ESG & Marktpreisrisiken

Praktische Ansätze zur Berücksichtigung von Klimarisiken in der Marktpreisrisikomessung

Keyfacts:

  • Jetzt und in Zukunft gilt es, Environmental-, Social-, und Governance-Faktoren (ESG) als Standard im Risikomanagement von Banken zu verankern. Das betrifft neben dem Kreditrisiko auch das Marktpreisrisiko.
  • Noch bestehen keine Marktstandards und es gibt wenig Erfahrungen in der Messung und Steuerung von Marktpreisrisiken im Zusammenhang mit ESG.
  • Aus unserer Projekterfahrung bietet sich eine pragmatische Umsetzung unter Berücksichtigung von fünf konkreten Schritten an.
  • Die größte Herausforderung ist die Beschaffung der benötigten ESG-Daten.

Eines der drängendsten Themen unserer Zeit ist die Bekämpfung des Klimawandels und der damit verbunden Auswirkungen. Aus diesem Grund sollten ESG-Ziele (Environmental, Social, Governance) in der Unternehmensführung bei Banken und Finanzdienstleistern hoch priorisiert werden.

Ein wesentlicher Teil zur Einhaltung dieser Nachhaltigkeitsziele ist insbesondere die Messung und Steuerung von Klima- und Umweltrisiken. Hierbei lag der Fokus bei Banken bisher vor allem auf der Messung von Kreditrisiken.

Klima- und Umweltrisiken auch im Marktpreisrisiko relevant

Neben Kreditrisiken sind aber auch andere Risikoarten, insbesondere Marktpreisrisiken, relevant. Grundsätzlich kann im Kontext von Klima- und Umweltrisiken auch beim Marktpreisrisiko zwischen physischen Risiken und Transitionsrisiken unterschieden werden.

Beide Risiken wirken auf Marktpreisrisikopositionen in erster Linie direkt über eine durch den Klimawandel herbeigeführte nachteilige, teils abrupte Veränderung bestehender Marktrisikofaktoren und deren Volatilitäten. Insbesondere die Risikofaktoren Kredit-Spread und Aktienkurs sind hierbei betroffen. Demgegenüber wirken Klima- und Umweltrisiken auf Zinsen oder Wechselkurse sekundär.

Regulatorische Anforderungen und die Messung von ESG- & Marktpreisrisiken

Trotz des direkten Zusammenhangs von Klima- und Umwelteffekten auf das Marktpreisrisiko besteht branchenweit noch umfassender Nachholbedarf bei der Umsetzung und somit auch in der Messung und Steuerung dieser Risiken. Das ist überraschend, da die EZB bereits Ende 2020 allgemeine Erwartungen an die Messung von Marktpreisrisiken formuliert hat. Die allgemein gehaltenen Anforderungen umfassen dabei im Wesentlichen die folgenden Eckpunkte:

  • Angemessene Kapitalisierung durch Einbettung in die normative (z.B. periodische) und ökonomische (barwertige) ICAAP-Perspektive
  • Fokus auf Kredit-Spread- und Aktienkurs-/Beteiligungsrisiken
  • Anwendung von internen Stresstests mit Relevanz für das Handels- und Bankbuch
  • Einbettung in den Gesamtprozess zum Management von Klima- und Umweltrisiken.

Die Ergebnisse von ersten Vorortprüfungen zum Thema Nachhaltigkeitsrisiken durch die EZB und zahlreiche Veröffentlichungen durch die Aufsicht zeigen, dass der Fokus zunehmend auf andere Risikoarten, insbesondere das Marktpreisrisiko, gesetzt wird und somit der Druck auf eine Umsetzung in den kommenden Monaten zunimmt.

Pragmatischer Ansatz bei der Umsetzung

Es besteht jedoch die Herausforderung, dass es derzeit keine Marktstandards, Erfahrungswerte aus der Vergangenheit, ausreichend Daten oder konkrete regulatorische Vorgaben zur Umsetzung gibt. Im ersten Schritt empfehlen wir daher einen pragmatischen Ansatz, welcher bereits bestehende Systeme, Methoden und Daten einbezieht.

