Wechsel unter EZB-Aufsicht: Was Banken beim Onboarding beachten sollten

Als bedeutendes Institut gelten besondere Aufsichtsanforderungen.

Keyfacts:

  • In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht die Europäische Zentralbank die Liste der von ihr direkt beaufsichtigten Institute.
  • Banken, die neu unter die direkte Aufsicht fallen, stehen vor der Aufgabe, umfangreiche neue Anforderungen zu erfüllen.
  • Der Aufbau von Meldeprozessen und Stresstest-Kapazitäten ist im Onboarding-Prozess mit großem Aufwand verbunden.

Für Banken ist es ein großer Schritt, als bedeutendes Institut (Significant Institution, SI) eingestuft zu werden und damit unter direkter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) zu stehen. Seit der Einführung des Single Supervisory Mechanism (SSM) 2014, des europäischen Bankenaufsichtssystems unter der Leitung der EZB, sind immer wieder Banken erfolgreich in den Kreis der SIs aufgenommen worden.

Aktuell (Stand 1. September 2025) werden 113 Institute direkt von der EZB beaufsichtigt, vor zwei Jahren waren es nur 109. Aber es fallen, zum Beispiel durch Fusionen und Übernahmen, auch immer wieder Institute aus der Liste – diese umfasste zum Start 2014 noch 120 direkt beaufsichtigte Institute.

Wann fallen Banken unter die direkte Aufsicht der EZB?

Das Hauptkriterium ist die Größe des Instituts gemessen an seiner Bilanzsumme. Die Gründe für das Überschreiten des Schwellenwertes können verschieden sein: organisches Wachstum, Fusionen oder Änderungen der Eigentumsverhältnisse.

Für Banken, die neu unter direkte EZB-Aufsicht fallen, ist die Einstufung als SI nicht nur eine Frage der Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorschriften, sondern bedeutet einen tiefgreifenden Wandel im Tagesgeschäft, in der Kultur und in der Strategie.

KPMG European Central Bank Office - Advisory Services

Auf der englischsprachigen Homepage des KPMG-ECB-Office finden Sie Informationen und Lösungen für den Umgang mit dem Aufsichtsansatz der EZB im Rahmen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM).

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Welche Kriterien legt die EZB für SIs an?

Typischerweise erfolgt der Übergang von der nationalen zur EZB-Aufsicht dann, wenn die Bilanzsumme einer in der EU ansässigen Bank oder einer EU-Tochtergesellschaft einer internationalen Bank die Schwelle von 30 Milliarden Euro überschreitet.

Allerdings kann auch eines der übrigen Kriterien für SIs dazu führen. Es gilt: Ist eines der Kriterien für SIs erfüllt, übernimmt die EZB die direkte Aufsicht. Diese lauten aktuell:

  • Größe: eine Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro
  • Wirtschaftliche Bedeutung: für einen bestimmten Mitgliedstaat oder die EU insgesamt
  • Grenzüberschreitend: Gesamtvermögen von mehr als 5 Milliarden Euro und grenzüberschreitende Aktiva oder Passiva von mehr als 20 Prozent
  • Lokale Bedeutung: eine der drei führenden Banken in einem bestimmten Mitgliedstaat
  • Öffentliche Unterstützung: Beantragung oder Erhalt von Mitteln aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) oder der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)
  • Ermessensspielraum der EZB: Die EZB kann jederzeit beschließen, eine Bank als SI einzustufen.

Das EZB-Onboarding: Welche Schritte müssen Banken als SI absolvieren?

Für neue SIs besteht die erste große Hürde in der Regel darin, das Comprehensive Assessment zu absolvieren. Allerdings kann die direkte Aufsicht durch die EZB bereits vor Beginn der umfassenden Bewertung beginnen.

Das Comprehensive Assessment ist ein finanzieller Gesundheitscheck für Banken und soll sicherstellen, dass die Banken angemessen kapitalisiert und in der Lage sind, makroökonomischen und finanziellen Schocks zu widerstehen. Es umfasst:

  • Überprüfung der Qualität der Aktiva (Asset Quality Review, AQR): Das AQR ist ein sehr gründliches und ressourcenintensives Verfahren, das zuletzt einige methodische Änderungen erfahren hat. Es wird als Gesundheitscheck der Bankbilanzen angesehen, und die Durchführungsphase besteht aus zehn Arbeitsblöcken, die sich auf ausgewählte Portfolios konzentrieren.
  • Stresstest: Eine SI wird höchstwahrscheinlich mit anderen direkt beaufsichtigten Banken in die Stichprobe für den aufsichtlichen Stresstest aufgenommen. Die Ergebnisse werden auch veröffentlicht. Vorbereitung, Durchführung, Einreichung und Nachbereitung dauern in der Regel etwa ein Jahr.

