Finanzkennzahlen – Pflicht und Kür
Finanzkennzahlen – Pflicht und Kür
Alternative Leistungskennzahlen im Fokus
Die Unterteilung der Finanzkennzahlen in einem Wertpapierprospekt in Pflicht und Kür hätte zur Folge, dass die Pflicht aus den Zahlen besteht, die unmittelbar von den Rechnungslegungsvorschriften vorgegeben sind. Diese beinhalten beispielsweise Umsatzerlöse, Bilanzsumme und Jahresüberschuss. Das sind Pflichtangaben jedes Wertpapierprospekts.
Die alternativen Leistungskennzahlen oder Alternative Performance Measures (APM) hingegen sind die Kür in den Wertpapierprospekten, da diese Finanzkennzahlen nicht unmittelbar von den Rechnungslegungsvorschriften vorgegeben sind. Das Ziel von Unternehmen ist es, mit diesen Kennzahlen nützliche Informationen für Investoren zu liefern und das Verständnis über das erreichte Ergebnis zu verbessern. Auch über ein sogenanntes bereinigtes Ergebnis wird gerne berichtet.
Eingeschränkte Vergleichbarkeit und unklare Definition
Die Praxis zeigt, dass Unternehmen hier Zahlen wählen, die Ergebnis und Geschäftsentwicklung möglichst positiv und attraktiv aussehen lassen. Dazu gehören Kennzahlen wie EBIT (Earnings Before Interest & Taxes), EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) und der Free Cash Flow – von Kritikern auch gerne als „earnings before bad stuff“ betitelt: ein um alle unschönen Effekte bereinigtes Jahresergebnis. Bei den Empfängern von Wertpapierprospekten lässt sich damit vermeintlich ein positiver Eindruck erzeugen.
Da die alternativen Leistungskennzahlen nicht unmittelbar von den Rechnungslegungsvorschriften vorgegeben sind, führte dies zu einer hohen Flexibilität hinsichtlich der Definition dieser Finanzkennzahlen sowie deren Darstellung. In der Vergangenheit waren fehlende Klarheit über deren Ermittlung und auch eine eingeschränkte Vergleichbarkeit zwischen den Erfolgszahlen verschiedener Unternehmen die Folge.
Der Missbrauch von Kennzahlen soll durch ESMA-Leitlinien verhindert werden
Im Juli 2016 sind durch die die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) veröffentlichte Leitlinien in Kraft getreten, die die Verwendung von alternativen Leistungskennzahlen regulieren sollen. Ein zusätzlich von der ESMA veröffentlichtes Fragen- und Antworten-Papier wurde im Oktober 2017 um weitere Fragen ergänzt. Die Regulatoren achten verstärkt bei der Billigung von Wertpapierprospekten auf den Missbrauch solcher Kennzahlen und die Einhaltung der ESMA-Leitlinien.
Die ESMA-Leitlinien definieren APMs als Finanzkennzahlen der vergangenen oder zukünftigen finanziellen Leistung, Finanzlage oder Cashflows, die nicht in den verpflichtend anzuwendenden Rechnungslegungsvorschriften definiert oder ausgeführt sind. Eine solchen Finanzkennzahl ist bei Verwendung klar verständlich zu definieren, sowie adäquat und aussagekräftig zu bezeichnen. Der zusätzliche Informationsgehalt, der durch Verwendung einer solchen Finanzkennzahl geboten wird, ist klar darzulegen. Die ESMA-Leitlinien verlangen, dass die APMs zu den betreffenden Abschlussposten übergeleitet werden, inklusive entsprechender Vergleichswerte für die Vorjahre. APMs dürfen nicht mehr gegenüber Finanzkennzahlen, die direkt aus den Abschlüssen entnommen werden können, vorangestellt oder überbetont werden. Zu beachten ist auch auf die Stetigkeit der Definitionen und Berechnungen. Sollten ehemals veröffentlichter APMs geändert werden oder gar wegfallen, ist dies darzulegen und zu begründen.
Es drohen Konsequenzen bei Nichtbeachtung der ESMA-Leitlinien
Die Regulatoren fordern den Emittenten dazu auf, die Leitlinien in Wertpapierprospekten einzuhalten, wenn diese nicht beachtet werden. Es besteht die Möglichkeit für die Regulatoren, die Billigung des Prospekts zu verweigern, wodurch die gesamte Kapitalmarkttransaktion gefährdet wäre. Auch für die Lageberichterstattung, z.B. im Rahmen der Berichterstattung über finanzielle Leistungsindikatoren, sind die ESMA-Leitlinien für kapitalmarktorientierte Unternehmen bedeutsam. Im Rahmen von Enforcement-Verfahren achtet die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) auf die sachgerechte Darstellung von APMs in den Lageberichten. Es ist frühzeitig ein besonderes Augenmerk auf die Interdependenzen zu richten, da die im Lagebericht verwendeten APMs häufig in Wertpapierprospekten aufgenommen werden. Es hat sich gezeigt, dass sich seit Inkrafttreten der ESMA Richtlinien die Qualität der Darstellung alternativer Finanzkennzahlen deutlich verbessert hat. Diese Kennzahlen werden in den Wertpapierprospekten transparenter, einheitlicher und somit auch nachvollziehbarer verwendet.