Neues Urteil zur steuerlichen Behandlung von Fondsetablierungskosten

Entscheidung des FG Münster bringt erste Einschätzung über die geltende Rückwirkung.

Ob Schiffe, Immobilien, Flugzeuge oder Unternehmen: Geschlossene Beteiligungen an Sachwerten sind ein etabliertes Anlageprodukt. Für Aufsehen mit Blick auf die Besteuerung ihrer Kosten sorgt jetzt ein neues Urteil. Worum geht es?

Im Zentrum steht die Pflicht zur Aktivierung von Fondsetablierungskosten. Die Frage: Sind sie in der Bilanz anzusetzen – also zu aktivieren – oder nicht? Die Pflicht zur Aktivierung der Etablierungskosten, zu denen auch Managementgebühren zählen, wurde 2019 eingeführt und sie ist bis heute umstritten. Das gilt zum einen mit Blick auf die praktische Ausgestaltung zur Umsetzung der Norm. Zum anderen betrifft es auch die gesetzlich angeordnete Rückwirkung.

Einen wichtigen Beitrag zur Diskussion liefert jetzt das Finanzgericht Münster. In einem neuen Urteil (Az.: 12K 357/18F) hat es zu den Voraussetzungen des § 6e Einkommensteuergesetz (EStG) Stellung genommen, welcher Fondsetablierungskosten als Anschaffungskosten qualifiziert, und entschieden, dass die Anwendung auf abgeschlossene Veranlagungszeiträume eine verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung darstellt.

Nun wird mit großer Wahrscheinlichkeit der Bundesfinanzhof (BFH) über die Anwendung entscheiden müssen – der Fall ist dort unter dem Aktenzeichen: IV R 6/24 anhängig. Doch bereits das Urteil aus Münster liefert einige Erkenntnisse, die es in der Praxis zu berücksichtigen gilt.

Was regelt § 6e des Einkommensteuergesetzes (EStG)?

In Absatz 1 des § 6e EStG ist festgelegt, dass Fondsetablierungskosten zu den Anschaffungskosten solcher Wirtschaftsgüter gehören, die Steuerpflichtige gemeinschaftlich mit weiteren Anlegern gemäß einem von einem Projektanbieter vorformulierten Vertragswerk anschaffen. Das können zum Beispiel Schiffe, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften oder Immobilien sein. Voraussetzung für die Anwendung ist, dass die Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine wesentlichen Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das Vertragswerk haben. In diesem Fall gelten die Wirtschaftsgüter als angeschafft.

Im Ergebnis können derartige Fondsetablierungskosten damit nicht sofort als gewinnmindernde Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden und auch nicht den Verlust nach § 15b EStG erhöhen.

Wer ist von der Regelung im § 6e des EStG betroffen?

Für geschlossene Fonds typisch ist die – durch den Gesetzeswortlaut geforderte – fehlende Einflussmöglichkeit auf das Vertragswerk. Die Regelung entfaltet damit grundsätzlich auf Personengesellschaften Anwendung. Praktische Bedeutung erlangt sie beispielsweise für Alternative Fonds, insbesondere Private Equity Fonds, Schiffsfonds und Immobilienfonds.

Daneben sieht der Gesetzgeber gemäß Absatz 3 des § 6e EStG auch vergleichbare Fälle vom Anwendungsbereich erfasst. Ein solcher Fall könnte bei Erwerb einer Eigentumswohnung in einem von einem Bauträger sanierten Altbau vorliegen, wenn dieser neben dem Verkauf auch die Finanzierung und spätere Vermietung übernimmt.

Auch bei Ferienwohnungen könnten solche Konzepte zu finden sein und weitere Fälle sind denkbar. In der Praxis ist die Norm mit ihren vielen Öffnungsklauseln jedoch außerhalb des steuerlichen Dunstkreises geschlossener Personengesellschaftsfonds wenig bekannt.

Was können also Fondsetablierungskosten sein?

Das ist in Absatz 2 des § 6e EStG geregelt: Demnach gehören zu Fondsetablierungskosten neben den klassischen Anschaffungskosten alle auf Grund des vorformulierten Vertragswerts an den Anbieter geleisteten Aufwendungen, die auf den Erwerb von Wirtschaftsgütern durch den Fonds gerichtet sind.

Das umfasst auch alle an den Projektanbieter oder an Dritte geleisteten Aufwendungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts in der Investitionsphase stehen sowie die Haftungs- und Geschäftsführungsvergütungen für Komplementäre, Geschäftsführungsvergütungen bei schuldrechtlichem Leistungsaustausch und Vergütungen für Treuhandkommanditisten, soweit sie auf die Investitionsphase entfallen (bei geschlossenen Fonds als Management Fees bezeichnet).

