Biodiversität: Das kommt auf Finanzinstitute in Sachen Regulatorik zu

Biodiversität: Das kommt auf Finanzinstitute in Sachen Regulatorik zu

Banken und Co. müssen viele Anforderungen zum Erhalt der Artenvielfalt erfüllen.

Keyfacts:

  • Der Verlust von Biodiversität hat auch Auswirkungen auf die Finanzindustrie.
  • Mehrere Regulatoren, Gesetzgeber und Standardsetzer stellen Anforderungen zum Erhalt der Artenvielfalt an Banken und andere Finanzinstitute.
  • Im Jahr 2025 treten weitere Vorgaben in Kraft.

    Der Erhalt der Biodiversität ist für Banken und Finanzdienstleister von zentraler Bedeutung. Ein Verlust könnte dramatische Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben. Daher müssen Banken und andere Finanzinstitute das eigene Portfolio und Geschäft unter diesen Gesichtspunkten überprüfen.

    In der jüngeren Vergangenheit haben Aufsichtsbehörden, Gesetzgeber und Standardsetzer regulatorische Anforderungen formuliert, die Finanzinstitute erfüllen müssen, um Nachhaltigkeit und Umweltverantwortung in ihren Operationen zu verankern. Auch in Zukunft bleibt das Thema präsent: Bei der Weltbiodiversitätskonferenz COP16 in Cali, Kolumbien, stehen politische und strategische Maßnahmen zum Schutz der Natur im Mittelpunkt.

    Anforderung 1: Das Global Biodiversity Framework – ein Rahmen mit mehr als 20 Zielen

    Das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) wurde Ende 2022 verabschiedet und stellt einen Meilenstein im globalen Bemühen um den Schutz der biologischen Vielfalt dar. Es definiert klare Ziele und Vorgaben, um den Biodiversitätsverlust bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Das GBF dient den Vertragsstaaten als Orientierungshilfe zur Umsetzung nationaler Strategien und Aktionspläne.

    Obwohl das GBF völkerrechtlich nicht bindend ist, hat es eine herausragende globale Relevanz und gibt eine gemeinsame Richtung im Umgang mit Biodiversität und Ökosystemen vor. Es formuliert 23 handlungsorientierte Ziele, die bis 2030 umgesetzt werden müssen, um vier langfristige Biodiversitätsziele bis 2050 zu erreichen. Diese umfassen:

    1. Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen und Artenvielfalt
    2. Nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zum Wohl gegenwärtiger und zukünftiger Generationen
    3. Gerechte Verteilung monetärer und nicht monetärer Vorteile der Biodiversität
    4. Mobilisierung und Sicherstellung von Finanzmitteln und Ressourcen zur vollständigen Umsetzung des GBF

    Biodiversität: Finanzindustrie muss Risiken und Abhängigkeiten berücksichtigen

    Die Ziele des GBF decken alle relevanten Aspekte des Biodiversitätsschutzes ab. Sie beinhalten den Schutz von mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen, die Wiederherstellung von mindestens 30 Prozent geschädigter Ökosysteme, die Verringerung von Umweltverschmutzung und die nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen.

    Weitere Ziele betreffen die Förderung der genetischen Vielfalt, die Sicherstellung der fairen und gerechten Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen sowie die Stärkung der finanziellen und technischen Unterstützung für Entwicklungsländer.

    Aus Sicht der Finanzindustrie ist insbesondere Ziel 15 von Bedeutung. Es fordert die regelmäßige Überwachung, Bewertung und Offenlegung von Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen in Bezug auf Biodiversität. Dieses Ziel zwingt Finanzinstitute, transparenter zu arbeiten und die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen ihren Investitionen und der Umwelt klarer darzustellen.

    Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Umsetzung der GBF-Ziele auch weitere Auswirkungen auf Kreditinstitute hat. Supranationale und nationale Akteure werden voraussichtlich weitere Schritte zur Umsetzung definieren oder bestehende Ansätze präzisieren, was auch Einfluss auf die Geschäftspartner der Banken, wie Kreditnehmer, haben wird.

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    Anforderung 2: CSRD macht Biodiversität zum Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung

    Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) werden die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Europäischen Union massiv ausgeweitet. Bereits mit dem Geschäftsjahr 2024 sind die ersten Unternehmen zur Anwendung verpflichtet. Und in den Folgejahren steigt die Zahl der betroffenen Unternehmen auf rund 50.000.