In Ad-hoc-Fällen kann die EZB sowohl einen AQR als auch einen Stresstest mit demselben Stichtag durchführen, und die Ergebnisse werden zur gleichen Zeit veröffentlicht.

EZB-Stresstest 2026: Neue Methodik und geopolitische Risiken

Der EZB-Stresstest 2026 rückt erstmals geopolitische Risiken in den Mittelpunkt. Banken müssen ein individuelles Extremszenario entwickeln – und selbst bewerten, wie sich geopolitische Schocks auf Kapital, Liquidität und Risikoexponierung auswirken. Die neue Methodik erfordert eine frühzeitige Auseinandersetzung mit Szenario-Design, Governance-Strukturen und Datenprozessen.

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Welche Aufsichtsanforderungen SIs noch erfüllen müssen

So aufwändig es auch ist – das Comprehensive Assessment ist nur ein Teil der EZB-Aufsicht. Bedeutende Institute müssen auf Dauer neue Compliance-Kapazitäten schaffen, die es ihnen ermöglichen, die Anforderungen der EZB zu erfüllen. Dazu gehören die folgenden:

  • Der jährliche Supervisory Review and Evaluation Process (SREP), der das Risikoprofil der Banken aus vier Hauptperspektiven bewertet: Governance und Risikomanagement, Kapitalrisiken, Liquiditätsrisiken und Bewertung des Geschäftsmodells
  • Zusätzliche aufsichtsrechtliche Meldeanforderungen wie beispielweise die Short Term Exercise, die eine detaillierte vierteljährliche Berichterstattung über Kreditrisiko, Marktrisiko, das Zinsrisiko im Anlagebuch, die Rentabilität, Liquidität und Finanzierung verlangt.
  • Andere regelmäßige Aktivitäten wie der jährliche ICAAP- und ILAAP-Berichtszyklus, der alle zwei Jahre stattfindende EBA/EZB-Stresstest und die jährliche Vorlage des Sanierungsplans.
  • Ad-hoc-Aktivitäten wie Vor-Ort-Prüfungen (On-site Inspection, OSI), interne Modelluntersuchungen, thematische Überprüfungen, gezielte Überprüfungen und Deep Dives.
  • Zunehmend strengere Offenlegungs- und Berichtspflichten, einschließlich verstärkter FINREP- und COREP-Meldungen

Die größten Veränderungen für Institute, die von nationaler in EZB-Aufsicht wechseln

Die direkte Aufsicht durch die EZB stellt jede SI vor besondere Herausforderungen. Die Compliance-Kapazitäten internationaler Banken sind oft in der Zentrale konzentriert, und den EU-Tochtergesellschaften fehlt es mitunter an einschlägigem Fachwissen oder vollständig delegierten Befugnissen. Darüber hinaus hat die EZB ihr Augenmerk verstärkt darauf gerichtet, dass die beaufsichtigten Unternehmen ihre lokalen Fähigkeiten beibehalten, um „leere Hüllen“ zu vermeiden.

Im Gegensatz dazu können einheimische Banken in der EU zwar von lokalen Kenntnissen profitieren, haben aber oft mit begrenzten Budgets und wenig Erfahrung mit der anspruchsvollen EZB-Aufsicht zu kämpfen.

Das erfordert, dass die Banken ausreichende Substanz, Entscheidungsbefugnisse und Kontrollfunktionen innerhalb der EU-Einheit selbst nachweisen. Von Bedeutung ist das insbesondere im Rahmen der EBA-Leitlinien zur internen Governance – sie unterstreichen, dass eine klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten, unabhängige Kontrollfunktionen und eine lokale Aufsicht wichtig sind.

