Post-Merger-Integration: Die Bedeutung der ersten 100 Tage

PMI: Die ersten 100 Tage

An fünf Hebeln stellen Finanzunternehmen die Weichen für den Integrationserfolg.

Keyfacts:

  • In den ersten 100 Tagen nach dem Closing legen PMI-Verantwortliche den Grundstein für langfristigen Erfolg.
  • Gerade im streng regulierten Financial-Services-Bereich sind frühe Entscheidungen und klare Vorgaben unerlässlich, um das Vertrauen von Investoren und Stakeholdern zu sichern.
  • Fünf wesentliche Hebel sollten Verantwortliche dafür in den Blick nehmen. Eine Übersicht finden Sie in der Tabelle unten.

    Im Zuge von Fusionen und Übernahmen (Mergers and Acquisitions, M&A) ist die Post-Merger-Integration (PMI) eine kritische Phase. Sie entscheidet maßgeblich mit über nachhaltigen Erfolg oder Misserfolg. In den ersten 100 Tagen nach der Fusion müssen Unternehmen drei zentrale Herausforderungen meistern:

    • die Komplexität der Integrationsphase 
    • den Zeitdruck und
    • die Unerfahrenheit vieler Führungskräfte mit der speziellen Dynamik einer solchen Aufgabe.

    Denn eine Post-Merger-Integration bringt besondere Herausforderungen mit sich, da sie die verschiedenen Unternehmenskulturen und -strukturen zusammenführt und dabei einen erheblichen Koordinationsaufwand erfordert. Führungskräfte stehen unter Druck, rasch zu handeln, damit Synergieeffekte schnell – meist innerhalb von 12 bis 24 Monaten – sichtbar werden. Gelingt es nicht, diese Phase effizient zu steuern, steigen die Kosten, die Produktivität sinkt und Ineffizienzen nehmen zu.

    Führungskräften ohne Erfahrung in der Integration fehlt häufig das spezifische Know-how, um den damit verbundenen Veränderungen erfolgreich zu begegnen. Ein strategischer Ansatz sowie eine gezielte Auswahl und Förderung von Schlüsselpersonen sind daher entscheidend.

    Vorbereitungen für eine erfolgreiche Post-Merger-Integration

    Bereits vor dem Closing eines Mergers müssen entscheidende Vorbereitungen getroffen werden, um den Übergang reibungslos und rechtssicher zu gestalten. Diese Schritte sind essenziell, da sie den Grundstein für den Erfolg der anschließenden Integration legen. Der Kaufvertrag, das Share Purchase Agreement (SPA), muss klare Rollen und Verantwortlichkeiten für Käufer und Verkäufer festlegen. Zusätzlich gilt es, alle notwendigen behördlichen Freigaben rechtzeitig einzuholen, um rechtliche und regulatorische Hürden später zu vermeiden.

    Im Financial-Services-Sektor ist es besonders wichtig, ab dem ersten Tag die Berichterstattung an Aufsichtsbehörden sicherzustellen, die Risikomanagementvorgaben einzuhalten und geeignete Organisationsstrukturen zu schaffen. Ebenso entscheidend ist es, die Führungskräfte frühzeitig auf ihre neuen Rollen vorzubereiten, da dies die langfristige Stabilität der Integration stark beeinflusst. Die zeitige Festlegung der rechtlichen und regulatorischen Mindestanforderungen legt ein solides Fundament für schnelles und nachhaltiges Wachstum.

    Tipp: In unserem Artikel Post-Merger-Integration von Fintechs: Die richtigen Fragen stellen“ lesen Sie mehr über die Vorbereitung einer Fintech-Integration.

     

    Grafik: Die Phasen einer Integration

    Infografik

    Die 5 Integrationsschwerpunkte einer Post-Merger-Integration

    Um den komplexen Integrationsprozess erfolgreich zu steuern, muss der Käufer, basierend auf einem klaren Zielbild, einen präzisen Plan mit festgelegten Schritten aufstellen.

