DLT Pilot Regime: Aufbruch in die Wertpapierwelt von morgen

DLT Pilot Regime

Die neue Regulierung ermöglicht dezentrale Kapitalmarktinfrastrukturen in Europa.

Keyfacts:

  • Das DLT Pilot Regime markiert einen Meilenstein in der Entwicklung der digitalen Kapitalmärkte.
  • Das Regulierungsvorhaben legt die Grundlage für den Handel und die Abwicklung von DLT-basierten Wertpapieren in der EU.
  • Sein Kern: drei sogenannte Erlaubnistatbestände mit Blick auf DLT-Handels- und Abwicklungssysteme, die die Tür aufstoßen zu neuen Betätigungsfeldern und Geschäftsmodellen.

Mit der Veröffentlichung des DLT Pilot Regime im Amtsblatt hat die Europäische Union (EU) den Weg für regulierte dezentrale Kapitalmarktinfrastrukturen geebnet. Und sie hat der Transformation auf dem europäischen Finanzmarkt weiteren Schwung verliehen. Denn mit dem DLT Pilot Regime geht die EU einen Schritt weiter als bisherige Gesetzesinitiativen.

Das DLT Pilot Regime trifft auf bereits bestehende DLT-Regulierung in Deutschland

Der deutsche Gesetzgeber hat in den vergangenen zwei Jahren mit dem Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) und der Aufnahme des Kryptoverwahrgeschäfts im Kreditwesengesetz (KWG) wesentliche Regelungen zur Nutzung von Distributed Ledger Technologie (DLT) im deutschen Kapitalmarkt auf den Weg gebracht. Damit besteht bereits heute weitgehende Rechtssicherheit für die Begebung und Verwahrung von DLT-basierten Wertpapieren.

Derzeit findet das eWpG ausschließlich auf DLT-basierte Inhaberschuldverschreibungen und Investmentfondsanteile Anwendung. Doch die zuständigen Ministerien (Bundesministerium der Finanzen, Bundesministerium der Justiz) haben bereits angekündigt, im kommenden Jahr auch die Emission DLT-basierter Aktien zu ermöglichen. Dieser Schritt wird aktuell mit der Fassung des Zukunftsfinanzierungsgesetzes vorbereitet.

 

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Handel und Abwicklung von DLT-basierten Wertpapieren

Nicht geregelt waren bisher der Handel und die Abwicklung von DLT-basierten Wertpapieren an Handelsplätzen. Denn die Zentralverwahrerverordnung (CSDR) verlangt für den Handel eines Wertpapiers, dass dieses im Effektengiro eingebucht und bei einem Zentralverwahrer hinterlegt wird. Daher waren bisher weder ein dezentraler Handel noch eine dezentrale Abwicklung mithilfe der DLT möglich.

Mit dem DLT Pilot Regime hat die EU nun eine Verordnung verabschiedet, die den Handel und die Abwicklung von DLT-basierten Wertpapieren unionsweit ermöglichen und regeln soll. Damit schließt das DLT Pilot Regime eine entscheidende Regelungslücke für die umfassende Anwendung der Blockchain-Technologie im Kapitalmarkt – und markiert einen Meilenstein in der weiteren Entwicklung des digitalen Kapitalmarkts.

Zugleich verursacht das DLT Pilot Regime Unsicherheit hinsichtlich des genauen Zusammenspiels mit bestehenden nationalen Regelungen in Deutschland. Das betrifft insbesondere die Abgrenzung der Kryptowertpapierregisterführung i.S. des KWG von den Tätigkeiten eines dezentralen Abwicklungssystems i.S. des DLT Pilot Regimes. Ebenfalls unklar ist die Abgrenzung zum Depotgeschäft bzw. der Kryptoverwahrung. Hier wird es spannend sein zu beobachten, wie nationales und europäisches Recht sinnvoll ausgelegt und in Einklang gebracht werden können.

