Rüstungsfinanzierung: Banken im ESG-Dilemma

Rüstung: Banken im ESG-Dilemma

Die aktuelle Debatte zeigt: Finanzinstitute müssen die Standards fortlaufend hinterfragen.

Keyfacts:

  • Deutschland diskutiert über höhere Rüstungs- und Verteidigungsausgaben.
  • Die Frage, ob die Finanzierung von Rüstungsgütern mit der sozialen ESG-Dimension vereinbar ist, manövriert Banken in ein Dilemma.
  • Sie sollten ihre Standards fortlaufend hinterfragen und möglichst flexibel sein, wenn es darum geht, Rüstungsunternehmen Kapital zur Verfügung zu stellen.

Ist alles, was nicht „grün“ ist, automatisch „braun“? In Deutschland wird darüber diskutiert, dass mehr Geld in Rüstungs- und Verteidigungsausgaben fließen soll. Ausgelöst durch die russische Invasion in der Ukraine und den Plan des Verteidigungsministers, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ auszustatten, befinden sich Banken in einem Dilemma bezüglich ihrer ESG-Thematik: Die Rufe nach Unterstützung für die Rüstungsindustrie werden laut. Wie sollen und können sich Banken und Asset Manager in dieser Situation mit Blick auf regulatorische Vorgaben und Stakeholder-Erwartungen verhalten? Oder anders formuliert: Sind Waffenhersteller grün?

Die Furcht vor Reputationsrisiken: (K)ein Hindernis

Aus Furcht vor der öffentlichen Wahrnehmung hatten einige Banken Kapitalflüsse in die Rüstungsindustrie zuletzt gekappt. Andere wiederum finanzieren keine Unternehmen, die einen Teil ihres Umsatzes mit kontroversen Waffen machen.

Doch die Zeiten haben den Blickwinkel auf die Finanzierung von Rüstung und Waffen geändert. Viele Deutsche befürworten Rüstungsexporte und eine stärkere Ausstattung für die Bundeswehr. Das hat zum einen die politische Debatte verändert. Zum anderen wirft es die Frage auf, ob die Finanzierung von Rüstung und Waffen mit dem “S” in ESG, also der Sozial-Taxonomie, konform ist.

Rüstungsfinanzierung neu denken 

Auch die Rüstungsindustrie fordert eine neue Herangehensweise von der Bankenbranche. Geldinstitute sollten einen differenzierten Umgang mit dem Thema Rüstung pflegen, da beispielsweise Defensivwaffen für die Wahrung der Demokratie und gesellschaftlicher Freiheitsrechte enorm wichtig seien, so argumentieren Vertreter:innen der Waffenhersteller.  Mit Erfolg: Schon vor der russischen Invasion in die Ukraine weichte der Experten-Rat der Europäischen Kommission die Formulierung im Abschlussbericht zur Sozial-Taxonomie auf.  

Die jüngsten Ereignisse bestärken die Rüstungsindustrie weiter: Wo zuvor Wirtschaftstätigkeiten von Unternehmen aus der Rüstungs-, Tabak- und Glücksspielindustrie grundsätzlich als „socially harmful“ (deutsch: sozial-schädlich) eingestuft waren, werden nach aktuellem Stand nur noch Wirtschaftstätigkeiten als „socially harmful“ eingeordnet, wenn es sich dabei um Waffen oder Kampfstoffe handelt, die nicht den internationalen Konventionen entsprechen. Dieser Umstand öffnet die Tür für Finanzinstitute, ihre Kreditvergabestandards zu überdenken.  

Debatten-Dynamik erfordert Flexibilität 

Leicht ist die gegenwärtige Situation für die Banken nicht. Die Debatte im gesamten ESG-Kontext ist äußerst dynamisch. Die Entscheidung vor zwei Jahren, Erdgas und Atomenergie in die grüne Taxonomie aufzunehmen, war und ist umstritten.

Ähnlich verhält es sich in der Diskussion um die Sozial-Taxonomie beziehungsweise den Abschlussbericht, der im Hinblick auf die Rüstungsindustrie gelockert wurde. Banken sollten sowohl die gesellschaftliche als auch die politische Perspektive einnehmen, um beim Umgang mit den eigenen Kreditvergabestandards Reputationsrisiken weiterhin zu minimieren.

Die jüngsten Entwicklungen haben dafür gesorgt, dass sich die öffentliche Wahrnehmung von Waffenherstellern verschoben hat. Eine Lockerung der Kreditvergabestandards der Finanzinstitute und eine damit verbundene Refinanzierung der Rüstungsunternehmen – zumindest für Defensivwaffen beziehungsweise auch Exporte an Nicht-Nato-Staaten – erscheint möglich und könnte sogar einen Reputationsgewinn bedeuten.

Weiterhin werden die aktuellen Ereignisse die Debatte um das Klassifizierungsmodell der Sozial-Taxonomie sicherlich beeinflussen und in neue Bahnen lenken. Das bedeutet für Banken in der gegenwärtigen Situation vor allem eines: Nachhaltigkeit und ESG verändert sich ständig. Finanzinstitute müssen Standards fortlaufend hinterfragen. In Sachen Rüstungsfinanzierung müssen Banken möglichst flexibel sein, um Unternehmen das notwendige Kapital zur Verfügung zu stellen.

Dennoch sollten die Finanzinstitute an ihrer Ausrichtung festhalten, Nachhaltigkeitskriterien zum Kern ihres Handelns zu machen. Denn auch die geopolitische Lage ändert nichts an der Tatsache, dass sich die Finanzbranche in eine nachhaltigere Zukunft aufmachen muss.

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