Wandel zur Nachhaltigkeit: Bilanzierung von grünen Finanzinstrumenten

Bilanzierung grüner Finanzprodukte

Neue Finanzprodukte wie Green Bonds erfordern eine Weiterentwicklung der Rechnungslegung.

Keyfacts:

  • Nachhaltige Finanzinstrumente wie etwa Green Bonds (grüne Anleihen) gewinnen zunehmend an Bedeutung.
  • Für Investoren stellt sich unter anderem die Frage, wie diese Produkte nach IFRS 9 (International Financial Regulation Standards für die Bilanzierung von Finanzinstrumenten) klassifiziert werden sollen.
  • Das International Accounting Standards Board (IASB) hat am 21. März 2023 einen ersten Entwurf mit Konkretisierungen u.a. zur Klassifizierung von nachhaltigen Finanzinstrumenten nach IFRS 9 sowie zu IFRS 7 (Anhangangaben zu Finanzinstrumenten) veröffentlicht.

    Egal ob mit Bezug auf die Nachhaltigkeitsfaktoren E (Environmental), S (Social) oder G (Governance): Die Ausrichtung an einer nachhaltigen oder „grünen“ Finanzierung gewinnt immer mehr an Bedeutung. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Auswirkung diese neuen Finanzprodukte – wie etwa Green Bonds – auf die Rechnungslegung bei Finanzdienstleistern haben. Wie sind sie im IFRS-Abschluss von Investoren und Emittenten zu erfassen? Denn aktuell gibt es keinen IFRS Standard, der sich speziell mit der Bilanzierung von „grünen“ Finanzierungen beschäftigt. Auf Basis der Ergebnisse des Post-Implementation Reviews des IASB wurde beschlossen, dass die bestehenden IFRS Standards, insbesondere der IFRS 9 und IFRS 7, für „grüne Finanzierungen“ entsprechend auszulegen sind. Im März 2023 wurde vom IASB nun daraus ableitend ein erster Entwurf zu den geforderten Konkretisierungen veröffentlicht.

    Arten „grüner“ Finanzierungsinstrumente

    Es gibt eine Vielzahl von „grünen“ Finanzierungen. Green Bonds bzw. grüne Anleihen sind wohl die am weitesten verbreiteten Finanzinstrumente. Sie lassen sich, wie auch die klassischen Anleihen, anhand der Emittenten in Staatsanleihen, Anleihen von Banken und Unternehmensanleihen unterteilen. Auch in Kreditverträgen werden vermehrt ESG-Komponenten berücksichtigt.

    Bei „grünen“ Finanzinstrumenten sind, in vielen Fällen, die Zinszahlungen an die Erreichung gewisser Nachhaltigkeitsziele gekoppelt. Hier spricht man von „Sustainability-linked Bonds“. Das heißt, wenn der Emittent die definierten ESG-Ziele nicht erreicht, muss er einen höheren Zinssatz an die Investoren zahlen.

    Bilanzierungsfragestellungen beim Investor nach IFRS

    Einfluss auf die IFRS 9-Klassifizierung

    Für Investoren stellt sich die Frage, ob diese Variabilität der Zahlungsströme einen Einfluss auf die IFRS 9-Klassifizierung hat. Vorausgesetzt eines der Geschäftsmodelle „Halten“ oder „Halten und Verkaufen“ ist beabsichtigt, ist die Erfüllung des SPPI-Kriteriums (solely payments of principal and interest) für die Klassifizierung ausschlaggebend.

    Bisher erfolgte die Analyse des SPPI-Kriteriums im Hinblick auf vertragliche ESG-Komponenten mit folgenden Fragestellungen:

      1. Auswirkung des Nachhaltigkeitsmerkmals. Soll heißen, ist eine „de minimis“ Auswirkung gegeben.
      2. Ist das Nachhaltigkeitsmerkmal ein Element der Verzinsung eines „Standardkreditvertrags“. Das wäre gegeben, wenn sich die ESG-bezogenen vertraglichen Zinsanpassungen in der Veränderung des Kreditrisikos des Finanzinstrumentes widerspiegeln.

    Nur wenn eine dieser Fragestellungen zu bejahen ist, würde ein „grünes“ Finanzinstrument, mit dem Geschäftsmodell „Halten“ oder „Halten und Verkaufen“, unter IFRS 9 erfolgsneutral bilanziert. Vorausgesetzt natürlich, dass die übrigen Vertragsmerkmale das SPPI-Kriterium erfüllen.

