Cloud statt Kladde – So arbeiten Wirtschaftsprüfer:innen heute

So arbeiten Wirtschaftsprüfer heute

KPMG Audit COO Michael Pritzer über seinen Beruf als Wirtschaftsprüfer im Wandel

Kurz nach der Jahrtausendwende steckte das Arbeitsmaterial noch in Aktenordnern: Zahlen auf Papier bildeten den Startpunkt der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers. Heute, 20 Jahre später, sind digitale Tools und maschinelle Datenanalysen an der Tagesordnung. Michael Pritzer begann damals als Praktikant bei KPMG – heute ist er Chief Operating Officer für den Service Audit im Unternehmen. Im Interview berichtet er, wie sich der Arbeitsalltag verändert hat und wie das Megathema ESG heute viele Unternehmen beschäftigt.

Seit Deinem Start in der Wirtschaftsprüfung hat sich am Alltag in diesem Beruf einiges verändert. Was prägt Deine Erinnerung der ersten Tage?

Michael Pritzer: An meinen Berufseinstieg erinnere ich mich noch gut. Ich hatte während meines Studiums schon ein Praktikum bei KPMG gemacht. Danach bekam ich das  Angebot, bei KPMG im German Practice New York eine Festanstellung anzutreten – das war eine sehr spannende Zeit. Ich musste mich ja nicht nur im Arbeitsalltag neu zurecht finden, sondern gleichzeitig in einem anderen Land.

Damals wurde papierbasiert und manuell geprüft. Heute setzen wir in einem großen Umfang Datenanalysen ein und prüfen digitalisiert. Erst wenn man sich daran erinnert, wird einem bewusst, wie sich die Abschlussprüfung weiterentwickelt und welchen Einfluss die Digitalisierung auf den Berufsstand hat. Wir arbeiten mit Hilfe von Datenanalysen effizienter und transparenter als noch vor 20 Jahren. Dadurch steigen Prüfungsqualität und Sicherheit für unsere Mandanten und die Abschlussprüfung bringt gleichzeitig tiefe Einblicke in Rechnungslegungsdaten und -prozesse.

Zusätzlich wachsen die Anforderungen der Rechnungslegungsstandards, und der Gegenstand unserer Prüfung erweitert sich zunehmend um relevante, nicht-finanzielle Aspekte im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Mit Blick auf Deine tägliche Arbeit: Was sind aus Deiner Sicht die wichtigsten Errungenschaften der Prüfung mit Datenanalysen?

Michael Pritzer: Der Einsatz von Datenanalysen bietet eine größere Sicherheit. Dazu ein Beispiel: In der Vergangenheit haben wir mit unseren Mandanten über möglichen Verbesserungsbedarf oder Feststellungen auf Basis von Stichprobenergebnissen diskutiert. Heute können wir mit Datenanalysen 100 Prozent einer Grundgesamtheit abdecken und Feststellungen direkt quantifizieren – ohne Diskussionen über Hochrechnungen oder Evaluierung weiterer Stichproben.

Die Arbeit des Wirtschaftsprüfers ist nahezu papierlos, passiert zumeist am Computer. Inwiefern spielt das Zwischenmenschliche dabei eine Rolle?

Michael Pritzer: Das ist trotz aller digitalen Fortschritte das Wichtigste. Man sollte sich immer vor Augen halten, dass wir als Wirtschaftsprüfer:innen Vertrauen schaffen. Und da ist der Mensch und nicht die Maschine gefragt. Ein weiterer Aspekt ist, dass es unsere Persönlichkeiten sind, die mit ihrer Expertise die Mandanten begleiten. Die Erfahrung und die Branchenkenntnis sowie der zwischenmenschliche Umgang sind das, was aus meiner Sicht eine gute Prüferin und einen guten Prüfer ausmachen.

Du arbeitest als Wirtschaftsprüfer und COO Audit für Deutschland eng mit den internationalen KPMG-Gesellschaften zusammen. Wie sieht die digitale grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Praxis aus?

Michael Pritzer: Mit der global konsistenten Prüfung auf unserer Cloud-basierten Plattform KPMG Clara greifen wir in Echtzeit auf dieselben Daten zu und können über ein Tool miteinander kommunizieren. Durch die Digitalisierung sind die globalen Teams sehr viel enger aneinandergerückt. Was aber bleibt, ist der Faktor Mensch – mit allen kulturellen Unterschieden und Gepflogenheiten. Damit auch in einer digitalisierten Arbeitswelt umzugehen, bleibt in der internationalen Zusammenarbeit trotz oder gerade wegen der Digitalisierung besonders wichtig.

Welche Rolle spielen heute ESG-Kriterien bei der Abschlussprüfung?

Michael Pritzer: ESG ist zum Wettbewerbsfaktor und damit ein Vorstands- und Aufsichtsratsthema geworden. Die EU setzt zunehmend auf Regulatorik und neue Reportinganforderungen, um Kapitalströme und Investoreninteressen in Richtung nachhaltiger Geschäftsmodelle zu lenken. Für Unternehmen entsteht dadurch ein konkreter Anreiz, in Nachhaltigkeit zu investieren und darüber vergleichbar zu berichten. Die Wirtschaftsprüfer:innen werden hier schon kurzfristig einen entscheidenden Beitrag leisten können. Mit der zukünftigen Prüfungspflicht der dann nochmal ausgeweiteten nichtfinanziellen Berichterstattung für eine Vielzahl von Unternehmen, werden ESG-Kriterien eine wesentliche Rolle einnehmen und einen neuen und sehr spannenden Bereich der Abschlussprüfung ausmachen.

Wie wirkt sich die Entwicklung auf den Prüferberuf aus?

Michael Pritzer: Als Wirtschaftsprüfer:innen haben wir einen gesellschaftlichen Auftrag. Durch die steigenden Anforderungen an das Thema ESG in der Berichterstattung wird er noch spürbarer. Wir unterstützen den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit und können zum Beispiel Greenwashing verhindern. Der Beruf des Prüfers hat also eine Menge Purpose: Als Prüferinnen und Prüfer gestalten wir Zukunft und schaffen Vertrauen in der Gesellschaft.