Brisante Veränderungen für Finanzholdings
Veränderungen für Finanzholdings
Insbesondere für die, die von einer möglichen Einstufung als solche noch nichts wissen.
Keyfacts:
- Die meisten Finanzholding-Gesellschaften dürften erst durch die Nachfrage der BaFin darauf aufmerksam werden, dass sie spätestens bis zum 28. Juni 2021 einen Erlaubnisantrag gestellt haben müssen
- Die Korrektur der Einstufung als Finanzholding-Gesellschaft ist schwierig und stellt Betroffene vor Herausforderungen, einzuschätzen, welche Rechtsfolgen und damit welcher Regulierungsaufwand auf sie zukommt
- Die BaFin zeigt sich aktuell entschlossen, die Regulierung auch durchzusetzen. Abwarten ist regelmäßig die schlechteste Reaktion
Zum 29. Dezember 2020 trat mit der Einführung des § 2f Kreditwesengesetz (KWG) und der damit einhergehenden Erlaubnispflicht von Finanzholding-Gesellschaften eine Vorschrift in Kraft, die gut in die verheerenden Ereignisse, die im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal stehen, passt. Auch wenn § 2f KWG noch eine sehr junge Vorschrift ist, sollte sie keinesfalls blindlings abgetan werden.
Auch bislang löste die Qualifizierung als Finanzholding-Gesellschaft einen erheblichen regulatorischen Aufwand aus. Nachgeordnete Gesellschaften können, auch wenn sie unreguliert sind, mittelbar reguliert werden. Die bisherige Aufsichtspraxis führte bis dato nicht zu einer konsequenten Anwendung. Auf Grundlage des neuen Rechts und unter dem Eindruck des Wirecard-Skandals wird der Ton nun rauer.
Beaufsichtigung der gesamten Unternehmensgruppe durch die BaFin
Ziel dieser Regelung ist es, eine regulatorische Beaufsichtigung von Unternehmensgruppen zu ermöglichen, denen Kreditinstitute und/oder Finanzinstitute angehören, deren Mutterunternehmen aber in der Regel lediglich eine Holdinggesellschaft sind. Dadurch erlangt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mehr Kontrolle über die gesamte Finanzholding-Gruppe und beschränkt sich nicht nur auf die Institutsebene. Häufig erbringen Obergesellschaften Dienstleistungen für die Institute und steuern diese relativ eng. Teilweise sind auf der Ebene der Obergesellschaft auch Investierende relativ nah am operativen Geschäft eingebunden. Beides ist der Aufsicht ohne echten Durchgriff ein Dorn im Auge.
Unternehmen müssen daher verstehen, was genau eine Finanzholding-Gesellschaft ist und unter welchen Voraussetzungen sie unter die Zulassungspflicht nach § 2 f KWG fallen.
Finanzholding-Gesellschaft – Finanzinstitut – Institut
Das KWG hält selbst keine Definition für eine Finanzholding-Gesellschaft bereit. Eine solche findet sich in Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 überarbeitet durch Verordnung (EU) 2019/876 (CRR). Danach ist eine Finanzholding-Gesellschaft ein Finanzinstitut, das keine gemischte Finanzholding-Gesellschaft ist und dessen Tochterunternehmen ausschließlich oder hauptsächlich Institute oder Finanzinstitute sind.
Der Begriff des Finanzinstituts darf nicht zu früh zur Entspannung führen. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR sind davon Unternehmen erfasst, die kein Institut und keine reine Industrieholdinggesellschaft [sind] und [deren] Haupttätigkeit darin besteht, Beteiligungen zu erwerben oder einschlägige Finanzgeschäfte zu betreiben. Es reicht also aus, wenn ein Unternehmen hauptsächlich die Holdingtätigkeit ausführt. Eine Verbindung zur Finanzindustrie muss ein Finanzinstitut somit gar nicht haben.
Die Einordnung als Finanzholding-Gesellschaft setzt weiter voraus, dass die Tochterunternehmen des Finanzinstituts, also diejenigen, auf die das Mutterunternehmen tatsächlich einen beherrschenden Einfluss ausübt, ausschließlich oder hauptsächlich Institute oder Finanzinstitute sind. Wann das der Fall ist, ist durch Berechnung von Kennziffern und mittels einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln.
Während bislang zumindest in der juristischen Literatur teilweise die Meinung vertreten wurde, dass der Erwerb einer einzigen Beteiligung nicht ausreicht, hat die BaFin nun in Gesprächen bereits mitgeteilt, dass es aktuell für die Einstufung nicht auf den Erwerb mehrerer Beteiligungen ankomme; eine öffentliche Äußerung der BaFin existiert hierzu bislang jedoch nicht.
Besondere Herausforderungen in der Bewertung und der Bestimmung von Finanzholding-Gruppen im Sinne des § 10a Abs. 2 KWG ergeben sich für Leasing- und Factoringgesellschaften. Hier bildet sich aktuell eine Aufsichtspraxis, die noch nicht zwischen der BaFin und der Deutschen Bundesbank abgestimmt ist.