Zum Aufbau einer pragmatischen ESG-Marktpreisrisikomessung empfehlen wir einen fünfstufigen Ansatz:

  1. Auswahl der Risikomaße: Entscheidung, welche Kenngrößen für die Messung des Marktpreisrisikos verwendet werden sollten.
  2. Definition des Umfangs: Definition der Produkte und Risikofaktoren mit Klimarelevanz für das Marktpreisrisiko.
  3. Portfolioanalyse/Clusterung: Clusterung bezüglich Klimarisikoprofil in Bezug auf Gegenpartei, Emittent, Kunde und Instrument.
  4. Herleitung von Stressszenarien: Definition granularer institutsspezifischer Klima-Stressszenarien.
  5. Governance und Prozesse: Einbettung in den Gesamtprozess zum Management von Umweltrisiken

Herausforderungen in der Konzeption und Umsetzung

Bei der Wahl des Risikomaßes ist zu beachten, dass die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Marktpreise aktuell noch nicht am Markt direkt beobachtet werden können. Daher sollte der Fokus der Umsetzung bei der ökonomischen Risikomessung im ersten Schritt auf Exposure- und Sensitivitätsanalysen sowie, falls möglich, Stresstests liegen. Da Nachhaltigkeitsrisiken insbesondere auf Kredit-Spreads wirken, gibt es darüber hinaus eine große Überschneidung zu der Einführung der neuen EBA-Richtlinie zu CSRBB – Credit Spread Risk in the Banking Book, welche bis Ende 2023 umgesetzt werden muss. Eine zu CSRBB konsistente Umsetzung und Definition sollte unserer Meinung daher Ziel der Umsetzung sein. Dies trifft neben der ökonomischen insbesondere auch auf die periodische Risikomessung zu.

Unterscheidung von Transitionsrisiken und physischen Risiken

Um die unterschiedlichen Risikopotenziale in den eigenen Portfolien zu verstehen, sollte man diese entlang geeigneter ESG-Kriterien analysieren und untergliedern. Aufgrund des unterschiedlichen Wirkungskreises bietet sich hier wiederum ein getrenntes Vorgehen zwischen Transitionsrisiken und physischen Risiken an. Können beim transitorischen Risiko klassische Kriterien, wie etwa Jurisdiktion, Absatzmarkt, Branche und Geschäftsmodell, genutzt werden, welche beispielsweise um ESG-Kriterien (Taxonomien, ESG-Ratings etc.) ergänzt werden, müssen bei physischen Risiken auch neuartige Kriterien definiert und erhoben werden (z.B. Exposition des Geschäftsmodells gegenüber Klimaereignissen wie Dürre, Überschwemmung, Wind etc.).

Die Verfügbarkeit von ESG-Daten ist aus unserer Projekterfahrung dabei die größte Herausforderung bei der Umsetzung. Wichtig für eine Überleitung und eine konsistente Risikosteuerung ist, dass die verwendeten ESG-Informationen möglichst konsistent zu anderen Risikoarten, insbesondere zum Kreditrisiko, sind, Meist liegen die notwendigen Informationen aus dem Kreditrisiko aber nicht vor, da andere Kundentypen betrachtet wurden als beim Marktpreisrisiko. Daher ist eine deutliche Erweiterung der ESG-Daten für das Marktpreisrisiko bis hin zur Entwicklung von eigenen Methoden oder Approximationen notwendig. Diese Erweiterung ist unserer Erfahrung nach einer der größten Kosten- und Aufwandstreiber bei einer Umsetzung.

Bei einer Umsetzung haben sich im Ergebnis daher folgende Aspekte als kritische Erfolgsfaktoren erwiesen:

  • Pragmatische Umsetzung in kleinen Schritten und anschließende sukzessive Erweiterung bei enger Begleitung der Marktentwicklungen.
  • Eine enge Abstimmung mit anderen Risikoarten, insbesondere mit dem Kreditrisiko hinsichtlich Methodik, Daten und Prozessen.
  • Frühzeitiger Start mit der ESG-Datenbeschaffung inklusive einer nachhaltigen IT-Umsetzung, um Folgeaufwände zu minimieren.

Dieser pragmatische Ansatz stellt einen Startpunkt für sukzessive Weiterentwicklungen in den kommenden Jahren dar. Insbesondere die Verbesserung der Datenverfügbarkeit im ESG-Kontext sehen wir als einen klaren Katalysator bei der Erweiterung und Verfeinerung von Methodiken, IT-Systemen und Prozessen.

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