Sustainable Finance und ESG

ESG-Datenmanagement: Banken müssen ein Haus mit unfertigen Plänen bauen

ESG-Daten werden für Banken zum Erfolgsfaktor – Standards sind im Fluss

Banken müssen ihr Datenhaus mit immer mehr Zimmern ausstatten. Neben der konventionellen Risikoanalyse und finanziellen Kennziffern wie Bilanzvolumen und Ertrag sollen die Geldinstitute auch Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte, die Auswirkungen auf die Gesellschaft sowie die Unternehmensführung (englisch: Environmental, Social, Governance – kurz ESG) ihres Produktportfolios untersuchen und bewerten. Die ESG-Vorgaben fordern Banken in einem Maße heraus, das heute nur teilweise abzuschätzen ist: Während der veränderte Blick auf das Kundenportfolio bereits fachlich und datentechnisch umgesetzt werden muss, entwickeln sich die Marktstandards und die genauen Ausprägungen der ESG-Bewertungskriterien ständig weiter.

Marktstandards entwickeln sich – Druck von allen Seiten

Erlasse der EU-Behörden, die einen ESG-Regulierungsrahmen entwickeln und sukzessive veröffentlicht werden, wie etwa die EU-Taxonomie und die „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD), sind ebenso zeitnah zu erfüllen wie die Anforderungen, die das Basel-Komitee für Bankenaufsicht in den „Principles for the effective management and supervision of climaterelated financial risks“ (BCBS 530) stellt. Zusätzlichen Druck erzeugen institutionelle Anleger, Ratingagenturen und nicht zuletzt die Gesellschaft: Die Finanzbranche ist gefordert, die Transformation der Realwirtschaft aktiv zu begleiten. Auch das nimmt Einfluss auf Regularien und Marktstandards und sorgt für rasche Veränderungen. Die Erweiterungen im Datenhaus müssen also erfolgen, während die Architekten noch an den Bauplänen feilen.

Datenanforderungen sind umfangreich, vielschichtig und bauen sich über die Zeit auf

Betrachtet man die Datenanforderungen, die sich per heute bis 2025 bereits herauskristallisieren, sind gesamthaft über 1.000 mögliche Datenfelder zu erwarten. Als besonders datenintensiv sind hierbei die Klassifizierungsthemen (SDG – Sustainable Development Goal – und EU-Taxonomie), hier ist insbesondere die Breite des Produktspektrums ein Treiber. Darüber hinaus ist zu entscheiden, ob Banken die Klassifizierungsergebnisse genügen oder ob der Nachweis zur Klassifizierungsentscheidung nachvollzogen werden muss. Als weitere Herausforderungen sind CO2-Daten zu sehen, wobei hier auch CO2-Accounting und Dekarbonisierung auf unterschiedliche Daten (Footprint vs. Intensitäten) abzielen. Betrachtet man die Überschneidungen bzw. Abhängigkeiten zwischen den einzelnen ESG-Disziplinen, reduzieren sich die Datenanforderungen auf etwa die Hälfte. Die dritte große Herausforderung bildet die perspektivische Weiterentwicklung der CSRD zum aktuell vorliegenden Batch 1. Es werden hohe Synergien mit den bestehenden Datenanforderungen erwartet, allerdings zeichnet sich in den noch folgenden Batches ein signifikanter Anstieg der Datenanforderungen ab.

Warum Datenbeschaffung ein zentraler Erfolgsfaktor für die ESG-Umsetzung wird

Für ein ESG-orientiertes Risiko-Scoring oder Klassifizierungen nach SDG oder EU-Taxonomie liegen die notwendigen Datenanforderungen zum überwiegenden Teil nicht im heutigen Betrachtungshorizont von Banken. Kurzfristig sollten sie sich mit dem Kauf von Daten behelfen, um frühzeitig Erfahrungen in der ESG-Steuerung zu sammeln. Langfristig sind die Kreditinstitute jedoch gut beraten, ESG-Daten als integralen Bestandteil des Kundendialogs zu verstehen und Datenanforderungen auf diesen Punkt im Kreditprozess auszurichten. Gleichzeitig müssen sie auch entscheiden, für welche Teile des Bestandsportfolios eine Nacherfassung notwendig erscheint.

Mit diesen Herausforderungen eröffnen sich für Banken neue Chancen: Ein aktives Vorgehen mit offener Kommunikation kann Banken zum idealen Transformationsbegleiter machen und so die Kundenbindung erheblich stärken. Die Kunst wird sein, taktische und strategische Datenbeschaffung und -verarbeitung zunächst parallel anzugehen und mit den gewonnenen Erfahrungen nach und nach in neuen Geschäftsprozessen zusammenzuführen.

