Citizen Development: Schnell, einfach, kostengünstig

Citizen Developer sind schneller

Mit Low-Code-Plattformen entwickeln digitalaffine Mitarbeitende ihre Apps selbst

Wäre es nicht großartig, wenn Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen sich nicht mehr in die lange Schlange derer einreihen müssten, die auf die Programmierung von Anwendungen durch die IT-Abteilung warten? Wenn sich IT-Abteilungen nicht mehr um jede noch so kleine Anwendung im Unternehmen kümmern müssten und sich – in gewissen Grenzen – die Programmierarbeit mit den Fachbereichen teilen könnten? Dank Citizen Development ist das möglich und gerade Banken sollten sich mit dieser agilen Form der Software-Entwicklung beschäftigen.

Die Digitalisierung zählt zu den größten Aufgaben, denen Finanzinstitute sich derzeit stellen müssen. Die Pandemie hat dies noch verstärkt. An vielen Stellen in und außerhalb der Unternehmen werden individuelle Apps und Software-Tools benötigt und erwartet. Diese können von klassischen IT-Abteilungen nur mit hohem Zeit- und Geldeinsatz entwickelt werden. Knappe Ressourcen und viele andere Aufgaben, beispielsweise das Umsetzen regulatorischer Anforderungen, verursachen ohnehin umfangreiche Backlogs. Das Resultat: Die Software-Entwicklung verzögert sich ausgerechnet in einer Zeit, in der FinTechs und Digitalkonzerne auf den Markt drängen und Kundschaft wie Mitarbeitende schnelle digitale Lösungen gewohnt sind.

Low-Code statt Programmcode: Apps mit visuellen Werkzeugen erzeugen

Eine Lösung für dieses Problem ist Citizen Development: Mitarbeitende entwickeln ihre Anwendungen einfach selbst, auch wenn sie nur über geringe oder gar keine Programmierkenntnisse verfügen. Möglich ist diese „Low-Code“- oder „No-Code“-Entwicklung durch Plattformen, die mit weitestgehend visuellen Werkzeugen arbeiten, statt die Eingabe von Programm-Code zu erfordern. Damit eine App zu erstellen, erinnert eher an die Arbeit mit Powerpoint als an Programmierung. Vorgefertigte Module für einzelne Funktionen der geplanten Anwendung können von Nicht-IT-Profis schnell und einfach per Mausklick zusammengesetzt werden. Auch Vorlagen für ganze Anwendungen sind vorhanden, die von den Fachabteilungen nur noch individuell angepasst werden müssen.

Zahlreiche Hersteller bieten aktuell solche Low-Code-Plattformen an. Dazu zählen Branchengrößen wie Oracle mit Application Express, Microsoft mit der Power Platform, die in Office 365 integriert ist, oder Google mit Appsheet. Daneben existiert eine Reihe kleinerer Anbieter, einige davon auch Open Source.

Die Mitarbeitenden in den Fachabteilungen können diese Low-Code-Plattformen nach kurzem Training selbst bedienen. Eine Programmiersprache zu beherrschen, ist dafür nicht nötig. Ein gewisses Verständnis für den Aufbau eines Programms und eine Affinität zum Thema sollten allerdings vorhanden sein. Auf Basis dieser geringen Voraussetzungen können auch Mitarbeitende außerhalb der IT-Abteilungen tatsächlich in 20 bis 30 Minuten kleine Anwendungen erstellen und diese funktionsfähig veröffentlichen. Beispiele dafür gibt es genug: Banken haben so schon Compliance-Regeln in Form einer App im Unternehmen veröffentlicht oder das Nutzen des Carpools von der klassischen Excel-Liste befreit. Neben solchen kleinen Anwendungen lassen sich sogar Programme zur Risikoberechnung mit Low-Code-Plattformen erstellen.

Citizen Development: Selbstermächtigung der Fachleute

Mit Citizen Development lassen sich zwei Nachteile der klassischen IT-getriebenen Herangehensweise umgehen. Damit sind erstellte Anwendungen nicht nur viel schneller operativ nutzbar; sie sind auch wesentlich kostengünstiger als von Profis programmierte Software. Gerade Banken, wo viel IDV – individuelle Datenverarbeitung – existiert, für die meist Microsoft Excel genutzt wird, sollten Citizen Development in Betracht ziehen. Neben Schnelligkeit und Kostenersparnis ist der dritte Vorteil der Expertenblick, den nur die Fachbereiche selbst auf ihre gewünschten Anwendungen haben. Sie wissen am besten, was sie brauchen. Und sie können dies selbst umsetzen, anstatt ihre Wünsche zeitraubend über das klassische Anforderungsmanagement zu erklären. Schließlich kommt noch der Aspekt der Selbstermächtigung hinzu: Fachbereiche machen sich unabhängig von der IT-Abteilung und helfen sich selbst.

