Das Problem mit dem Greenwashing: Wie gelingen grüne Fonds?

So schützen sich Fondsanbieter vor Diskussionen um die Auswahl von Assets

Keyfacts:

  • Fondsanbieter waren zuletzt immer häufiger mit Vorwürfen von Greenwashing konfrontiert.
  • Greenwashing-Vorwürfe entstehen vor allem dann, wenn Ziele und Ergebnisse nicht im Einklang miteinander stehen.
  • Eine leistungsfähige Governance beugt der Gefahr von Vorwürfen vor – sie schafft eine gute Grundlage für die definierten Ziele und stellt ihre Messbarkeit sicher.

Einige Asset Manager in Deutschland sind derzeit mit Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert: Verbraucherschützer, Nachhaltigkeitsorganisationen und andere Interessengruppen werfen den Anbietern vor, bei der Beschreibung ihrer nachhaltigen Fonds mehr zu versprechen, als diese tatsächlich leisten.

In der Diskussion fallen teils deutliche Worte – von möglichen Täuschungsversuchen ist gar die Rede. Und da zu den kritisierten Fondsgesellschaften auch große Anbieter zählen, steigt das Risiko von Reputationsverlusten für die gesamte Branche.

Umgruppierung von Artikel-9-Fonds auf Artikel-8-Fonds

Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Zahl und Intensität von Greenwashing-Vorwürfen haben in den vergangenen Monaten viele Anbieter ihre nachhaltigen Fonds innerhalb der von der EU-Offenlegungsverordnung vorgegebenen Kategorien umgruppiert. Aus zahlreichen sogenannten dunkelgrünen Fonds (Artikel-9-Fonds) sind so hellgrüne Fonds (Artikel-8-Fonds) geworden. Denn die Offenlegungsverordnung schreibt vor, dass dunkelgrüne Fonds explizite Nachhaltigkeitsziele verfolgen müssen, zum Beispiel eine Reduktion von CO2-Emissionen oder soziale Verbesserungen. Dagegen müssen hellgrüne Fonds lediglich ökologische und/oder soziale Aspekte berücksichtigen. Für Anleger:innen bedeutet das: Sie sind ohne aktive Umschichtung plötzlich in weniger nachhaltige Finanzprodukte investiert. Oder sie müssen unter Umständen feststellen: Sie waren es möglicherweise nie.

Zu erwarten ist, dass sich solche Umgruppierungen von Artikel 9 auf Artikel 8 in den kommenden Monaten fortsetzen werden. Denn die Interpretationsspielräume, die die Offenlegungsverordnung bei ihrem Inkrafttreten im März 2021 noch eröffnete, sind durch Klarstellungen der europäischen Aufsichtsbehörden und der EU-Kommission immer kleiner geworden und es kommen immer mehr neue Anforderungen hinzu.

Enger Zusammenhang: Greenwashing-Vorwürfe und das ESG-Ambitionsniveau

Analysiert man die Greenwashing-Vorwürfe, die in den letzten Monaten gegen die Fondsbranche in Deutschland erhoben wurden, so zeigt sich: Das Risiko, Opfer von Greenwashing-Vorwürfen zu werden, steht in einem engen Zusammenhang mit dem ESG-Ambitionsniveau und der damit zusammenhängenden Außenwahrnehmung des Asset Managers. Fondsanbieter mit einem niedrigen ESG-Ambitionsniveau zählen nur selten zu den Adressaten von Greenwashing-Vorwürfen, ebenso wie Gesellschaften, bei denen Nachhaltigkeit zu den Alleinstellungsmerkmalen gehört.

Denn diese Gesellschaften werden von der Öffentlichkeit entweder als wenig ESG-orientiert wahrgenommen und bieten so nur eine geringe Angriffsfläche. Oder sie vermitteln aufgrund ihrer langjährigen Ausrichtung auf Nachhaltigkeitsziele den Eindruck, über historisch gewachsene und sehr leistungsfähige Governance-Systeme zu verfügen – und tun dies oft auch.

