IFRS 9: EZB stellt Aspekte der Risikovorsorge auf den Prüfstand

IFRS 9: Risikovorsorge auf Prüfstand

Banken sollten neue Risiken schneller identifizieren und Berechnungsmethoden anpassen.

Keyfacts:

  • Nach einem neuen Bericht der EZB bilden viele Banken nur unzureichende Vorsorge für neuartige, kurzfristig auftretende Risiken.
  • Sie mahnt Verbesserungen auf mehreren Handlungsfeldern an.
  • Unter anderem die Stufenzuordnung sollten Institute auf Basis der Vorgaben der EZB schärfen.

Zuletzt haben geopolitische Risiken und strukturelle ökonomische Krisen für das wirtschaftliche Umfeld von Banken an Bedeutung gewonnen. Ob die Kriege in der Ukraine und in Nahost oder die Corona-Pandemie und die auf sie folgende Inflations- und Zinsentwicklung: Immer häufiger mussten Banken in der jüngeren Vergangenheit auf neue Vorzeichen reagieren. Wie gut berücksichtigen die Institute das in ihrer Risikovorsorge?

Dieser Frage ist die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem Bericht zum Thema „IFRS 9 Overlays and Model Improvements for Novel Risks“ nachgegangen. Das Ergebnis: In Teilen vermerkt die EZB Fortschritte. Aber sie stellt auch fest, dass zahlreiche Banken für die genannten neuartigen Risiken weiter nur unzureichende oder sogar keine zusätzliche Risikovorsorge bilden. Grundsätzlich bestehe daher das Risiko, dass Kreditverluste und Kapitalbedarf unterschätzt werden.

EZB mahnt Verbesserungen auf mehreren Handlungsfeldern der Risikovorsorge an

Worum geht es? Die EZB hat sich in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde die Finanzberichterstattung der Kreditinstitute auf der Basis des internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS 9 (International Financial Reporting Standard 9) des International Accounting Standards Board vorgenommen. Und sie ist dabei, was die Umsetzung in den Instituten angeht, zu einem aus ihrer Sicht nicht zufriedenstellenden Ergebnis gelangt.

Im Wesentlichen nennt die EZB in ihrem Bericht die folgenden Handlungsfelder:

  • das Identifizieren der neuartigen Risiken mit Auswirkungen auf die Risikovorsorge auf der Basis von nachvollziehbaren Bankprozessen und Methoden
  • das Quantifizieren der Effekte auf der Basis von Modellen, denen es nicht an Sensitivität und Differenzierung mangelt und die nicht nur auf makroökonomischen Zeitreihen basieren – sie sollen außerdem auch portfolioindividuelle Situationen berücksichtigen
  • das Berücksichtigen der Risiken in der IFRS-9-Risikovorsorge und bei der Stufenzuordnung sowohl am Einzelgeschäft als auch als kollektive Stufenzuordnung

Wie sollten Banken darauf reagieren? Als zentrale Herausforderung sehen wir die Notwendigkeit einer bankbereichsübergreifenden Governance. Sie muss geschaffen werden, um die neuartigen, sich wandelnden Risiken fortlaufend und zuverlässig zu identifizieren und Methoden zur szenariobasierten Quantifizierung von Risikovorsorge zu definieren. Gerade diesen Aspekt vermisst die EZB an vielen Stellen.

Bereichsübergreifende Zusammenarbeit gerade für den Jahresabschluss unabdingbar

In der Praxis entsteht ein nachvollziehbares Gesamtbild nur auf der Basis einer konsistenten Risikoeinschätzung in den verschiedenen Funktionen des Risikocontrollings zusammen mit den Marktabteilungen, der Finanzfunktion und im Einklang mit volkswirtschaftlichen Erwartungen.

Um zwischen diesen Bereichen eine effiziente und zielgerichtete Zusammenarbeit sicherzustellen, ist die Definition von klaren Verantwortlichkeiten und Ablaufplänen unverzichtbar. Das ist unserer Einschätzung nach sowohl unterjährig als auch insbesondere im Jahresabschlussprozess ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Korrekte Risikovorsorge: Kritik an der Stufenzuordnung

Die Quantifizierung der Auswirkungen eines gerade aufgetretenen Risikos auf die Risikovorsorgehöhe muss in diesem Prozess auf aussagekräftigen Simulationsrechnungen beruhen. Das kann nur mit einer effizienten und simulationsfähigen Infrastruktur aus Tools und Auswertungsmöglichkeiten gelingen.

So sind beispielsweise beim Auftreten eines geopolitischen Risikos in kurzer Zeit die entsprechenden sogenannten zu identifizieren Exposures und deren Risikoprofil ist anzupassen.

Dieses Beispiel verdeutlicht auch den wesentlichen Kritikpunkt der Aufsicht zur Stufenzuordnung nach IFRS 9: Wenn Finanzinstrumente im IFRS 9 ein signifikant erhöhtes Kreditrisiko aufweisen, sind diese in der sogenannten Stufe 2 in der Finanzberichterstattung anzuzeigen und mit einer höheren Risikovorsorge zu belegen.

Tritt ein geopolitisches Risiko ein, das eine ganze Klasse von Exposures mit bestimmtem Risikoprofil gleichermaßen betrifft, sind diese Exposures gegebenenfalls auch kollektiv der Stufe 2 zuzuordnen.

Pauschale Anpassungen und Ertragsmanagement

Auf IT- oder Systemseite resultiert daraus der Bedarf, die Parameter zur Berechnung der Risikovorsorge in einer variablen und anpassbaren Form vorzuhalten. Zudem ist eine Trennung der Banksteuerungskreise auf Parameterebene empfehlenswert, wenn die Anpassung der Parameter der Risikovorsorge nicht direkt einen Einfluss auf weitere Banksteuerungskreise wie die Risk-weighted Assets (RWA) haben soll.

Abschließend ist noch hervorzuheben, dass die EZB auch auf den Zusammenhang von Overlays – also pauschalen Anpassungen – und Ertragsmanagement eingeht. Während dieses Ergebnis nicht gegen Overlays im Allgemeinen spricht, zeigt es, dass Overlays nicht nur eine Best-Effort-Prognose sind, sondern auch ein potenzielles Instrument zur Ertragssteuerung.

Die EZB wird die Banken weiter beobachten und aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergreifen, um angemessene Prozesse und Risikovorsorgen für neuartige Risiken zu gewährleisten – von der Identifizierung bis hin zur korrekten Bilanzierung. Gleichzeitig stellt erst eine angemessene Berücksichtigung von neuartigen Risiken auch eine angemessene Risikovorsorge sicher.

Unter dem Strich sollten sich Banken zeitnah mit ihrem Ansatz zur Verarbeitung von neuartigen Risiken auseinandersetzen und analysieren, wo sie im Abgleich mit den Erwartungen der EZB stehen. Denn die Zeit könnte knapp werden, wenn gerade zum Jahresabschluss auch technische Anpassungen notwendig werden sollten. Andernfalls könnte das Institut – beispielsweise durch Sonderprüfungen – in den Fokus der Aufsicht geraten.