Die Definition ist vage und steht in enger Anlehnung an den sogenannten Bauherren- und Fondserlass von 2003. Abzustellen ist auf den Zweck der Anwendung, soweit dieser nicht auf den Erwerb der Wirtschaftsgüter gerichtet ist, wie zum Beispiel bei Aufwendungen für die Nutzung und Verwaltung des erworbenen Wirtschaftsgutes. Letztere können sofort als Aufwand berücksichtigt werden.

Typische Beispiele für Fondsetablierungskosten sind:

  • Eigenkapitalvermittlungsprovisionen
  • Fremdkapitalvermittlungsgebühren
  • Kosten der Fondskonzeption (inklusive Beratergebühren)
  • Gebühr für Platzierungsgarantie
  • Gebühren für Analysen potenzieller Investitionsmöglichkeiten
  • Prospektgutachten

Die Kosten sind nach dem Wortlaut des Absatz 2 § 6 EStG „Aufwendungen der Anleger“. Daher hätte man interpretieren können, dass die Anwendung des § 6e eine direkte Kostentragung der Anleger bedingt. Das neue Urteil aus Münster stellt jedoch klar, dass auch vom Fonds selbst getragene Kosten, beispielsweise für später eintretende Gesellschafter oder insgesamt im Zusammenhang von Zweitmarktfonds, der Aktivierungspflicht unterliegen.

Unklarheiten in der Definition bleiben auch nach dem Urteil des FG Münster bestehen

Grundsätzlich sind sich die Diskussionsteilnehmer:innen einig: Der § 6e EStG ist von einem unglücklichen Wortlaut und von zahlreichen undefinierten Begriffen geprägt. Das aktuelle Urteil aus Münster versucht nun, einige davon definitorisch zumindest annähernd zu umreißen:

  • „Gemeinschaftliche“ Anschaffung: Das Gericht sieht hier die gemeinschaftliche Entscheidung der Gesellschafterversammlung im Vordergrund, die über das vorformulierte Vertragswerk entscheiden muss.
  • „Vorformuliertes Vertragswerk“: Das Gericht sieht ein Vertragswerk im Sinne des Absatz 1 § 6e EStG als „vorformuliert“ an, wenn „der Anleger nur die Wahl hat, entweder das gesamte Bündel der Verträge zu übernehmen oder sich nicht zu beteiligen (BFH-Urteil vom 14.11.1989 IX R 197/84, BStBl II 1990, 299). Es stellt auf das einseitige „Vorgeben“ des Vertragswerks durch den Initiator des Fonds und die einhergehende modellbedingte Passivität der Anleger ab.
  • Erwerber- oder Herstellerfonds: Ferner stellt das Gericht klar, dass die Regelung ungeachtet dessen anwendbar ist, ob es sich ohne Anwendung des § 6e EStG um einen Erwerber- oder einen Herstellerfonds handelt. Diese Frage wurde in der Literatur bei Einführung des § 6e EStG diskutiert.
  • Projektbegriff: Das Gericht geht auch auf den im Paragrafen genannten Begriff des „Projekts“.
    Danach soll die Systematik innerhalb des § 6e EStG nahelegen, dass der Projektbegriff nicht dem Begriff des Wirtschaftsgutes entspricht. Vielmehr kann er darüber hinausgehen und ist – auch nach allgemeinem Sprachgebrauch – weniger gegenständlich als vielmehr durch eine bestimmte konzeptionelle Zielsetzung gekennzeichnet.
  • „Investitionsphase“: Sie definiert das Gericht erstmals grob. Demnach beginnt die Investitionsphase „regelmäßig mit den konkreten Planungs- und Vorbereitungshandlungen (durch den Projektanbieter) im Hinblick auf den späteren Erwerbsvorgang und endet mit dem Objekterwerb […]“. Die Investitionsphase ist nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich nicht wirtschaftsgut-, sondern projektbezogen zu verstehen.

Betroffene sollten ihre bisherige Anwendung auf Basis des neuen Urteils überprüfen.

Urteil stellt fest: Rückwirkung kann zulässig sein

Der § 6e EStG trat 2019 in Kraft mit Geltung für alle noch offenen Veranlagungszeiträume. Kontrovers diskutiert wurde seitdem die Frage, ob die sich daraus ergebende Rückwirkung verfassungsgemäß ist. Nach derzeitig vorherrschender Literaturmeinung dürfte das zu verneinen sein, wird aber durch das Urteil des FG Münster zumindest in Teilen und auf den speziellen Fall gerichtet anders gesehen.

Eine echte Rückwirkung wie im vorliegenden Fall sei nur verfassungsgemäß, wenn die Betroffenen kein schützenswertes Interesse (Vertrauensschutz) hätten. Dieses ist regelmäßig dann gegeben, wenn der Gesetzgeber auf eine höchstrichterliche Entscheidung, durch die eine gefestigte Rechtsprechung aufgegeben wird, unverzüglich reagiert und die Rechtslage, die der aufgegebenen gefestigten Rechtsprechung entspricht, wiederherstellt.