    Dabei sind fünf zentrale Schwerpunkte zu berücksichtigen, für die bereits erprobte Methoden existieren: Produktintegration, funktionale Integration, IT-Integration, kulturelle Integration und die Realisierung von Synergien. Diese Bereiche sind die Basis für eine erfolgreiche Integration und tragen maßgeblich dazu bei, die Kosteneffizienz zu steigern und Ertragspotenziale durch optimierte Produkte, Prozesse und Systeme zu maximieren.

    Besonders im Financial-Services-Sektor ist es wichtig, diese Schwerpunkte unter Beachtung der geltenden rechtlichen und regulatorischen Anforderungen konsequent umzusetzen. Dies erfordert eine genaue Einhaltung von Compliance-Vorgaben und Risikomanagementstandards.

    1. Produktintegration: Marktposition stärken und Kundenzufriedenheit sichern

    Produkte und Dienstleistungen sind der Kern eines Unternehmens und entscheidend für Wachstum und Erfolg. Eine gezielte Zusammenführung der Produktportfolios im Rahmen der Produktintegration ermöglicht es dem neuen Unternehmen, seine Marktposition zu stärken und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.

    Indem Produkte beider Unternehmen bewertet und optimiert werden, lassen sich Überschneidungen und Ineffizienzen beseitigen. Das Ziel ist, das Beste aus beiden Produktlinien zu kombinieren, dadurch das Produktangebot attraktiver zu machen und Vertriebswege optimal zu nutzen. Cross-Selling und Bundling-Angebote maximieren das Potenzial des erweiterten Portfolios.

    Es ist entscheidend, in dieser Phase eng mit den Kund:innen zusammenzuarbeiten, um deren Bedürfnisse und Präferenzen zu verstehen und dadurch die angebotenen Produkte besser auf ihre Anforderungen abzustimmen. 

    2. Funktionale Integration: Aufbau eines gemeinsamen Betriebsmodells

    Die funktionale Integration zielt darauf ab, ein einheitliches Betriebsmodell zu schaffen, das die Zusammenarbeit der fusionierten Einheiten erleichtert. Das umfasst die Vereinheitlichung von IT-Systemen, Auftragsabwicklungsprozessen und anderen operativen Strukturen. Durch Integration und Optimierung können Komplexität verringert, redundante Tätigkeiten abgeschafft und eine konsistente Arbeitsweise im gesamten Unternehmen gefördert werden.

    In dieser Phase muss die Integrationstiefe bestimmt sowie darüber entschieden werden, welche funktionalen Bereiche zentralisiert oder dezentralisiert werden. Eine gründliche Analyse der bestehenden Prozesse ist unerlässlich, um die optimale Integrationsstrategie zu entwickeln.

    Das im Vorfeld der Transaktion erarbeitete Fusionskonzept entlang der Anforderungen aus Abschnitt 8.3 der MaRisk (AT 8.3 „Übernahmen und Fusionen“) betont die Notwendigkeit, dass alle Maßnahmen zur Integration sorgfältig geplant und kontrolliert werden müssen. So kann sichergestellt werden, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen sowie die unternehmerischen Risiken und Chancen im Rahmen der Fusion angemessen berücksichtigt werden.

    Ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Post-Merger-Integration im Finanzbereich ist die Harmonisierung der Risikomanagementprozesse, um eine konsistente und transparente Finanzorganisation zu gewährleisten. Dazu gehört nicht nur die Konsolidierung der Finanz- und Reportingsysteme, sondern auch die Integration von Kontrollmechanismen, die eine einheitliche Überwachung finanzwirtschaftlicher Risiken ermöglichen. Das Ziel dieser Schritte ist es, durch die Schaffung einer stabilen Finanzstruktur Vertrauen bei Stakeholdern und Aufsichtsbehörden zu stärken und die Einhaltung regulatorischer Vorgaben sicherzustellen.

    3. IT-Integration: Sicherstellen der Geschäftskontinuität

    Eine erfolgreiche Zusammenführung der IT ist entscheidend für den Erfolg einer Fusion. Durch eine nahtlose Integration der IT-Infrastrukturen wird sichergestellt, dass alle Betriebsabläufe nahtlos fortgeführt und regulatorische Anforderungen erfüllt werden.