In den meisten Fällen betreffen die Vorwürfe daher Anbieter, die ESG als Chance, aber nicht als Kerngeschäftsziel sehen, und Gesellschaften, die in ihrer Außenwahrnehmung zukünftig zu den führenden Anbietern nachhaltiger Fonds gehören wollen. Erstere verfügen häufig nicht über die notwendigen Governance-Systeme, da die entsprechenden Prozesse und Ressourcen nicht im Gleichschritt mit den Marketing- und Vertriebsambitionen mitgewachsen sind. Letztere hinken in ihren Strukturen in Bezug auf Verantwortlichkeiten, Prozesse und Kontrollen nicht selten ihrem Anspruch hinterher und stehen aufgrund ihrer beabsichtigten Positionierung am Markt zudem unter erhöhter öffentlicher Aufmerksamkeit.

Governance und Daten machen den Unterschied

Greenwashing-Vorwürfe lassen sich in vielen Fällen darauf zurückführen, dass zwischen dem ESG-Ambitionsniveau des Fondsanbieters und seinen Governance-Strukturen und -Prozessen Lücken klaffen. Um Vorwürfen vorzubeugen, sollten sich Fondsgesellschaften daher vor allem die Frage stellen, ob sie über ausreichend leistungsfähige Systeme verfügen, die die erforderliche Messbarkeit der in den nachhaltigen Fonds definierten Ziele sicherstellen, und ob diese Strukturen und Prozesse entsprechend den regulatorischen Anforderungen kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Die Gefahr besteht, dass diese Frage leichtfertig mit „Ja“ beantwortet wird, um die steigende Nachfrage nach grünen Fonds bedienen und sich dem verfolgten ESG-Ambitionsniveau entsprechend im Markt positionieren zu können. Doch die Zeiten, in denen Nachhaltigkeitsanforderungen mit qualitativen und vergleichsweise unverbindlichen Aussagen begegnet werden konnten, sind vorbei.

Gerade von Gesellschaften mit höheren ESG-Ambitionen wird erwartet, dass sie nicht nur die Messbarkeit der definierten Ziele sicherstellen, sondern sich auch intensiv mit der Datenqualität auseinandersetzen und überzeugende Lösungen für den Umgang mit fehlenden oder wenig validen Daten entwickeln.

Lose Versprechungen oder echtes Commitment

Asset Manager sollten daher kritisch hinterfragen, ob das von ihnen verfolgte ESG-Ambitionsniveau mit der Leistungsfähigkeit der eigenen Organisation – insbesondere mit Blick auf Governance-Anforderungen – überhaupt in Einklang zu bringen ist und welche Anpassungen gegebenenfalls notwendig sind.

Hinweise dazu kann eine ESG-Readyness-Analyse liefern. Dabei kommt der Messbarkeit aller definierten Ziele eine herausragende Bedeutung zu: Sie ist der zentrale Schlüssel dazu, Greenwashing-Vorwürfen zu begegnen oder diese eben gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Wie Asset Manager eine leistungsstarke Governance etablieren und auf diesem Weg verhindern, dass die formulierten ESG-Ziele und die Ergebnisse bei der Asset-Auswahl auseinanderklaffen, erfahren Sie im zweiten Teil dieses Artikels mit dem Titel „Greenwashing: Eine leistungsstarke Governance beugt Reputationsrisiken vor.“

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Sustainable Finance und ESG

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Sustainable Finance

Mit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals (SDGs) und des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen das wohl ehrgeizigste Projekt der Menschheitsgeschichte auf den Weg gebracht: Die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

Bei dieser Transformation kommt dem Finanzsektor eine herausragende Bedeutung zu. Denn mit seiner Hilfe lassen sich Kapitalströme in nachhaltige Investitionen lenken und Anreize für ein nachhaltigeres Handeln setzen. Außerdem wird so Nachhaltigkeit zu einem integralen Bestandteil des Risikomanagements und die Transparenz von Finanz- und Wirtschaftsaktivitäten deutlich erhöht.

Um diese Hebelwirkung des Finanzsektors für die gewünschte nachhaltige Transformation zu nutzen, hat die Europäische Kommission 2018 den EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verabschiedet. Er hat in Verbindung mit der EU-Taxonomie und einer Vielzahl weiterer Gesetze und Verordnungen – insbesondere zur ESG-Berichterstattung (Environment, Social, Governance) – dazu geführt, dass Finanzdienstleister zahlreiche Prozesse umgestalten und ihre Produktangebote neu ausrichten müssen. Dabei sind zahlreiche Entscheidungen zu treffen, die tiefgreifende Veränderungen nach sich ziehen und erhebliche Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg und das Geschäftsmodell haben.

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