Kern des DLT Pilot Regimes – Drei neue Erlaubnistatbestände
Das DLT Pilot Regime schafft im Wesentlichen drei neue Erlaubnistatbestände. Gleichzeitig regelt es, in welchen Fällen Ausnahmen von bestehenden unionsweiten Regelungen beim Handel und bei der Abwicklung möglich sind, sofern es sich um DLT-basierte Wertpapiere handelt. Dies ist immer dann der Fall, wenn bestehende unionsweite Regelungen der Nutzung von DLT im Wege stehen (bspw. verpflichtende Einbuchung im Effektengiro gemäß Art. 3 CSDR) oder wenn ein spezifisches Regulierungsziel durch den Einsatz von DLT bereits erreicht wird (bspw. Pflicht zur Meldung von Geschäft gemäß Art. 26 MiFIR).
Mit seinen Erlaubnistatbeständen ebnet das DLT Pilot Regime aber nicht nur den Weg für einen Handel und eine Abwicklung von DLT-basierten Wertpapieren. Es eröffnet den Akteuren auf dem Kapitalmarkt – konkret Wertpapierunternehmen, Marktbetreibern und Zentralverwahrern – auch neue Betätigungsfelder und Geschäftsmodelle:
- DLT-Handelssysteme (DLT-MTF, MTF steht für Multilateral Trading Facility)
Ein DLT-MTF ist ein multilaterales Handelssystem für DLT-Wertpapiere. Für den Erlaubnistatbestand des DLT-MTF gelten im Wesentlichen dieselben Regelungen, die heute bereits für die Betreiber von multilateralen Handelssystemen Anwendung finden. Im Gegensatz zu einer klassischen MTF-Handelsplattform gilt für ein DLT-MTF jedoch nicht die sogenannte Vermittlungspflicht im Rahmen der MiFID-II-Richtlinie. Stattdessen kann das DLT-MTF interessierten Investoren – und zwar sowohl aus dem Retail- als auch aus dem institutionellen Bereich – einen direkten Zugang zu seinem Handelsplatz ermöglichen.
- DLT-Abwicklungssysteme (DLT-SS, SS steht für Settlement System)
Der Erlaubnistatbestand des DLT-SS stellt im Wesentlichen die gleichen Funktionen wie die eines heutigen Wertpapierliefer- und Abrechnungssystems im Sinne der CSDR bereit. Im heutigen Kapitalmarkt stellen diese eine der Kernfunktionen eines Zentralverwahrers dar und dürfen auch nur von diesen erbracht werden. Konsequenterweise steht die Möglichkeit zum Betrieb eines DLT-SS auch ausschließlich zugelassenen Zentralverwahrern im Sinne der CSDR offen. Gleichzeitig definiert das DLT Pilot Regime für den DLT-SS zahlreiche Ausnahmen von bestehenden Regelungen, da sie dem Einsatz von Distributed Ledgers entgegenstehen und für DLT-Wertpapiere nicht erforderlich sind. So müssen DLT-Wertpapiere nicht mehr im Effektengiro eingebucht werden und der Barausgleich bzw. das Settlement darf auch in e-Geld-Token erfolgen.
- DLT-Handels- und Abwicklungssysteme (DLT-TSS, TSS steht für Trading and Settlement System)
Besonders relevant ist der dritte und letzte neue Erlaubnistatbestand: Das DLT-TSS kombiniert die Tätigkeiten eines Handelssystems (DLT-MTF) mit denen eines Abwicklungssystems (DLT-SS). Damit ermöglicht das DLT Pilot Regime den Handel und die Abwicklung von DLT-Wertpapieren aus einer Hand. Die Möglichkeit zum Betrieb eines DLT-TSS steht sowohl Wertpapierfirmen mit Zulassung zum Betrieb eines MTF als auch Zentralverwahrern offen.
Diese Erlaubnistatbestände und deren Kombination bieten bestehenden und neuen Akteuren am Kapitalmarkt die Möglichkeit ihr Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Es wird spannend zu beobachten, wie sich die verschiedenen Akteure am Kapitalmarkt verhalten und ob sich eine oder mehrere dezentrale Kapitalmarktinfrastrukturen werden etablieren können.
Dieser Text ist der erste Teil von zwei Artikeln, mit denen wir die Inhalte und Auswirkungen des DLT Pilot Regime beschreiben. Wie der Kapitalmarkt von morgen aussehen und welche Marktinfrastruktur sich durchsetzen könnte, beschreiben wir hier in Teil zwei.