Digitalisierung der Banken: Traum von Plattformen, die alles können

Digitalisierung der Banken

Warum es Banken schwer fällt, digital zu werden, und Kundenvertrauen entscheidend ist

Google, Amazon, Facebook und Co. haben es vorgemacht: Wer einen Kunden mit digitalen Produkten gewonnen hat, kann darauf weitere Angebote aufbauen. Wie lässt sich dieses Erfolgsmodell auf Banken übertragen, deren Strukturen, Produkte und Services über Jahrzehnte gewachsen sind?

Tim Weckmüller, KPMG Partner bei Management Consulting Banking, erklärt, warum sich Banken mit der Digitalisierung noch schwer tun und wie sie dennoch den Anschluss finden können.

KPMG Digital Hub: Apple hat das iPhone zum Portemonnaie gemacht. Mit PayPal kann ich schnell meinen Online-Einkauf bezahlen. Warum sind Bankgeschäfte immer noch so kompliziert?

Tim Weckmüller: Es gibt zwei wesentliche Unterschiede: Zum einen ist ein Girokonto oder ein Kredit nicht wie Schuhe kaufen, die ich zurückschicken kann, wenn sie mir nicht gefallen oder nicht passen. Der Kunde erwartet, dass der Saldo auf seinem Konto jederzeit korrekt oder die Finanzierung seines Eigenheims auf viele Jahre gesichert ist. Zum anderen stehen Banken bei der Digitalisierung vor höheren Hürden als viele andere Unternehmen. Ein Konto in der App anzuzeigen ist noch relativ einfach. Doch bei einer Kontoeröffnung oder einem Kreditantrag müssen die Identität des Kunden überprüft, Sicherheitsstandards eingehalten und die Schriftform beachtet werden. Für Banken gibt es viele regulatorische Vorgaben.

Banking wird also immer kompliziert bleiben?

Keineswegs. Die Kunden erwarten, dass sie Bankgeschäfte schnell und einfach von der Couch aus erledigen können, quasi nebenbei. Dazu müssen aber alle Informationen gut aufbereitet sein. Bei Amazon zum Beispiel ist die Produktbeschreibung übersichtlich und immer gleich strukturiert, inklusive Vergleichsangeboten und der Bewertungen von anderen Käufern. Bei den meisten Banken scheitert man schon am Vergleich der angebotenen Girokonten. Gebühren für Kreditkarten oder Zahlungen in Fremdwährungen verstecken sich im Kleingedruckten. Suchfunktionen oder Filter: Fehlanzeige. Kunden sind auch frustriert, wenn sie bei jedem Kontakt mit der Bank über Telefon, E-Mail oder eine Online-Plattform ihr Anliegen noch einmal erzählen müssen, weil die Historie nicht zentral hinterlegt ist.

Schon jetzt gibt es Unternehmen, die Banken einzelne Teilbereiche erfolgreich streitig machen. Meine Überweisungen kann ich zum Beispiel einfach mit PayPal erledigen. Bargeld kann ich mir an der Supermarktkasse auszahlen lassen. Wenn Banken die Digitalisierung nicht nutzen, um ihren Kunden besseren Service zu bieten, werden sie nicht überleben. Branchenfremde Unternehmen, allen voran die GAFAs, also Google, Amazon, Facebook und Apple, aber auch andere Plattformen wie jüngst das Vergleichsportal Check24 haben inzwischen eine Banklizenz. Auch wenn bei den meisten keine Gründung einer Universalbank zu erwarten ist, dürfte es überall dort, wo Finanzdienstleistungen das Basis-Geschäftsmodell unterstützen und auf einen starken Kundenbedarf treffen, eng werden für etablierte Banken. Die Corona-Pandemie hat die Entwicklung noch beschleunigt.

Es heißt ja oft, Daten seien das neue Gold. Banken haben doch Unmengen von Daten über ihre Kunden. Lässt sich daraus nicht etwas machen?

Banken sitzen auf einem großen Datenschatz. Die meisten haben bisher jedoch nur Daten erhoben. Danach ist nicht viel damit passiert. Neue Angebote und Kundenerlebnisse lassen sich jedoch nur entwickeln, wenn man die Daten zu nutzen weiß. Banken könnten nicht nur das Kundenerlebnis verbessern, sondern beispielweise anhand von Datenanalyse das Kundenverhalten voraussagen, Kundenabwanderung verhindern, den Kundennutzen durch Cross-Selling steigern oder Servicekosten reduzieren. Um alle relevanten Daten strukturieren und analysieren zu können, müssen die ursprünglichen – oft manuellen – Prozesse auf den Kopf gestellt werden.

Die Digitalisierungsbestrebungen von Banken richten die Scheinwerfer verstärkt auf ein altbekanntes Problem: die veraltete IT. Start-ups haben den großen Vorteil, dass sie neue Lösungen bei null beginnend entwickeln und ihre IT-Systeme entsprechend aufbauen können. In vielen Banken lassen sich Apps oder digitale Angebote nicht einfach an die bestehende Technik andocken oder es besteht kein zentraler Datenhaushalt, auf den AI-Lösungen aufgeschaltet werden können. Hier braucht es einen radikalen Umbau, was natürlich massive Investitionen bedeutet.

Das klingt, als würde es noch lange dauern. Haben die Banken so viel Zeit?

Die Banken haben ein großes Pfund auf ihrer Seite: Sie profitieren von dem Vertrauensvorschuss ihrer Kunden in ihre Kompetenz und Produkte. Im Gegensatz zu neuen Anbietern etwa von Bitcoin Wallets vermitteln sie Sicherheit. Das verschafft ihnen etwas Luft. Jedoch nicht genug, um sich auszuruhen.

Viel Beachtung erhalten derzeit Plattformen und Ökosysteme. Liegt darin auch für Banken die Zukunft?

Der Trend geht in diese Richtung. Dazu müssen sich die Banken neu erfinden und den Kunden als zentralen Ankerpunkt all ihrer Überlegungen akzeptieren. Wir reden hier von einem Kulturwandel. Die Geldhäuser müssen sich fragen, was ihre Kunden in der jeweiligen Lebenssituation brauchen und ob sie ihnen das bieten können. Nicht immer wird dies aus eigener Kraft gehen, manchmal brauchen sie dazu Partner. Für Finanzdienstleistungen rund um das Thema Mobilität könnten das etwa Automobilhersteller und Telekommunikationsunternehmen sein, aber auch kleine Start-ups.

Die eine Plattform-Lösung für alle gibt es nicht und nicht alle Banken können Plattformen werden. Jede Bank muss ihre eigenen Stärken definieren und sich über ihre strategische Positionierung klar werden. Bei einigen Themen können sie die Führung übernehmen, bei anderen werden sie nur Zulieferer sein und wieder andere komplett auslassen. Dabei müssen die Institute flexibel bleiben, um kurzfristig umsteuern zu können. Klar ist, die Universalbank von heute – quasi die eierlegende Wollmilchsau – wird es in Zukunft nicht mehr geben.

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