Wie sich der neue Datenpool organisatorisch und funktional verorten lässt

Für die Integration der verschiedenen ESG-Vorgaben in die Infrastruktur der Bank sind die einzelnen architektonischen Handlungsfelder herauszuarbeiten und unter fachlicher, prozessualer und technischer Abwägung in die bestehende Architektur zu integrieren. Auch ein bewusstes Initiieren neuer technischer Lösungen sollte hierbei berücksichtigt werden. Dabei geht es beispielsweise um:

  • Prozesse und Funktionen für Geschäftsentscheidungen wie ESG-Scoring oder SDG-Klassifizierung
  • Prozesse und Funktionen für die interne Steuerung, darunter Risikobewertung, Portfolio-Simulation, interne Stresstests und CO2-Accounting. Letzteres ist ein gutes Beispiel für Funktionen, die in Banken neu geschaffen werden müssen
  • ein externes Reporting etwa hinsichtlich EU-Taxonomie oder CSRD

Mit Blick auf den fachlichen Wirkungsbereich von ESG, von den Marktbereichen bis zum Meldewesen, bietet sich eine zentrale ESG-Evidenzstelle an, die gegebenenfalls auch virtuell die ESG-Zusammenhänge orchestriert und die zentrale ESG-Datenbewirtschaftung betreut. Dies erfordert wiederum zahlreiche Begleitprozesse, um Themen wie Datenanlandung und -harmonisierung, Qualitätssicherung und Analysefähigkeit zu adressieren. Das Ziel ist, eine erweiterte und zusammenhängende Sicht auf das Kundenportfolio und die eigenen Projekte zu gewinnen, um damit den Einfluss auf ESG transparent messbar zu machen.

Integration in die Bankensteuerung

Um diese Ziele zu erreichen, müssen Einflussfaktoren wie ESG-Risiken und CO2-Fußabdruck mit bestehenden, steuerungsrelevanten Schlüsselindikatoren verzahnt werden. Für Banken bedeutet das Pionierarbeit in mehreren Handlungsfeldern. So müssen zeitnah ESG-Daten extern zugekauft werden, um Erfahrungen für eine langfristige Strategie zu sammeln. Die Datenanforderungen müssen nach außen transparent gemacht und die Kunden frühzeitig in den Dialog über ESG-Daten eingebunden werden. Banken müssen die neuen Daten zudem in eine übergreifende Steuerungssicht überführen und sich Transparenz über Wirkungsweisen im aktuellen Portfolio verschaffen. Und sie müssen ESG-Daten sinnvoll in ihren Architekturen und Prozessen verorten. Eine vergleichbare Perspektivenerweiterung hat es bei den Geldinstituten noch nie gegeben.
Was jedem Häuslebauer bewusst ist, gilt auch hier: Die Mühe, es ordentlich zu machen, zahlt sich aus. Denn so entsteht ein Haus ohne Konstruktionsfehler, in dem alles seinen Platz hat und jedes Zimmer zu einem harmonischen Zuhause beiträgt.

 

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Sustainable Finance

Mit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals (SDGs) und des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen das wohl ehrgeizigste Projekt der Menschheitsgeschichte auf den Weg gebracht: Die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

Bei dieser Transformation kommt dem Finanzsektor eine herausragende Bedeutung zu. Denn mit seiner Hilfe lassen sich Kapitalströme in nachhaltige Investitionen lenken und Anreize für ein nachhaltigeres Handeln setzen. Außerdem wird so Nachhaltigkeit zu einem integralen Bestandteil des Risikomanagements und die Transparenz von Finanz- und Wirtschaftsaktivitäten deutlich erhöht.

Um diese Hebelwirkung des Finanzsektors für die gewünschte nachhaltige Transformation zu nutzen, hat die Europäische Kommission 2018 den EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verabschiedet. Er hat in Verbindung mit der EU-Taxonomie und einer Vielzahl weiterer Gesetze und Verordnungen – insbesondere zur ESG-Berichterstattung (Environment, Social, Governance) – dazu geführt, dass Finanzdienstleister zahlreiche Prozesse umgestalten und ihre Produktangebote neu ausrichten müssen. Dabei sind zahlreiche Entscheidungen zu treffen, die tiefgreifende Veränderungen nach sich ziehen und erhebliche Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg und das Geschäftsmodell haben.

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