Die bisherigen Verschiebungen haben den Banken mehr Zeit gegeben, ihre internen Prozesse und Systeme anzupassen, gleichzeitig aber auch den Zeitraum verlängert, in dem alte und neue Ansätze parallel betrieben werden müssen. Dies hat den operativen und personellen Aufwand in den letzten Jahren bei einigen Häusern deutlich erhöht.
Der Maßnahmenkatalog der Kommission
In der Konsultation vom November schlägt die EU-Kommission gezielte Erleichterungsmaßnahmen („Targeted Relief“) und Kapitalmultiplikatoren vor, die einerseits die operative Bürde für Anwender der neuen Marktpreisrisikoansätze mindern und andererseits die Kapitalanforderungen senken sollen. Dies sind die verschiedenen Kategorien:
1. Umfassende Absenkung der Kapitalanforderung
Die EU-Kommission möchte sicherstellen, dass die Umstellung auf FRTB keine zu großen Kapitalauftriebe für europäische Banken verursacht. Sie greift dazu zu einem drastischen Schritt: der pauschalen Reduktion der Kapitalanforderung um einen Multiplikator. Die Konsultation schlägt verschiedene Kalibrierungsansätze vor, aus denen dieser Multiplikator abgeleitet werden kann.
Die diskutierten Varianten zeigen den Versuch, einen Wert für den Multiplikator zu finden, der die Auswirkungen von FRTB auf die Kapitalanforderungen von Banken begrenzt, aufwandsarm kalibrierbar und zugleich risikosensitiv ist. Dementsprechend differenzieren die Varianten die Kalibrierung stufenweise – von einem industrieweiten Wert für alle Banken über ansatzspezifische Faktoren bis hin zu einem für jede Bank über drei Jahre immer wieder individuell kalibriertem Multiplikator.
Insbesondere letztere Lösung würde den Auftrieb durch FRTB passgenau ausgleichen, aber den kostenintensiven Parallelbetrieb der alten und neuen Ansätze noch weiter verlängern. Es ist daher zu erwarten, dass die Konsultationsrückmeldungen eine einmalige Kalibrierung favorisieren.
2. Operative Erleichterungen sowie gezielte Senkungen des Kapitalbedarfs
Diese Maßnahmen sollen die Anforderungen für die Anwender der neuen Marktpreisrisikoansätze im Regelprozess reduzieren. Dazu gehören Erleichterungen bei den Kriterien für die Fondsdurchschau und die Verwendung des Tests zur Gewinn- und Verlustzuordnung lediglich als Überwachungsinstrument.
Weitere Maßnahmen zielen darauf ab, die Kapitalanforderungen für bestimmte Instrumente oder Sachverhalte zu senken. So könnten beispielsweise bestimmte Instrumenteigenschaften vom Aufschlag für Restrisiken ausgenommen werden. Die Vorschläge basieren weitgehend auf dem Konsultationsentwurf vom Januar 2025, wurden in Details wie der Berücksichtigung von Constant-Maturity-Swap-Merkmalen ergänzt.
Zudem wird der vorgeschlagene Multiplikator zur Berücksichtigung der Diversifikation über Assetklassen, zu dem im Januar nur für den FRTB-Standardansatz (SA) konsultiert wurde, auf den vereinfachten Standardansatz (S-SA) ausgeweitet. Diese Erweiterung würde den Kapitalauftrieb durch die in FRTB enthaltenen Assetklassen-spezifischen Skalierungsfaktoren für den S-SA dämpfen.
Operative Erleichterungen sind besonders relevant für zukünftige Institute mit internen Modellen, die durch eine reine Reduzierung der FRTB-Kapitalanforderung kaum Ersparnisse realisieren können, da sie den risikoartenübergreifenden Output Floor bereits stark ausschöpfen. In diesem Fall kann die gesamthafte Kapitalanforderung nur noch geringfügig sinken, und reduzierte Kosten für den Modellbetrieb rücken stärker in den Fokus.