Inwiefern die Citizen Developer im Unternehmen völlig unabhängig von der IT-Abteilung agieren, hängt davon ab, welche über die reine Funktionalität hinausgehenden Aspekte von der gewünschten App berührt werden. Müssen beispielsweise datenschutzrechtliche oder regulatorische Anforderungen beachtet werden, brauchen die Citizen Developer entsprechende Unterstützung. Das gilt auch, wenn bei komplexeren Anwendungen Daten integriert und entsprechende Zugriffsrechte vergeben werden müssen. Dies kann meist nur von den Profis der IT-Abteilung erledigt werden. Wie die Integration der Citizen Developer im Unternehmen konkret ausgestaltet wird, hängt tatsächlich vom Einzelfall der erstellten Anwendungen ab. Nötig ist auch ein Lebenszyklus-Management, das eine regelmäßige Prüfung des App-Portfolios sicherstellt und nicht mehr benötigte Apps löscht.

Potenziale von Citizen Development in Pilotprojekt testen

Dank Low-Code-Entwicklung bietet Citizen Development eine viel höhere Umsetzungsgeschwindigkeit als der klassische Weg über die IT-Abteilung bei geringeren Kosten. Der Bereich des Möglichen ist groß: Schlanke Apps, digitalisierte Workflows oder hilfreiche Chatbots verbessern die Erfahrungen unter den Mitarbeitenden der Bank ebenso wie aufseiten der Kundinnen und Kunden. Neben eingesparten finanziellen Ressourcen und personellen Kapazitäten ist gerade die Erfahrung der Mitarbeitenden, sich selbst engagieren zu können, einer der wichtigsten Vorteile von Citizen Development. Es öffnet den Weg zu einem digitalen Arbeitsplatz und digitalen Tools, die Mitarbeitenden nach eigenen Vorstellungen selbst gestalten.

Um mit dem Citizen Development zu starten, sollten Unternehmen nach der Entscheidung für eine der Low-Code-Plattformen zunächst einen Fachbereich für ein Pilotprojekt identifizieren. Anhand einer Testanwendung wird der ganze Prozess von ihrer Erstellung bis zu ihrer Veröffentlichung einmal durchgespielt. Verläuft alles nach Plan, kann die Integration im gesamten Unternehmen gestartet werden. Parallel dazu sollte eine Governance im Unternehmen etabliert werden, um das App-Portfolio in einem geregelten Prozess zu überwachen und falls nötig zu bereinigen.

Integration von Citizen Development mit Change-Kommunikation begleiten

Sehr wichtig ist es, das Projekt Citizen Development auch als einen Change-Prozess zu verstehen. Die Mitarbeitenden im Unternehmen sollten aktiv darüber informiert werden, welche Möglichkeiten sich bieten. Ideal ist es, zugleich auch eine interne Community aufzubauen, deren Mitglieder sich gegenseitig bei der Entwicklung von Apps mit den Low-Code-Plattformen unterstützen. Daneben sollte das Unternehmen auch Schulungen und Trainings anbieten. Und schließlich ist es essenziell, ein regelmäßiges Stimmungsbild zum Thema einzuholen. Es gilt abzufragen, welche Erfahrungen im Unternehmen gemacht wurden, nicht nur bei der Entwicklung, sondern bei der Nutzung der so entstandenen Apps.

Angesichts der Herausforderungen vor denen Banken stehen, ist klar, dass Citizen Development eine schnelle und kostengünstige Ergänzung zur klassischen IT sein wird. Abgesehen davon entspricht die „Demokratisierung“ der Softwareentwicklung auch dem Generationswechsel, der in den Banken bereits stattgefunden hat. Jüngere Mitarbeitende, die zu den Digital Natives gehören, haben durchweg eine hohe Affinität zu digitalen Lösungen und sind erfahrungsgemäß gerne bereit, sich aktiv daran zu beteiligen. Wer dieses Potenzial im Unternehmen hebt, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber denen, die diese Chance nicht nutzen.