    In den eigens für die CSRD entwickelten Nachhaltigkeitsberichtsstandards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) spielt Biodiversität eine große Rolle. Die damit verbundenen Anforderungen werden in den ESRS E4 ausgeführt – also in dem Teil der Standards, der Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Auswirkungen auf Biodiversität und Ökosysteme offenzulegen.

    Die betroffenen Unternehmen haben bei vorliegender Wesentlichkeit (Prinzip der doppelten Wesentlichkeit) verpflichtende Angaben zu den Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf biologische Vielfalt zu machen – zum Beispiel durch Bereitstellung von Informationen zum Vorhandensein eines Übergangsplans für Biodiversität und zur Widerstandsfähigkeit der Geschäftsstrategie in Bezug auf Biodiversität (E4-1).

    Sie müssen außerdem bestehende Maßnahmen und Ressourcen im Kontext der Biodiversität offenlegen (E4-3) sowie bestehende Biodiversitätsziele dokumentieren (E4-4). Teilweise können sie dabei auf die Möglichkeit zum „Phase-in“ von Berichtspflichten zurückgreifen.

    Perspektivisch werden die bisher publizierten ESRS um weitere branchenspezifische Standards erweitert: Für den Bankensektor werden diese etwa für 2026 erwartet.

    Exkurs: Die Anforderungen der CSRD in der Übersicht 

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    Quelle: KPMG 2024, eigene Darstellung

    Anforderung 3: Biodiversität als Umweltziel in der EU-Taxonomie

    Für Finanzinstitute ergeben sich Berichtspflichten auch aus dem Umweltziel 6 der EU-Taxonomie, das den Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt in den Blick nimmt. In den kommenden Jahren sind noch detailliertere Anforderungen und umfassendere Offenlegungen zu erwarten.

    Nur ein Beispiel: Während seit diesem Jahr der Anteil an Risikopositionen in taxonomiefähigen Wirtschaftstätigkeiten ausgewiesen werden soll, sind ab 2026 anhand verschiedener Leistungsindikatoren detailliertere Angaben zu taxonomiekonformen Wirtschaftstätigkeiten erforderlich.

    Anforderung 4: CSDDD integriert Biodiversität in die unternehmerische Sorgfaltspflicht

    Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) fördert nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in den Betriebsabläufen und entlang der Wertschöpfungsketten, ähnlich einem europäischen Lieferkettengesetz.

    Im Zuge der CSDDD-Umsetzung wird Biodiversität Teil der Sorgfaltspflichten, die für Unternehmen ab 2027 stufenweise anhand von Belegschafts- und Umsatzkriterien eingeführt werden.

    Eine Besonderheit: Für Finanzinstitute betreffen die Anforderungen nur die vorgelagerte Wertschöpfungskette, also die eigenen Lieferanten. Nachgelagerte Geschäftspartner, wie Kreditnehmer, fallen nicht unter die CSDDD und erfordern derzeit keine zusätzliche Prüfung außerhalb der Standardprozesse.

    Anforderung 5: EBA-Leitlinie macht Befassung mit Biodiversität für große Institute verpflichtend

    Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA) entwickelt derzeit neue Leitlinien zum Management von ESG-Risiken. Der Entwurf, der Anfang 2024 zur Konsultation stand, zeigte bereits, dass die Anforderungen an Finanzinstitute im ESG-Risikomanagement verschärft werden. Die Grundlage dafür bildet die Capital Requirements Directive (CRD VI), die bedeutende Neuerungen im Hinblick auf ESG-Risiken einführt.

    Der Fokus der EBA-Leitlinie liegt auf Klima- und Umweltrisiken. Sie hebt hervor, dass die Finanzbranche derzeit stark auf Klimathemen fokussiert ist, während es im Bereich Biodiversität Nachholbedarf gibt.

    Laut Entwurf werden Banken zukünftig dazu verpflichtet, unter anderem wiederkehrende, datenbasierte Wesentlichkeitsanalysen durchzuführen und dabei eine kurz-, mittel- und langfristige Sicht zu berücksichtigen. Mittels exposure-, portfolio- und szenariobasierter Methodiken sollen ESG-Risiken künftig umfassend beurteilt werden.

    Finanzinstitute müssen zudem steigende Anforderungen an die Datenqualität erfüllen. Große Finanzunternehmen sollen zusätzlich etwa naturbezogene Abhängigkeiten identifizieren und negative Auswirkungen auf Natur und Ökosysteme durch Aktivitäten von Geschäftspartnern überwachen.

