Blick auf den Fristablauf im Juni ist ein unmittelbarer Start der initialen Analyse und der Konzeption erforderlich. Wer jetzt nicht handelt, riskiert nicht nur regulatorische Sanktionen, sondern auch einen Wettbewerbsnachteil.