Nächste Schritte der Konsultation
Die EU-Kommission sammelt Rückmeldungen von Marktteilnehmern bis zum 6. Januar 2026. Danach wird ein delegierter Rechtsakt der EU-Kommission erwartet. Die Rückmeldungen werden sich auf Vorschläge für weitere zu prüfende Erleichterungsmaßnahmen und die operative Machbarkeit der Ansätze für einen Multiplikator der Kapitalanforderung fokussieren. Um die Auswirkungen abzuschätzen, sollten Banken eine ausreichende Transparenz über die Treiber ihrer Kapitalanforderungen unter FRTB herstellen. In der Zeit bis zum automatischen Auslaufen der Targeted-Relief-Maßnahmen wird der Gesetzgeber voraussichtlich zusätzlich prüfen, ob einzelne der Maßnahmen durch den Gesetzgeber permanent gemacht werden sollten. In diesem Fall blieben der EU vier Jahre Zeit, um eine entsprechende Anpassung der CRR zu verabschieden.
Noch ein Jahr bis FRTB – was jetzt zu tun ist
Die Anpassungen des Konsultationsentwurfs lösen voraussichtlich keinen großen Umsetzungsaufwand in den Banken aus. Das entscheidende Zieldatum bleibt der Start von FRTB am 1. Januar 2027.
Alle produktiven Rechen-, Überwachungs-, Reporting- und Pflegeprozesse müssen im verbleibenden Jahr also für den Ernstfall bereit gemacht werden – für sie sind keine Targeted-Relief-Maßnahmen vorgesehen. Die Aufsicht legt zunehmend Wert auf die praktische Belastbarkeit der Prozesse nach der Einführung. Im Juli hat die EZB den ihren Leitfaden „Guide to Options & Discretions“ aktualisiert, der die Aufsichtspraxis in Bezug auf Wahlmöglichkeiten und Aufsichtsanträge detailliert. Dort finden sich bereits klare Ansätze zur Vereinfachung der Anträge und Überwachungsprozesse, zum Beispiel in Bezug auf die Zuordnung von Geschäften zum Anlagebuch oder die Verwendung alternativer Sensitivitäten. Offenbar wird die Gefahr einer Überforderung sowohl von Marktteilnehmern als auch von Behörden gesehen. Auch der aktualisierte „EZB Guide To Internal Models“ konkretisiert die Erwartungen an zukünftige Nutzer interner Marktpreisrisikomodelle.
Seit Erscheinen der CRR3 haben bereits einige Vor-Ort-Prüfungen (On-site Inspections, OSI) europäischer Banken, die den FRTB-SA implementieren, durch die EZB stattgefunden. In diesen Prüfungen legte die Aufsicht wesentlichen Wert auf die Nachvollziehbarkeit und Analysierbarkeit der Ergebnisse, die Weiterentwicklung und Validierung sowie auf die Systemverarbeitung im FRTB-Kontext und auf die Governance von FRTB.
Aus den Leitfäden und den bisherigen Prüfungen zeichnet sich ab, dass die Aufsicht den FRTB-Standardansatz als sehr nah an einem internen Modell einstuft. Die sich daraus ergebenden Anforderungen an Governance, Datenqualität und Datenverfügbarkeit liegen damit mutmaßlich höher als bei regulatorischen Standardansätzen anderer Risikoarten.
Betrieb unter FRTB: Architektur und Prozesse weiterentwickeln
Das Inkrafttreten von FRTB in der EU bedeutet für Banken daher nicht das Ende des Transformationsprozesses. Für den Betrieb des Handelsbuchs unter FRTB, der deutlich mehr Pflege und Aufsichtskontakt erfordert als bisher, bleiben Weiterentwicklungen der Marktpreisrisiko-Architektur und -Prozesse unerlässlich. Andernfalls drohen Ineffizienzen im Betrieb und Feststellungen in kommenden Aufsichtsprüfungen.
Für Banken, die von einem internen Modell auf den FRTB-Standardansatz übergehen, zerfällt die bisher einheitliche Marktpreisrisikosicht in eine ökonomische und eine regulatorische Perspektive. Bei unzureichender Transparenz über das Marktpreisrisiko drohen Zielkonflikte. Daher sollten Banken jetzt schon Chancen zur Harmonisierung und Komplexitätsreduktion identifizieren, um Marktpreisrisiko auch in der neuen FRTB-Welt integriert steuern zu können und ihr Eigenkapital effizient einzusetzen.
Dieser Text ist unter Mitwirkung von Friedrich Golbing entstanden.