Kern des DLT Pilot Regimes Drei neue Erlaubnistatbestände

Das DLT Pilot Regime schafft im Wesentlichen drei neue Erlaubnistatbestände. Gleichzeitig regelt es, in welchen Fällen Ausnahmen von bestehenden unionsweiten Regelungen beim Handel und bei der Abwicklung möglich sind, sofern es sich um DLT-basierte Wertpapiere handelt. Dies ist immer dann der Fall, wenn bestehende unionsweite Regelungen der Nutzung von DLT im Wege stehen (bspw. verpflichtende Einbuchung im Effektengiro gemäß Art. 3 CSDR) oder wenn ein spezifisches Regulierungsziel durch den Einsatz von DLT bereits erreicht wird (bspw. Pflicht zur Meldung von Geschäft gemäß Art. 26 MiFIR).

Mit seinen Erlaubnistatbeständen ebnet das DLT Pilot Regime aber nicht nur den Weg für einen Handel und eine Abwicklung von DLT-basierten Wertpapieren. Es eröffnet den Akteuren auf dem Kapitalmarkt – konkret Wertpapierunternehmen, Marktbetreibern und Zentralverwahrern – auch neue Betätigungsfelder und Geschäftsmodelle:

  • DLT-Handelssysteme (DLT-MTF, MTF steht für Multilateral Trading Facility)
    Ein DLT-MTF ist ein multilaterales Handelssystem für DLT-Wertpapiere. Für den Erlaubnistatbestand des DLT-MTF gelten im Wesentlichen dieselben Regelungen, die heute bereits für die Betreiber von multilateralen Handelssystemen Anwendung finden. Im Gegensatz zu einer klassischen MTF-Handelsplattform gilt für ein DLT-MTF jedoch nicht die sogenannte Vermittlungspflicht im Rahmen der MiFID-II-Richtlinie. Stattdessen kann das DLT-MTF interessierten Investoren – und zwar sowohl aus dem Retail- als auch aus dem institutionellen Bereich – einen direkten Zugang zu seinem Handelsplatz ermöglichen.

 

  • DLT-Abwicklungssysteme (DLT-SS, SS steht für Settlement System)
    Der Erlaubnistatbestand des DLT-SS stellt im Wesentlichen die gleichen Funktionen wie die eines heutigen Wertpapierliefer- und Abrechnungssystems im Sinne der CSDR bereit. Im heutigen Kapitalmarkt stellen diese eine der Kernfunktionen eines Zentralverwahrers dar und dürfen auch nur von diesen erbracht werden. Konsequenterweise steht die Möglichkeit zum Betrieb eines DLT-SS auch ausschließlich zugelassenen Zentralverwahrern im Sinne der CSDR offen. Gleichzeitig definiert das DLT Pilot Regime für den DLT-SS zahlreiche Ausnahmen von bestehenden Regelungen, da sie dem Einsatz von Distributed Ledgers entgegenstehen und für DLT-Wertpapiere nicht erforderlich sind. So müssen DLT-Wertpapiere nicht mehr im Effektengiro eingebucht werden und der Barausgleich bzw. das Settlement darf auch in e-Geld-Token erfolgen.

 

  • DLT-Handels- und Abwicklungssysteme (DLT-TSS, TSS steht für Trading and Settlement System)
    Besonders relevant ist der dritte und letzte neue Erlaubnistatbestand: Das DLT-TSS kombiniert die Tätigkeiten eines Handelssystems (DLT-MTF) mit denen eines Abwicklungssystems (DLT-SS). Damit ermöglicht das DLT Pilot Regime den Handel und die Abwicklung von DLT-Wertpapieren aus einer Hand. Die Möglichkeit zum Betrieb eines DLT-TSS steht sowohl Wertpapierfirmen mit Zulassung zum Betrieb eines MTF als auch Zentralverwahrern offen.

 

Diese Erlaubnistatbestände und deren Kombination bieten bestehenden und neuen Akteuren am Kapitalmarkt die Möglichkeit ihr Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Es wird spannend zu beobachten, wie sich die verschiedenen Akteure am Kapitalmarkt verhalten und ob sich eine oder mehrere dezentrale Kapitalmarktinfrastrukturen werden etablieren können.

Dieser Text ist der erste Teil von zwei Artikeln, mit denen wir die Inhalte und Auswirkungen des DLT Pilot Regime beschreiben. Wie der Kapitalmarkt von morgen aussehen und welche Marktinfrastruktur sich durchsetzen könnte, beschreiben wir hier in Teil zwei.