Klarheit für Wertpapierinstitute: BaFin startet Konsultation zu WpI MaRisk

Klarheit für Wertpapierinstitute: BaFin startet Konsultation zu WpI MaRisk

Was ändern die neuen Vorgaben der Aufsicht für kleine und mittlere Institute?

Keyfacts:

  • Der neue BaFin-Entwurf „Mindestanforderungen an das Risikomanagement für Wertpapierinstitute“ (WpI MaRisk) legt erstmals ein eigenständiges Risikomanagement-Regelwerk für Wertpapierinstitute vor.
  • Das Proportionalitätsprinzip ermöglicht Erleichterungen für mittlere und insbesondere kleinere Institute und stärkt die Anbindung an europäische Vorgaben.
  • Die Übergangszeit bis zur finalen Fassung bietet die Chance, Strukturen gezielt zu überprüfen und anzupassen.

Seit Ende Juni 2021 besteht mit der IFR (Investment Firms Regulation) und der IFD (Investment Firms Directive) ein separates Aufsichtsregime für Erbringer von Wertpapierdienstleistungen im Finanzsektor. Dieses wurde auf europäischer Ebene eingeführt, um den Besonderheiten des Geschäftsmodells und Risikoprofils von Wertpapierinstituten besser Rechnung zu tragen.

Mit dem nationalen Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) wurden entsprechende Unternehmen – zuvor etwa als Finanzdienstleistungsinstitute oder Wertpapierhandelsbanken zugelassen – aus dem Anwendungsbereich des Kreditwesengesetzes (KWG) und den MaRisk für Kreditinstitute herausgelöst.

Während große Wertpapierinstitute weiterhin den Regelungen für Kreditinstitute folgen, mussten kleine und mittlere Institute seitdem vorübergehend die bankenorientierten MaRisk (BA) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) „sinngemäß“ anwenden. In der Praxis führte dies zu unterschiedlichen Interpretationen zwischen Instituten, Prüfern und Aufsicht.

Mit der Veröffentlichung eines Entwurfs des neuen Rundschreibens „Mindestanforderungen an das Risikomanagement für Wertpapierinstitute“ (WpI MaRisk) im August 2025 schafft die BaFin nun erstmals ein eigenständiges Regelwerk für das Risikomanagement kleiner und mittlerer Wertpapierinstitute.

Ziel ist eine praxisnahe und flexible Ausgestaltung, die dem Proportionalitätsprinzip folgt, Ermessensspielräume öffnet und die Vorgaben europäischer Regelwerke wie IFD und EBA-Leitlinien aufgreift.

Was ist neu – und was fällt weg? Ausgewählte Änderungen im Überblick:

1. Risikotragfähigkeit

Die Berücksichtigung einer dezidierten ökonomischen und normativen Perspektive wird nicht mehr verlangt. Die Anwendung des Leitfadens zur Risikotragfähigkeit ist zudem heute schon nicht für Wertpapierinstitute verpflichtend.

Die Berechnung der Risikotragfähigkeit wird zukünftig von mittleren Wertpapierinstituten entlang der drei Risikoklassen „Risk to Firm“, „Risk to Client“, sowie „Risk to Market“ gefordert und ist damit stringent zu den bekannten Anforderungen des K-Faktormodells der Investment Firm Regulation (IFR). Mit den neuen Begrifflichkeiten in der Säule 2 wird somit an der schon bestehenden Risikoterminologie des WpIG beziehungsweise der IFR in Säule 1 angeknüpft. Es müssen zusätzlich explizit weitere Risiken sowie auch ESG-Risikotreiber berücksichtigt werden.

Chancen:

  • Vereinfachung der Risikotaxonomie für alleinstehende Institute
  • Harmonisierung mit dem K-Faktormodell erleichtert die regulatorische Komplexität
  • Weitestgehende Methodenfreiheit bei der Wahl der Verfahren

Herausforderungen:

  • Mapping der „neuen“ Risikoarten gemäß WpI-MaRisk auf die „alten“ Risikoarten für eine harmonisierte Gruppensteuerung bei Instituten, die einer Kreditinstituts- oder Versicherungsgruppe angehören
  • Bei allen anderen Wertpapierinstituten: Überprüfung des Risikomanagementprozesses hinsichtlich der Abbildung der „neuen“ Risikoarten, von der Durchführung der Risikoinventur über die Risikobewertung bis hin zur internen und externen Risikoberichterstattung
  • Identifikation und Bewertung von ESG-Risikotreibern unter Berücksichtigung der gegebenenfalls schwierigen Datenverfügbarkeit und den Besonderheiten des eigenen Geschäftsmodells

2. Kapitalplanung

Die bisherige Trennung in normative und ökonomische Perspektive entfällt folglich auch hier – ein Schritt, der viele Institute entlastet. Stattdessen wird eine integrierte Kapitalplanung verlangt, die auch adverse Szenarien berücksichtigt. Das Ziel ist eine realistische und zukunftsorientierte Einschätzung der Kapitalausstattung unter verschiedenen Marktszenarien, die auch mit der Geschäftsstrategie sowie der operativen Geschäftsplanung in Einklang steht.

