Wer hat Angst vor’m digitalen Euro? Niemand! Aber, brauchen wir ihn?

Giralgeld-Token als weitere innovative Zahlart für die Industrie

Keyfacts:

  • Ein digitaler Euro der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte in drei Jahren Realität sein.
  • Den Anforderungen der Industrie an synchronisierte und autonome Zahlungsströme wird er aber nicht gerecht.
  • Für Geschäftsmodelle wie Pay-per-Use oder Zahlungen von Maschine zu Maschine könnte der Giralgeld-Token die Lösung sein.

Wettbewerb sorgt für Innovation: Angetrieben von privaten Initiativen wie Diem von Meta, dem Digital Yuan aus China oder US-amerikanischen Payments- und Kartenanbietern entschied sich die Europäische Zentralbank (EZB) vor etwas mehr als einem Jahr, ein Projekt zum digitalen Euro zu starten und dessen Einführung zu prüfen. Im Oktober 2021 begann die zweijährige Untersuchungsphase. Schon heute wissen wir mehr:

  • Der digitale Euro kommt (auch wenn formal noch nicht entschieden) und Banken wie Händler müssen ihn einführen.
  • Das zweistufige Bankenmodell bleibt davon (weitgehend) unberührt und Banken sollen ergänzend private Lösungen anbieten können.
  • Das initiale Design adressiert Privatkund:innen und lässt digitale Bedarfe für Unternehmen unberührt.

Wann kommt der digitale Euro?

Die EZB hat kürzlich in ihrem Fortschrittsbericht Inhalte und Zeitplan zur Einführung eines digitalen Euros präzisiert. So werden in den nächsten Monaten konkrete Design-Kriterien (zum Beispiel Prototypen, Technik, Rollen, Kompensation) veröffentlicht, bevor nächsten September der EZB-Rat final über die Einführung eines digitalen Euro entscheiden wird. Erste Bürger könnten im Herbst 2026 mit dem Digitalgeld zahlen. Parallel wird die Europäische Kommission schon nächstes Frühjahr einen Regulierungsentwurf einbringen.

Quelle: KPMG in Deutschland, 2022.

Der digitale Euro soll eine Ergänzung zu Bargeld und zu Zentralbankeinlagen sein. Das heutige Bargeld bleibt also bestehen. Auch das Thema Privatsphäre wird als fundamentales Recht bekräftigt. Allerdings liegt der Fokus zunächst auf den Anwendungsfällen Person-zu-Person, Kunde-zu-Handel (Ladenkasse/ E-Commerce) und Bürger-zu-Staat (zum Beispiel für Steuern, Subventionen). Die Hauptgründe für die Einführung eines digitalen Euros sind Zugang zu und Teilhabe an alltäglichen Zahlungen für alle Bevölkerungsschichten im Rahmen des digitalen Wandels.

Ein Bedenken der Banken hierbei war ein unkontrollierter Abfluss von Kundeneinlagen in Richtung EZB mit erheblichen Konsequenzen für die Refinanzierung. Das soll durch Steuerungsinstrumente wie vor allem einer Obergrenze von 3.000 Euro (aktueller Diskussionsstand) gesteuert werden. Ferner soll die Distribution des digitalen Euros über regulierte Finanzintermediäre erfolgen.

Ein Design für Geschäftsmodelle: das Feedback des Marktes

Politik und Bundesbank begrüßen die Initiative der EZB als Stärkung des europäischen Wettbewerbsraums. Aber es wird bemängelt, dass Anforderungen von Unternehmen damit nicht abgedeckt werden. Vertreter:innen des Handels befürchten auch einen Akzeptanzzwang mit entsprechenden Kosten.

Große Unternehmen schlagen in dieselbe Kerbe. Sie fordern ein Design, dass künftige Geschäftsmodelle wie „As-a-Service“-Nutzung und Bezahlungen von Industriemaschinen, Internet der Dinge oder Maschine-zu-Maschine-Zahlungen ermöglichen soll. Die Geschäftsbanken haben den Ruf vernommen und über ihre Verbände in diversen Positionspapieren unterstützend festgehalten. Sie wittern verständlicherweise hier die Möglichkeit, neue Geschäftsansätze zu entwickeln.

Giralgeld-Token – die Lösung für die Unternehmen?

Ein derzeit aktueller Ansatz ist der Giralgeld-Token, eine Initiative von DZ BANK, HypoVereinsbank, Commerzbank und HeLaBa. Die Deutsche Kreditwirtschaft hat gerade ein neues Whitepaper veröffentlicht, das nichts weniger im Blick hat als „die Weichenstellung für die Zukunft unseres Geldsystems“.