    Neben der Gewährleistung, dass die IT(-Infrastruktur) zuverlässig genug ist, um beispielsweise die Verpflichtungen aus den aktuell gültigen „Bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT“ (BAIT) beziehungsweise der DORA-Verordnung zu erfüllen, sind zuverlässige IT-Systeme entscheidend, um eine konsistente Kundenerfahrung zu gewährleisten.

    Die Harmonisierung von Datenbanken schafft von Anfang an eine solide Grundlage, um den Integrationsfortschritt zu messen. Innerhalb der ersten 100 Tage müssen klare IT-Integrationsziele definiert und eine Entscheidung über die zu verwendende IT-Plattform getroffen werden. Die Priorisierung der IT-Integrationsprojekte und die Planung der notwendigen Investitionen und Ressourcen sind ebenfalls entscheidende Aufgaben in dieser Phase.

    4. Kulturelle Integration: Schaffen einer gemeinsamen Unternehmenskultur

    Die kulturelle Integration ist ein oft unterschätzter, aber wesentlicher Erfolgsfaktor. Eine gemeinsame Unternehmenskultur erleichtert die Zusammenarbeit und hilft den Mitarbeitenden, sich in die neuen Strukturen einzufügen.

    Im Financial-Services-Sektor ist eine einheitliche Sicht auf Compliance und Risikomanagement besonders wichtig, um das Tagesgeschäft konsistent und in Einklang mit geltenden Vorschriften zu gestalten. Ein durchdachter Kommunikationsplan, der die Mitarbeitenden regelmäßig informiert, baut Vertrauen auf und reduziert Unsicherheiten.

    Zudem müssen klare Führungsrollen und Verantwortlichkeiten definiert und zügig etabliert werden, um Stabilität und Orientierung zu gewährleisten. Talentmanagement spielt eine zentrale Rolle, um Schlüsselpersonen zu identifizieren, zu fördern und in den Integrationsprozess einzubinden.

    5. Synergien realisieren und wirtschaftlichen Nutzen maximieren

    Das Realisieren von Synergien ist eine der Hauptaufgaben der Post-Merger-Integration. Die ursprünglich in der Due-Diligence-Phase formulierten Synergieannahmen müssen auf ihre Realisierbarkeit geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Gleichzeitig müssen die anfänglichen Kosten für die Umsetzung der Synergien realistisch kalkuliert werden, um den wirtschaftlichen Nutzen des Zusammenschlusses zu maximieren. Eine effektive Planung und Koordinierung dieser Synergien kann dazu beitragen, ineffiziente Prozesse zu eliminieren und doppelte Ressourcen zu reduzieren, was letztendlich zu Kostenersparnissen und einer gesteigerten Produktivität führt. Um einen maximalen Nutzen zu erzielen, sollten Unternehmen kontinuierlich Synergien überwachen und die Fortschritte regelmäßig evaluieren, um sicherzustellen, dass die beabsichtigten Effekte realisiert werden.

    Das Management sollte klare, messbare Synergieziele setzen und diese an alle relevanten Abteilungen und Teams kommunizieren. Das Ernennen eines Synergie-Managers, der die Umsetzung in Form einzelner Maßnahmen steuert und überwacht, ist ebenfalls empfehlenswert. Werden Bereiche mit hohem Synergiepotenzial identifiziert und priorisiert, kann der Integrationsprozess beschleunigt und das Vertrauen der Stakeholder gestärkt werden.

     

    Post-Merger-Integration: 5 Integrationsschwerpunkte auf einen Blick

     


