Kreditrisiken bei Gewerbeimmobilien: EZB fordert Institute zum Handeln auf
Kreditrisiken bei Gewerbeimmobilien: EZB fordert Institute zum Handeln auf
Die Aufsicht fordert, dass Kreditinstitute Immobilienbewertungen engmaschiger überwachen.
Keyfacts:
- In einer Veröffentlichung von August formuliert die Europäische Zentralbank Mängel im Kreditrisikomanagement von Gewerbeimmobilien.
- Vielfach sei die Datenbasis bei der Wertermittlung und Wertüberwachung nicht ausreichend.
- Wir sehen Handlungsbedarf bei den Kreditinstituten und zeigen zu erwartende Implikationen auf.
Seit 2018 überwacht und prüft die Europäische Zentralbank (EZB) unter anderem durch Vor-Ort-Prüfungen (On-Site Inspections, OSI) das Kreditrisikomanagement bei systemrelevanten Kreditinstituten. Seit Kurzem legt die EZB in diesen OSIs den Fokus verstärkt auf das Gewerbeimmobilienkreditgeschäft (Commercial Real Estate – CRE). Insbesondere die Wertermittlungen zur Besicherung der Finanzierungen stehen bei den Prüfungen im Mittelpunkt.
In einer Veröffentlichung vom 14. August 2024 hat die EZB nun dargelegt, welche wesentlichen Erkenntnisse sie aus der Überprüfung der Marktwertermittlungen zieht – und leitet daraus Verbesserungsvorschläge für Kreditinstitute ab. Mehrere Praktiken bewertet die Aufsicht als mangelhaft, sodass bei Kreditinstituten Handlungsbedarf entsteht. Die wesentlichen Erkenntnisse werden in den folgenden Abschnitten zusammengefasst:
- Die Aufsicht sieht in der Wertermittlung und -überwachung bei CRE-Immobilien zum Teil große Mängel. Aus einer regulatorischen Perspektive wird die Verwendung des Marktwerts zur Bewertung der als Sicherheit hinterlegten Immobilie gefordert. Eine engmaschige Überwachung, vor allem in schwierigen Marktphasen, hätte eine stärkere Abwertung der Immobilien in der aktuellen CRE-Krise herbeiführen müssen.
- Statt einer marktnahen Wertermittlung unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung zeigte sich, dass Kreditinstitute auf mögliche Zukunftswerte oder gar auf Werte zurückgriffen, die nicht die aktuelle Marktlage widerspiegelten. Aufgrund fehlender Vergleichstransaktionen, so stellt die EZB fest, seien zum Teil Vergangenheitsdaten ohne Korrektur genutzt worden.
- Außerdem seien Sicherheiten durch die Verwendung von besonderen Annahmen (Sachverhalte, die vom Stichtag abweichen) bewertet worden, wobei deren monetärer Wertbeitrag nicht quantifizierbar hervorgehoben wurde. Die ESG-Risikodimension, die eine immer wichtigere Rolle bei Investoren einnimmt, ist durch Kreditinstitute ebenso wie durch Gutachter weiter schwer zu ermitteln und soll daher besser quantifiziert werden.
- Gutachter sind zukünftig in der Pflicht zur Erhebung, Berechnung und zur Sicherstellung der Revisionssicherheit der Bewertungsparameter. Kreditinstitute stehen in der Folge vor der Herausforderung, erhaltene Bewertungen und die dafür verwendeten Daten detailliert nachzuvollziehen.
Methoden und Modelle zur Bewertung von Sicherheiten für Gewerbeimmobilien in der Kritik
Als mangelhaft identifiziert die Aufsicht ebenfalls die vorhandene Anwendung von Methoden und Modellen in der Bewertung von Immobiliensicherheiten. Bewertungen wurden, statt durch eine angemessene Besichtigung vor Ort, durch Remote-Verfahren ersetzt.
Darüber hinaus wurden laut EZB teilweise äußerst reaktive Bewertungsmethoden genutzt, ohne dass dabei analysiert wurde, wie marginale Änderungen bei verschiedenen Parametern das Risiko beeinflussen. Andererseits orientierten sich Marktwerte an einer Betrachtungsweise über den Kreditlebenszyklus oder berücksichtigten sehr stark vergangenheitsorientierte Daten, statt an der aktuellen Marktlage. Bei der Bewertung ganzer Portfolios blieben Besonderheiten im Immobilienbestand außer Betracht, sodass diese Modelle einer realitätsnahen Bewertung nicht nachkamen.
Zuletzt sieht die Aufsicht ein Bewertungsrisiko bei den Kreditnehmern und deren Sponsoren, die ihre Vermögenswerte als Sicherheit hinterlegen. Die korrekte Bewertung der Vermögenswerte sei, aufgrund fehlender Informationen, für die Kreditinstitute schwer zu validieren.