Zu unterscheiden sind hierbei folgende zwei Zeiträume:

  1. Altsachverhalte bis 11. Juli 2018: In dieser Zeit galt einhellige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, dass für Projektgesellschaften eine Aktivierung der Fondsetablierungskosten zu erfolgen hätte. Bis zur Einfügung des § 15b EStG wurde daher für diverse Fondsetablierungskosten bei modellhaften Gestaltungen unter Anwendung des § 42 AO bereits der sofortige Abzug als Betriebsausgaben untersagt. Das FG Münster Urteil sieht im dort streitgegenständlichen Fall für diesen Zeitraum keine verfassungswidrige Rückwirkung.Ob die damalige Verwaltungspraxis bundeseinheitlich auch Managementgebühren als Fondsetablierungskosten definierte und überhaupt auch beispielsweise auf klassische Private Equity Fonds anwendbar war, ist zweifelhaft und nicht abschließend geklärt. Das neue Urteil kann hierzu keine klare Auskunft geben, da es einen Sachverhalt von Schiffsfondsbeteiligungen beinhaltet.
  2. Sachverhalte vom 11. Juli 2018 bis zum 9. August 2019: Mit der Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung durch das BFH-Urteil vom 26. April 2018 (Az.: IV R 33/15) änderte sich jedoch die Rechtlage. Das Urteil hatte zum Inhalt, dass die Fondsetablierungskosten nicht auf Basis der bisherigen Rechtsprechung zum Bauherrenerlass (unterstellt diese seien eine missbräuchliche Gestaltung i.S.v. § 42 AO) zu aktivieren sind, da mit dem § 15b EStG eine spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschrift vorrangig vor § 42 AO anzuwenden ist.
    Im Ergebnis hat der BFH den Abzug von Fondsetablierungskosten als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben von diesem Zeitpunkt an zugelassen. Das FG Münster hat im streitgegenständlichen Fall hier keine Aussage zu diesem Zeitraum treffen müssen. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer echten Rückwirkung für diesen Zeitraum bleibt ungeklärt und wird gegebenenfalls auch nicht durch den BFH zu klären sein, da der zugrundeliegende Ausgangssachverhalt hier nicht betroffen ist.

Vorläufige Steuerfestsetzung notwendig 

Der unglückliche Wortlaut, der zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe enthält und von handelsrechtlichen Grundsätzen abweicht, stellt Anleger, Projektgesellschaften, Asset Manager, Steuerberater und die Finanzverwaltung selbst seit Jahren vor große Herausforderungen. Einige Fragen, die bis heute nicht abschließend geklärt sind – beispielsweise durch eine OFD-Verfügung oder ein BMF-Schreiben – sind:

  • Welche Kosten sind genau zu aktivieren?
  • Wie lange läuft die Investitionsphase und gilt diese auch bei Secondary Fonds?
  • Welche praktischen Vereinfachungen und Annahmen kann man bei Bestimmung der Investitionsphase insbesondere bei Projektgesellschaften mit einer Vielzahl von Einzelassets innerhalb mehrerer „Projekte“, wie Fund-of Fund Strukturen, umsetzen?
  • Was ist ein vorformuliertes Vertragswerk genau und sind zum Beispiel in der Praxis oft vorkommende „Co-Investments“, wo ein Vertragswerk regelmäßig mit den Vertragsparteien individuell besprochen wird, auch bereits vom Anwendungsbereich erfasst?
  • Wann haben Anleger eine Einflussnahmemöglichkeit, wie wird diese definiert und wie sollte sie gegenüber der Finanzverwaltung dokumentiert werden? Genügt auch eine spezifische Beteiligungshöhe?
  • Wie sollte die Aktivierung der Kosten in der Praxis genau erfolgen, beispielsweise über Sammelposten oder ähnliches? Hier sind bereits verschiedene Modelle im Markt etabliert.
  • Wie ist bei Spezialfällen, wie einer Fund-of-Fund-Private-Equity-Struktur (doppelstöckige Personalgesellschaften), vorzugehen?
  • Sind bei einem Sammelpostenmodell auch Vorgaben für die Auflösung dieses Postens zu beachten?

So bleibt es weiterhin fraglich, wie eine Anwendung dieser Norm in der Praxis zu erfolgen hat. Steuerpflichtige sollten Verfahren bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung beim BFH offenhalten. Verhandlungen und Diskussionen mit der Finanzverwaltung sind wahrscheinlich, weshalb eine gute Dokumentation und klare einheitliche interne Vorgaben für die Behandlung zur Aktivierung der Kosten bei Fondsanbietern ein Muss sein sollten.