Die Arbeitsgruppe will auf dem digitalen Euro der EZB aufsetzen, neue Geschäftsmodelle entwickeln und weitere Anwendungsfälle ermöglichen: „Delivery-versus-Payment“ zum Ausschalten von Erfüllungs- und Zahlungsrisiko bei der Abwicklung von Zug-um-Zug-Geschäften wie beispielsweise die Lieferung von Material aus dem Ausland für die heimische Industrieproduktion (Lieferung und Zahlung finden gleichzeitig statt) oder „Payment-versus-Payment“ bei internationalen FX-Geschäften (Zahlung in einer Währung erst bei erfolgter Zahlung in der anderen Währung).

Die Suche nach einem technischen Anbieter läuft noch

Dabei wollen die Banken sich die Vorteile der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) zunutze machen – sie ermöglicht die skizzierten Anwendungsfälle erst. In einem sogenannten „Smart Contract“ können Wenn-dann-Bedingungen genutzt werden, die eine Zahlung erst, und dann automatisch, beim Eintreten des einprogrammierten Ereignisses (zum Beispiel Lieferung, Bezahlung) auslösen. Die Arbeitsgruppe hat sich bisher noch nicht auf einen technischen Anbieter festgelegt.

Der Clou bei der Initiative ist sicherlich, dass bankfachlich gesehen die Sichteinlagen der Banken tokenisiert werden sollen. Dadurch erhofft man sich einen regulatorisch einfacheren Ansatz und das Erhalten der Sichteinlagen im Sinne der Geldschöpfung.

Erfolgsaussichten – meine Thesen

Der digitale Euro kommt auf jeden Fall, auch als gesetzlich verpflichtendes Zahlungsmittel. Ob er mit der gleichen Begeisterung angenommen wird wie das Starterkit des physischen Vorgängers aus Münzen vor über 20 Jahren, wird an der Ausgestaltung liegen: Ist das digitale Pendant einfach und in allen Alltagssituationen zu nutzen? Sei es an der Ladenkasse oder beim Shoppen im Internet.

Privatwirtschaftliche Initiativen wie der Giralgeld-Token wiederum müssen beweisen, dass auf der Unternehmensseite wirklich eine substanzielle Nachfrage bei den digitalen Geschäftsmodellen und Anwendungsfällen besteht und dass die aufgeworfenen Effizienzen auch wirklich gehoben werden. Die Kunst wird darin liegen, dass jetzt gesät werden sollte, die Ernte jedoch erst nach und nach im Zeitablauf eingefahren werden wird.

Angst muss deshalb niemand vor dem digitalen Euro oder dem Giralgeld-Token haben. Wünschenswert ist innovative Weitsicht für ein zukunftsgerichtetes Payment-Angebot mit europäischer Souveränität.

The digital euro and its impact on banking

Weltweit haben die Zentralbanken begonnen, digitale Währungen zu testen. Allein oder zusammen mit Partnern wurden Forschungs-, Prototyping- und Pilotprojekte gestartet. Erfahren Sie mehr zu Central Bank Digital Currencies (CBDC) in diesem englischsprachigen Artikel.

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Die Distributed Ledger Technologie (DLT) und die auf ihr basierenden digitalen Assets haben in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte geschrieben. Nachdem sich zunächst nur Krypto-Enthusiasten für die neuen Möglichkeiten interessierten, boomt mittlerweile auch die Nachfrage von Family Offices und Privatpersonen nach digitalen Vermögenswerten. Auch institutionelle Investoren zeigen großes Interesse, wenngleich sie sich aufgrund fehlender Regulierungen noch in geringerem Umfang engagieren.

Auch die Verunsicherungen, die in jüngster Zeit insbesondere durch die Zusammenbrüche einiger Anbieter im Krypto-Markt entstanden sind, haben das grundsätzliche Vertrauen in die DLT nicht erschüttern können. Eine Studie von KPMG und BTC Echo zeigt, dass das Interesse an digitalen Vermögenswerten ungebrochen ist und die befragten Anleger:innen auch künftig planen, in digitale Vermögenswerte zu investieren. Sobald geeignete regulatorische Rahmenbedingungen und Standards etabliert sind, wird die DLT einen großen branchenweiten Durchbruch erleben und sich dynamisch weiterentwickeln.

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