Wer könnte betroffen sein?
Der Anwendungsbereich des § 2f KWG wird vor allem in Dienstleistungskonzernen und bei der Nutzung von Zwischenholdinggesellschaften und Obergesellschaften mit geringem operativem Geschäft oder ertragsschwachen Tochtergesellschaften kritisch. Insbesondere regulierte FinTechs als Tochtergesellschaften von IT-Dienstleistern werden von der Aufsicht kritisch hinterfragt.
Die BaFin ist bereits auf diverse Gesellschaften und Investoren zugegangen und hat darum gebeten, darzulegen, warum eine Einstufung als Finanzholding-Gesellschaft aus Sicht des Unternehmens nicht einschlägig ist. Die neue Erlaubnispflicht beschäftigt daher momentan intensiv die Finanzdienstleistungsindustrie, hierunter einige prominente Namen, die in den Fokus der BaFin gerückt sind.
Was ist bis zum 28. Juni 2021 zu tun?
Soweit eine Einstufung als Finanzholding droht, ist es Zeit zu handeln.
Die Erlaubnispflicht für Finanzholding-Gesellschaften trat bereits am 29.12.2020 in Kraft. Für neu entstehende Finanzholding-Gesellschaften bedeutet dies, dass sie im Rahmen ihrer Errichtung einen entsprechenden Antrag auf Zulassung bei der BaFin stellen müssen. Für bereits bestehende Finanzholding-Gesellschaften wurde eine Übergangsvorschrift geschaffen (§ 64a Abs. 1 KWG). Danach kann eine Gesellschaft, die bereits am 27. Juni 2019 bestand und die alle Anforderungen zur Einstufung als Finanzholding-Gesellschaft erfüllt, eine Zulassung bis zum 28. Juni 2021 bei der zuständigen Aufsichtsbehörde beantragen.
Auf den ersten Blick mag die Übergangsfrist ausreichend erscheinen, jedoch darf nicht vergessen werden, dass in dieser Phase der Aufsichtsbehörde gegenüber der Finanzholding-Gesellschaft schon alle aufsichtlichen Befugnisse zustehen und bis zum Fristablauf nicht beantragte Zulassungen mit entsprechenden Maßnahmen der Aufseher, beispielsweise durch Untersagung der Ausübung der Stimmrechte an CRR-Instituten der Gruppe, durch Untersagung oder Beschränkung der Ausschüttungen oder durch Untersagung der Übertragung der Beteiligungen an den CRR-Instituten der Gruppe an ihre Inhaber, geahndet werden können. Gar nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig gestellte Anträge werden als Ordnungswidrigkeit gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 3a lit. a), lit. b) KWG behandelt und können zu einer Geldbuße von bis zu 100.000 Euro führen.
Eine Einstufung als Finanzholding bringt erhebliche Veränderungen und Verschärfungen im Rahmen der Prüf- und Aufsichtsrechte mit sich. Dazu gehören die erhöhten Anforderungen an die Leitungsorgane (§ 2d KWG) sowie an die Verwaltungs- und Aufsichtsorgane (§ 25d KWG), aufsichtliche Auskunfts- und Prüfungsrechte (§ 44 KWG) und Eingriffsbefugnisse (§ 45a KWG) gegenüber Finanzholding-Gesellschaften an der Spitze einer Finanzholding-Gruppe im Sinne des § 10a KWG. Zudem dürften der neu eingestuften Finanzholding-Gesellschaft umfangreiche Reporting-Pflichten auferlegt werden. Je nach Finanzierung der Finanzholding-Gesellschaft könnten sich Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Finanzierung als regulatorische Eigenmittel geben.
Welche Optionen haben nun Unternehmensgruppen, die jetzt als Finanzholding-Gesellschaft eingestuft werden sollen? Die jeweilige Holding könnte darüber nachdenken, wie sie eine Einstufung als Finanzholding künftig verhindern kann, was jedoch maximal im Wege einer Reorganisation und Neustrukturierung der Gruppe möglich wäre. Vielmehr wird sie die Auswirkungen, die durch Beaufsichtigung durch die BaFin nun entstehen, nur bestmöglich versuchen können, zu steuern und die Infektion weiterer Gesellschaften zu verhindern. Dass beide Möglichkeiten sehr zeitintensiv sind und den Unternehmen eine Menge abverlangen, dürfte dabei klar sein.
Fazit
Der nunmehr im deutschen Recht aufgenommene Erlaubnisvorbehalt für Finanzholding-Gesellschaften löst einen Verwaltungsaufwand für die Betroffenen aus. Der materielle Gehalt der Regulierung hat sich jedoch nicht wesentlich geändert. Die Aufsicht erscheint aber entschlossen, die Regulierung und den Erlaubnisvorhalt durchzusetzen. Für einige Marktteilnehmer wird das für einen überraschenden Kontakt mit der BaFin sorgen und durch die kurze Handlungsfrist bis Ende Juni 2021 zu einer raschen Bewertung und Handlung zwingen.