    Eine Veröffentlichung der finalen Leitlinien unter Einbezug des Konsultationsfeedbacks ist für Q1 2025 avisiert. Eine Anwendung für große Finanzinstitute wird gebunden an die CSRD VI Umsetzung voraussichtlich ab Q1 2026 zur Pflicht.

    Anforderung 6: TNFD und ISSB geben dem Thema Schub

    Neben regulatorischen Anforderungen wird das Befassen mit Biodiversität durch internationale Marktentwicklungen befördert – zum Beispiel durch die Offenlegungsempfehlungen der TNFD und des ISSB.

    Bei den Abschlussempfehlungen der globalen Initiative Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) handelt es sich um freiwillige Offenlegungsempfehlungen und Leitlinien, die Unternehmen unterstützen sollen, ihre naturbezogenen Abhängigkeiten, Auswirkungen sowie Chancen und Risiken bewerten und darüber berichten zu können. Anfang 2025 werden die ersten TNFD-Berichte von Erstanwendern erwartet, zu denen auch zahlreiche Finanzinstitute weltweit gehören.

    Die TNFD genießt bereits jetzt einen hohen Stellenwert: Die Zahl ihrer Anwender wächst national wie international und Regulatoren regen Unternehmen aktiv dazu an, es den Vorbildern gleich zu tun. Dabei ist zu erwarten, dass die TNFD ähnlich wie die TCFD (Taskforce on Climate-Related Financial Disclosures), die nach dem Pariser Klimaabkommen entwickelt wurde und als Vorlage für die TNFD diente, mittelfristig in Regulatorik aufgehen könnte.

    Nachhaltigkeitsstandards entwickeln sich auch außerhalb der EU

    Zudem wird auch außerhalb der EU an internationalen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gearbeitet. Das International Sustainability Standards Board (ISSB), das von der International Financial Reporting Standards (IFRS) Foundation gegründet wurde, veröffentlichte 2023 die ersten beiden Nachhaltigkeitsstandards (IFRS S1 und S2), in denen allgemeine sowie klimabezogene Offenlegungsanforderungen festgehalten sind.

    Derzeit erarbeitet das ISSB seine Positionierung zu Offenlegungen zur Biodiversität. Eine Erweiterung der publizierten Nachhaltigkeitsstandards um naturbezogene Angaben ist zu erwarten.

    Biodiversitäts-Regulatorik – der nächste Elefant im Raum

    Nachdem in den vergangenen Jahren der Klimawandel im Fokus stand, richten Regulatoren und Marktakteure in Europa und weltweit nun verstärkt ihre Aufmerksamkeit auf die Biodiversität. Für Finanzinstitute bedeutet das eine zeitnahe Erweiterung der ESG-Aspekte, die in die Geschäftsabläufe integriert werden müssen.

    Kurzfristiger Handlungsbedarf für Banken besteht vor allem mit Blick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD.

    Konkretisiert werden auch die Erwartungen der EBA in Sachen ESG-Risikomanagement absehbar – die neuen Leitlinien werden für Ende des Jahres 2024 erwartet.

    Institute sollten sich daher jetzt mit dem komplexen Thema Biodiversität und den regulatorischen Vorgaben befassen und eine aktive Positionierung am Markt suchen.

    Dafür sind aus unserer Sicht folgende Aspekte zu berücksichtigen:

    1. Regulatorische Entwicklungen beobachten und Änderungen der mittel- und unmittelbaren Anforderungen verstehen und managen
    2. Kompetenzen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für die kommenden Berichtsjahre der CSRD ausbauen und biodiversitätsrelevante Berichtsteile gezielt optimieren, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden
    3. Eine umfassende, strategische Auseinandersetzung mit Biodiversität beginnen und gegebenenfalls eigene Schwerpunkte setzen, etwa durch die Anwendung der TNFD-Offenlegungsempfehlungen oder das Schärfen bestehender Ausschlusskriterien

    Auf einen Blick: Regulatorik und Guidelines zum Thema Biodiversität im Zeitverlauf

    Die Grafik zeigt eine Tabelle, welche die Umsetzungsfristen der verschiedenen Biodiversitäts Regularien übersichtlich darstellt
    Quelle: KPMG 2024, eigene Darstellung