EZB-Beobachtungen lösen Handlungsbedarfe bei den Kreditinstituten aus
Die Beobachtungen der Aufsicht und die daraus resultierenden Erwartungen lösen Handlungsbedarfe bei den Kreditinstituten aus. In diesen vier Fokusthemen sehen wir dringenden Handlungsbedarf:
1. Kreditinstitute müssen die Marktwerte engmaschiger überwachen
Die Überwachung der Marktwerte muss deutlich engmaschiger erfolgen. Im Rahmen von Offenlegungsprozessen und Ad-hoc-Stressphasen sind Marktwerte neu zu erheben und bei Bedarf zu korrigieren. In schwachen Marktphasen und bei einer Änderung der Bewertungsparameter werden Sicherheitenwerte so sequenziell korrigiert. Das setzt Strukturen voraus, in denen Veränderungen bemerkt und eine Betroffenheit des eigenen Immobilienbestands erkannt wird. Wenn sich Bewertungen verändern, lösen diese weitere Prozesse innerhalb des Kreditprozesses aus – unter anderem mit Blick auf Risikofrühwarnung, eine Anpassung des Ratings und der Betreuungsstufe – und damit auch Interaktionen mit dem Kreditnehmer.
Bilanziell wird sich eine deutlichere Dynamik in der Bildung der Risikovorsorge zeigen. Schwache Marktphasen werden die Kreditrisikokosten der Kreditinstitute deutlich erhöhen, wobei auf eine Erholung gegebenenfalls mit Vorsicht zu reagieren ist. Das Gesamtportfolio wird überwachungsintensiver und damit die Kreditkosten für Kreditnehmer erhöhen.
2. Datenerhebung und Überprüfung sollen klarer werden
Für das Erstellen von Gutachten gelten hohe Anforderungen. Datengrundlagen, Quellen und mögliche Anpassungen müssen für einen fachkundigen Dritten klar ersichtlich sein und von dem Gutachter belegt werden können. Werden besondere Annahmen zur Wertermittlung genutzt oder ESG-Risiken bewertet, muss dies klar ersichtlich sein, und ihr monetärer Wertbeitrag und das damit verbundene Risiko müssen dokumentiert werden.
Das erfordert von Gutachtern und Kreditinstituten, dass sie in Daten investieren. Die Kreditinstitute müssen künftig in der Lage sein, Gutachten nicht nur nachzuvollziehen, sondern sie eingehend mit eigenen Parametern auf ihre Richtigkeit zu prüfen.
Im Rahmen der CRR-III-Umsetzung wird ab dem 1. Januar 2025 an außerdem ein neues Betrachtungskonzept von nachhaltigen Marktwerten über die Kreditlebenszeit zur Pflicht. Hierfür gilt es, Marktdaten vorzuhalten. Wertberichtungen sind damit deutlich schneller ersichtlich.
3. Präzisere Methodik für Bewertungsmodelle und Modellbewertungen
Kreditinstitute sind in der Pflicht, klare Kriterien für die Anwendung ihrer Bewertungsmodelle festzulegen. Bei der Nutzung von Bewertungsansätzen, die auf verschiedene Modelle zurückgreifen, sind die entstehenden Bewertungsunterschiede zu plausibilisieren, damit unzureichende Daten bestmöglich detektiert werden.
Neben den Daten werden auch dafür Kenntnisse zu Werttreibern auf granularer Ebene benötigt. Wer sich hingegen nur auf ein Bewertungsmodell verlässt, muss diese Bewertung kritisch gegenüber anderen Bewertungsmodellen prüfen. Außerdem ist über weitere Sensitivitätsanalysen ein mögliches Spektrum an Marktwerten zu ermitteln, dass es zulässt, bei Parameterveränderungen zügig auf die neue Realität einzugehen.
Auch Modellbewertungen ganzer Portfolios sind nicht als alleinstehende Bewertungs-/Steuerungsgrundlage zu verwenden, sondern müssen auf diese Anforderungen angepasst und durch Testmodelle regelmäßig überprüft und angepasst werden.
4. Sponsoren
Mögliche Sponsoren müssen einer tiefgehenden Analyse und Überwachung unterzogen werden. Das betrifft zum einen Finanzierungen mit Rückgriffscharakter (Recourse), zum anderen Finanzierungen ohne Rückgriffscharakter (Non-Recourse).
Darüber hinaus ist die Bewertung der Vermögenswerte der Sponsoren von maßgeblicher Bedeutung, sodass diese – vergleichbar zur Sicherheitenbewertung von herkömmlichen Kreditnehmer:innen – bewertet und überwacht werden müssen und Fremdbewertungen seitens der Sponsoren stetig in Frage zu stellen sind.
Auch hier stehen Kreditinstitute vor der Herausforderung einer angemessen Informationslage. Sie müssen eigene Daten für die geforderte Validierung vorhalten – das wird nur durch Investitionen in die Weiterentwicklung der Daten möglich sein.