Chancen:

  • Vereinfachung der Kapitalplanung, insbesondere durch den Entfall der ökonomischen Sicht
  • Setzen frühzeitiger strategischer Impulse durch das Risikomanagement mithilfe klug gewählter (Stress-)Szenarien und Planungsprozesse

Herausforderungen:

  • Überleitung der bisherigen Planung in die angepasste WpI MaRisk-Welt
  • Bewertung der wesentlichen Risiken aus der Risikoinventur hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die zukünftige Vermögens- und Ertragslage
  • Erhöhte Komplexität in Konzernstrukturen mit Banken, die eine übergreifende, konsistente Kapitalplanung erfordern

3. Risiko einer ungeordneten Abwicklung

Im derzeitigen Entwurf werden Anforderungen an eine (un)geordnete Abwicklung konkretisiert. Kleine und mittlere Wertpapierinstitute müssen hierzu grundsätzlich das Risiko einer ungeordneten Abwicklung analysieren. Ausgangspunkte hierfür finden sich bereits im WpIG sowie in den EBA-Leitlinien zum SREP-Verfahren für Wertpapierinstituten. Es ist zu prüfen, dass im Falle der Krisensituation einer Abwicklung oder Einstellung der Geschäftstätigkeit ausreichend Mittel in Bezug auf den Zeitplan der Abwicklung, die Eigenmittel und die liquiden Mittel im gesamten Prozess vorhanden sind.

Chancen:

  • Die Analyse der Auswirkung einer geordneten Abwicklung kann Impulse für das Risikomanagement sowie für ein effizientes Krisen- sowie Kommunikationsmanagement setzen.
  • Stärkung des Kundenvertrauens

Herausforderungen:

  • Erweiterung der Risikoinventur um die Betrachtung des Risikos einer ungeordneten Abwicklung
  • Erhöhter Aufwand durch die Definition von Abwicklungsszenarien, die unkontrollierte, negative Auswirkungen auf Kunden, Gegenparteien und Märkte zur Folge haben
  • Ressourcenbindung für die Durchführung der Planung einer geordneten Abwicklung

4. Rolle der besonderen Funktionen

Die organisatorischen Mindestanforderungen an die zweite und dritte Verteidigungslinie bleiben bestehen: Risikomanagement, Compliance und Interne Revision sind weiterhin analog der MaRisk (BA) verpflichtend und als besondere Funktionen hervorgehoben. Allerdings erlaubt die doppelte Proportionalität eine flexible Ausgestaltung – je nach Größe, Geschäftsmodell und Risikoprofil des Instituts. Das schafft Spielraum für effiziente Lösungen. So ist es zum Beispiel explizit möglich, die Rolle des Compliance-Beauftragten mit anderen Rollen beziehungsweise Leitungsfunktionen zu kombinieren, sofern Interessenkonflikte vermieden werden.

Dagegen spezifiziert der Entwurf des Rundschreibens, dass eine vollständige Auslagerung der besonderen Funktionen nur innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und des eigenen Konsolidierungskreises möglich ist. Es ist davon auszugehen, dass dies die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit von Tochterunternehmen mit Muttergesellschaften in Drittstaaten stärken soll.

Chancen:

  • Effizienzsteigerung durch flexible und praxisnahe Governance-Strukturen
  • Reduktion der Anzahl von Beauftragten bei gleichbleibender regulatorischer Konformität

Herausforderungen:

  • Gefahr der Unterbesetzung oder Interessenkonflikte bei Personalunion
  • Anforderungen an Dokumentation und Nachweis der Proportionalität steigen
  • Risiko der Unterschätzung von Kontrollbedarfen in komplexeren Geschäftsmodellen

Neue Anforderungen als Chance nutzen

Die neue Regulatorik bringt nicht nur Mehraufwand – sie bietet auch Chancen. Der Entwurf der WpI MaRisk zielt auf eine passgenaue Umsetzung, die sich an der tatsächlichen Komplexität des Instituts orientiert – vom aktiven Handelsbuchinstitut bis zum kleineren Vermögensverwalter. Wer frühzeitig handelt, kann Prozesse optimieren, regulatorische Kosten steuern und dennoch die Impulse eines zugeschnittenen Risikomanagements aufnehmen und regulatorisch konform gestalten. Damit wird eine höhere Prüfungssicherheit erreicht. Im Lichte der neuen Anforderungen werden noch bestehende Feststellungen aus Jahresabschluss- oder Sonderprüfungen gegebenenfalls in Teilen neu bewertet werden müssen.

Frühzeitiges Handeln lohnt sich

Wertpapierinstitute, die heute schon die MaRisk für Kreditinstitute vollumfänglich erfüllen, sind grundsätzlich gut gerüstet, da gerade im allgemeinen Teil (AT) des Rundschreibens eine starke Orientierung an den bestehenden MaRisk erfolgt. Aufgrund der für Wertpapierinstitute jedoch im besonderen Teil (BT) spezifizierten Anforderungen an Organisation und Risikomanagementprozesse können sich bisherige Ermessensspielräume verengen und in Teilen auch neue Handlungsfelder entstehen. Dies gilt insbesondere für die rund 70 mittleren Wertpapierinstitute in Deutschland. Auch sehr kleine Wertpapierinstitute müssen einen pragmatischen Weg der Umsetzung jetzt konkreter Anforderungen finden, weil sie trotz zahlreicher Ermessensspielräume nur von einigen Themen grundsätzlich befreit werden.

Die WpI MaRisk sind ein klarer Schritt in Richtung differenzierter Aufsicht. Der Entwurf knüpft an dem bereits Ende Dezember 2024 zirkulierten Eckpunktepapier von BaFin und Deutscher Bundesbank an. Wertpapierinstitute und Verbände sollten sich jetzt im Interesse ihrer Mitgliedsinstitute aktiv in den Konsultationsprozess einbringen und die finale Fassung gestalten.

Bis zum 19. September 2025 besteht die Möglichkeit der Rückmeldung im Konsultationsverfahren. Der Erstanwendungstermin ist noch nicht festgelegt. Die Übergangszeit bis zur Veröffentlichung einer finalen Fassung sollte genutzt werden, um die bestehenden Strukturen zu überprüfen und gezielt anzupassen.