    Bisher handelt es sich bei den vertraglich eingebetteten ESG-Komponenten bei Finanzinstrumenten am Markt meist um zinsbezogene Merkmale, mit geringfügigen Anpassungen im Zinssatz. Solch geringe Unterschiede in den Zinsanpassungen haben die Möglichkeit eröffnet, die Zinsänderung als „de minimis“ zu betrachten. Das bedeutet die Auswirkungen des ESG-Elements werden als zu geringfügig angesehen, um die Erfüllung des SPPI-Kriteriums zu verletzen.

    Außerdem haben die Investoren versucht zu argumentieren, dass das ESG-Element eine direkte Korrelation zum Kreditrisiko des Finanzinstrumentes aufweist. Das heißt, wenn sich der vertragliche Zinssatz aufgrund der ESG-Komponente erhöht, müsste sich das Kreditrisiko des Finanzinstrumentes korrespondierend auch erhöhen. Das ist aber in vielen Fällen nur schwer nachzuweisen.

    Mit dem IASB-Entwurf zu IFRS 9 und IFRS 7 vom März 2023 wurde nun eine neue Sichtweise auf die Klassifizierung derartiger Finanzinstrumente etabliert. Dabei ist bei der Beurteilung der ESG-bezogenen Zahlungsstromkomponenten weniger auf die Wesentlichkeit und Korrelation zum Kreditrisiko abzustellen, sondern sich auf die Art des modifizierenden Ereignisses (z.B. Reduktion der CO2-Emissionen) zu konzentrieren. Eine Änderung in den vertraglichen Zahlungsströmen ist nach dem IASB-Entwurf dann SPPI konform, wenn die Ziele, die zu einer Zahlungsstrommodifikation führen, vertraglich definiert und Schuldner-spezifisch sind. Die Zahlungsströme dürfen jedoch weder ein Investment in den Schuldner darstellen noch von der Wertentwicklung bestimmter Vermögenswerte des Schuldners abhängig sein (IFRS 9.B4.1.10A im IASB-Entwurf).

    Im IASB-Entwurf in Abschnitt B4.1.13 wurde das „Instrument EA“ als Beispiel für ein „Green Loan“ ergänzt, dass das SPPI-Kriterium bzgl. der eingebetteten ESG-Komponente erfüllt; dabei ist die zinssatzbeeinflussende Treibhausgasemissionsreduktion für den Kreditnehmer spezifisch definiert und nicht von einem unspezifischen allgemeinen CO2-Preisindex abhängig (SPPI-schädliches Beispiel unter IFRS 9.B4.1.14 Instrument I im IASB-Entwurf).

    Einfluss auf die IFRS 9-Wertminderung

    ESG-Faktoren haben nicht nur einen Einfluss auf IFRS 9-Klassifizierung aber auch einen bedeutsamen Einfluss auf IFRS 9- Wertminderung. Klimabezogene Sachverhalte sind im Rahmen des Wertminderungstests für Finanzinstrumente zu berücksichtigen.

    Diese können sich auswirken auf:

      1. die Einschätzung des Kreditgebers hinsichtlich einer signifikanten Erhöhung des Kreditrisikos
      2. die Bewertung der erwarteten Kreditverluste

    In der Bemessung der erwarteten Kreditverluste sind ESG-bezogene Risiken (z.B. Auswirkung der Klimawandel), die entweder bereits auf den Kreditnehmer ausgewirkt haben oder voraussichtlich während der Laufzeit des Kredits auswirken werden, zu berücksichtigen.

    Bilanzierungsfragestellungen beim Emittenten nach IFRS

    Die Emittenten stehen vor einer anderen Herausforderung. Bei ESG-gebundenen Finanzierungen, finanzielle Verbindlichkeit beim Emittenten, ist zu prüfen, ob nach IFRS 9 ein eingebettetes Derivat vorliegt, das vom Basisvertrag getrennt werden muss. Dabei ist zu analysieren, ob die Definition eines Derivats nach IFRS 9 erfüllt ist und ob der Nachhaltigkeitsfaktor einen direkten oder indirekten Einfluss auf das Kredit(ausfall)risiko des Emittenten hat.

    Notwendige Anpassungen im IFRS 9

    Mit den jüngsten Konkretisierungen zu IFRS 9, schafft das IASB Unsicherheiten in der Klassifizierung von ESG-Instrumenten aus dem Weg.

    Es ist jedoch zu beachten, dass es sich bei der besagten IASB-Veröffentlichung zu IFRS 9 und IFRS 7 um einen ersten Entwurf handelt und es sich deshalb noch Änderungen ergeben können, bis die endgültige Version voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2023 vorliegen wird. Die Konsultationsfrist des Entwurfs läuft bis zum 19. Juli 2023.

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