Unabhängig von den jeweiligen Umständen zählen für neue SIs die folgenden Punkte zu den größten Veränderungen, die ihr neuer Status mit sich bringt:

  • Anpassung an tiefere und umfassendere regulatorische Anforderungen, die häufig zu Überschneidungen von Aktivitäten und Projekten führen.
  • Förderung des kulturellen Wandels, zum Beispiel für die ganzjährige Zusammenarbeit mit den gemeinsamen Aufsichtsteams in Englisch, Französisch oder Deutsch.
  • Erfüllen der Kommunikationserwartungen der EZB – zum Beispiel an Kommunikationswege, Berichtsformate und Reaktionszeiten.
  • Verbesserung von Data-Governance-Standards, -Rahmenwerken und -Prozessen, um die erweiterten Berichtsanforderungen und die Grundsätze des BCBS 239 zu erfüllen
  • Sicherstellung der Koordination und Konsistenz zwischen verschiedenen Funktionen – einschließlich Risiko, Finanzen, Compliance, Technik, Daten und Strategie – und verschiedenen Managementebenen.
  • Anpassung von Geschäfts- und Buchungsmodellen, um den Erwartungen der EZB an die lokale Ausführung Rechnung zu tragen – das schließt Beschränkungen für die umgekehrte Abwicklung und Anforderungen an den Nachweis ein, dass wesentliche Risiken dort gemanagt werden, wo sie ihren Ursprung haben.
  • Stärkung der internen Governance-Praktiken – zum Beispiel durch detailliertere Vorstandsprotokolle, gut dokumentierte Entscheidungsprozesse.

Ein Plan auf der Basis der Erfahrungen aus dem Markt

Insgesamt umfasst der Übergang in den SI-Status in der Regel einen zweijährigen Zyklus von Aktivitäten, die Tausende von Arbeitstagen von hochqualifizierten Mitarbeitern erfordern. Ein detaillierter Plan ist entscheidend für das Festlegen von Prioritäten in wichtigen Bereichen – unsere Auswahl stützt sich auf die jüngsten Erfahrungen anderer Institute:

  • Einrichtung einer zentralen Projektaufsicht und eines speziellen EZB-Büros für Aufsichtsangelegenheiten, das die Aktivitäten koordiniert, eine einheitliche Kommunikation sicherstellt und als zentraler Ansprechpartner für die gemeinsamen Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams) fungiert.
  • Entwickeln einer umfassenden Daten-Roadmap, um Rahmenwerke und Prozesse mit den Grundsätzen des BCBS 239 in Einklang zu bringen und sicherzustellen, dass die risiko-, finanz- und aufsichtsrechtlichen Meldungen konsistent, zuverlässig und prüfungsbereit sind.
  • Gründliche Vorbereitung auf den AQR mit vorbereitenden Dry Runs, das Identifizieren von Datenlücken und den Aufbau interner Kapazitäten für die Auswahl von Portfolios, Stichproben und Collateral Data Reviews
  • Durchführen von detaillierten Gap-Analysen und Dry Runs für den ersten Stresstest, um die internen Teams mit den EZB-Methoden vertraut zu machen, die Datenaggregationskapazitäten zu verbessern und die Governance- und Validierungsprozesse zu üben
  • Aufbau oder Ausrüstung der aufsichtsrechtlichen Meldesysteme, insbesondere für FINREP und COREP, um die hohen Erwartungen der EZB an die Datenqualität, die Aktualität und den Abgleich zwischen den Meldeströmen zu erfüllen

Parallel dazu sollten sich die Banken auch auf den Aufbau eines nachhaltigen Governance-Modells, die Stärkung von Second-Line-Funktionen und die Verankerung einer proaktiven Aufsichtskultur in der gesamten Organisation konzentrieren.

Als SI unter direkter EZB-Aufsicht: Der Beginn einer neuen Ära

Frühzeitige Investitionen in diese Fähigkeiten erleichtern nicht nur den Übergang, sondern positionieren die Bank auch für eine stärkere und widerstandsfähigere Leistung unter der langfristigen Aufsicht der EZB.

Banken, die von Anfang an transparent handeln und eine solide Unternehmensführung an den Tag legen, werden die Erwartungen der Aufsicht besser erfüllen und das Vertrauen der Märkte erhalten können.

Der Übergang vom Status „weniger bedeutend“ (Less significant Institution, LSI) zu „bedeutend“ (SI) ist für jede Bank eine große Hürde. Es handelt sich dabei weniger um einen einmaligen Prozess – es ist vielmehr der Beginn einer neuen Ära.

Während der SSM in sein zweites Jahrzehnt eintritt, können neu benannte SIs wertvolle Lehren aus den Erfahrungen der Institute ziehen, die bereits unter EZB-Aufsicht stehen. Gründliche Vorbereitung, kulturelle Anpassungsfähigkeit und eine proaktive Aufsichtsstrategie sind für den Erfolg unerlässlich.