    Produktintegration

    Funktionale Integration

    IT-Integration

    Kulturelle Integration

    Synergieumsetzung
    Kontinuität des
    Geschäftsbetriebes
    Festlegung der Integrationsrichtung und Ausbildung der Mitarbeitenden im Produktbereich Ausrichtung der Geschäftsbereiche mit einem detaillierten Integrationsplan für Organisation und Aufsicht Implementierung temporärer IT-Lösungen sowie Sicherstellung der Datenintegrität und -sicherheit Umgang mit kulturellem Widerstand und Förderung der Zusammenarbeit durch klare Kommunikation Überprüfung der DD-Synergieannahmen auf Basis der laufenden Kosten und Ertragstreiber
    Bestätigung der Synergieziele Optimierung der Produktstrategien zur Steigerung von Ertragssynergien Quantifizierung und Bottom-up-Validierung funktionaler Synergien zur Erreichung operativer Effizienzen Quantifizierung der notwendigen Ressourcen und Investitionen und Bottom-up-Validierung von IT-Synergien Festlegen der Verantwortlichkeiten und Erstellung eines Kommunikationsplans zur Erreichung der Synergieziele Validierung der Top-down-Synergieziele mit den Fachbereichen und Festlegung von Maßnahmen
    Validierung des Zielbetriebsmodells Abstimmung der Produkte auf das neue gemeinsame Betriebsmodell Erstellung einer Gap-Analyse und Integrationsplanung für funktionale Prozesse und Services im Betriebsmodell Sicherstellung der Anforderungen an das gemeinsame IT-Betriebssystem Harmonisierung der Unternehmenswerte und Kulturen im gemeinsamen Betriebsmodell Erstellung einer Impactanalyse von Synergiezielen auf das Ziel-betriebsmodell
    Detaillierung kritischer Pfad Koordination von Produktintegrations-meilensteinen einschließlich Notfallplanung Erfassung, Planung und Überwachung kritischer funktionaler Integrationstätigkeiten Detaillierte Planung, Priorisierung der IT-Integrationsmeilensteine und Bereichs-abhängigkeiten Planung und Umsetzung kultureller Integrationsschritte, insbesondere bei Schlüsselpersonen Erstellung einer Roadmap für kritische Synergieimplementierungs-Meilensteine
    Sicherstellung der Minimum-Day-1-Anforderungen Sicherstellen der Day-1-Readiness durch Priorisierung und interne und externe Kommunikation Mindestanforderungen an das Risikomanagement und die Berichterstattung für Day-1 sicherstellen Sicherstellen der Day-1 Readiness und Unterstützung für die Fachbereiche Minimierung von Unsicherheiten bei Mitarbeitenden, um den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren Sicherstellung der Quick Wins und frühzeitige Kommunikation von Erfolgen
    Minimierung der Integrationsrisiken Etablierung von Risikomanagement und Produkt-Compliance Entwicklung und Überwachung der Risikomanagementpläne für die funktionale Integration Bewertung der IT-Integrationsrisiken und Entwicklung von Mitigationsmaßnahmen Etablierung transparenter Kommunikation und anonymer Feedback-Kanäle Überwachung von Synergiemaßnahmen und Realisierungskosten

    100-Tage-Roadmap als Grundstein der Post-Merger-Integration

    Die ersten 100 Tage nach einem Zusammenschluss sind entscheidend, um den langfristigen Erfolg der Post-Merger-Integration zu sichern und eine stabile Grundlage für die Zukunft zu schaffen. In dieser kritischen Phase ist es unerlässlich, eine klare und detaillierte Roadmap zu entwickeln, die die fünf wesentlichen Integrationsschwerpunkte adressiert: Produktintegration, funktionale Integration, IT-Integration, kulturelle Integration und die Realisierung von Synergien. Eine solche Roadmap muss nicht nur auf den technischen und operativen Aspekten der Integration aufbauen, sondern auch die strategische Ausrichtung und die damit verbundenen Chancen beherzigen. Der Fokus sollte darauf liegen, Synergiepotenziale gezielt auszuschöpfen und gleichzeitig die Einhaltung rechtlicher sowie regulatorischer Vorgaben sicherzustellen.

    Um der Komplexität der Finanzdienstleistungsbranche gerecht zu werden, ist es ebenso wichtig, ein erfahrenes Integrationsteam mit umfassendem Fachwissen an den Start zu bringen, das in der Lage ist, schnell auf Herausforderungen und dynamische Marktbedingungen zu reagieren. Ein gut strukturierter Plan gepaart mit der richtigen Expertise kann das Unternehmen nicht nur auf eine erfolgreiche Integration vorbereiten, sondern auch den Grundstein für zukünftiges Wachstum legen.