Risiken, Profitabilität, ESG und KI: Jahresausblick für die Finanzindustrie
Jahresausblick Finanzindustrie
Drei Thesen zu den Themen und Veränderungen im Jahr 2024.
Keyfacts:
- Die Finanzindustrie wird Wege suchen, um Risikomanagement, steigende Refinanzierungskosten und Margendruck in Einklang zu bringen.
- Der Finanzplatz Deutschland bleibt begehrt und zieht internationale Player an.
- Und: Wir nennen die aus unserer Sicht großen Veränderungstreiber: Hier kommen drei Thesen zu den Entwicklungen der Finanzindustrie im Jahr 2024
1. Fragile Finanzstabilität – Strenges Risiko- und Profitabilitätsmanagement als Folge
Laut dem jüngsten Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank (November 2023) bleibt die Finanzstabilität im Euroraum fragil. In einem Umfeld schwachen ökonomischen Wachstums, hoher Inflation und anhaltender geopolitischer Risiken wirken sich die strengeren Finanzierungsbedingungen – insbesondere das Zinsumfeld – zunehmend auf die Realwirtschaft aus.
Noch profitiert der Finanzmarkt von den gestiegenen Zinsen. Und doch sehen die Marktteilnehmer zunehmend Herausforderungen durch höhere Finanzierungskosten, eine schlechtere Qualität der Vermögenswerte und ein geringeres Kreditvolumen.
Damit rückt ein strenges Risiko- und Profitabilitätsmanagement in den Fokus der Verantwortlichen in der Finanzindustrie. Sie suchen nach Wegen, um gesamtwirtschaftlichen Risiken, Druck auf Margen und weiter steigenden Refinanzierungskosten bestmöglich zu begegnen.
2. Finanzplatz Deutschland international begehrt: Neue Wettbewerber treten auf den Plan
Frankfurt spielt in den Rankings der Finanzplätze weiter vorn mit. Deutschland bewirbt sich mit der Mainmetropole als Hauptsitz für die künftige EU-Behörde zur Geldwäschebekämpfung AMLA (Anti-Money Laundering Authority). Die Zentrale des neu gegründeten International Sustainability Standards Board (ISSB) ist bereits da – und internationale Institute, große wie mittlere, expandieren in Europa und Deutschland und kommen nach Berlin und Frankfurt.
Auch wenn das Rennen zwischen Paris und Frankfurt als Hauptfinanzplatz der EU uns noch spannende Momente bescheren wird, ist festzuhalten: Der Finanzplatz Deutschland ist attraktiv und begehrt. Das führt sowohl zu steigendem Wettbewerb für deutsche Marktteilnehmer als auch zu einem exzellenten Finanzökosystem für alle Akteure.
Banken, Versicherungen und Asset Manager müssen daher konsequent ihre Geschäftsmodelle analysieren und an den Bedürfnissen der Kunden nach Digitalisierung, ESG-Konformität und einfachen, unkomplizierten Prozessen ausrichten.
3. Eine neue Stufe der Digitalisierung, ESG wird Geschäftsmodell und Zukunft der Arbeit
Die Frage, die viele am meisten bewegt: Welche werden die großen Transformationstreiber und die großen Veränderungslinien im kommenden Jahr sein? Ich würde folgende Punkte herausgreifen: Die Digitalisierung erklimmt mit hohem Tempo neue Stufen – künstliche Intelligenz (KI) startet durch. ESG wird immer mehr ein strategischer Teil der Geschäftsmodelle. Und die Zukunft der Arbeitswelt ist divers, hybrid und wieder stärker geprägt von persönlichen Treffen.
Beginnen wir mit der Digitalisierung. KI-Systeme werden in der Lage sein, große Datenmengen zu analysieren und Entscheidungen in Echtzeit zu treffen. In dem Maße, wie Tools wie Bard (Google) und ChatGPT (Open AI) an Bedeutung gewonnen haben, erkennen globale CEOs zunehmend das scheinbar grenzenlose Potenzial der generativen KI und geben bei ihren Investitionen und der Erforschung dieser Technologie Gas. Das motoviert auch viele Finanzdienstleister, in KI zu investieren, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.
ESG wandert ins Zentrum der Geschäftsstrategie
Der Hype um ESG ist schon lange kein Hype mehr. Die nachhaltige Transformation ist notwendig und wird auch von politischer und regulatorischer Seite weiter stark forciert. Die zentrale Rolle der Finanzindustrie als Ermöglicher der nachhaltigen Transformation zeigt sich auch in den jüngsten Studien, die schätzen, dass der jährliche Finanzbedarf für den Klimaschutz sich auf mehrere Billionen US-Dollar in den nächsten Jahren beziffern wird.
Das bedeutet, dass Erweiterungen von Risikomodellen um Klima- und Naturrisiken und Geschäftsstrategien zur Nutzung der Chancen aus ESG in den Mittelpunkt gestellt werden müssen.
Im Büro, hybrid, produktiv: Wie wir künftig zusammenarbeiten werden
Es wurde in den vergangenen Monaten anhaltend viel diskutiert über die Arbeit im Home Office. Unsere aktuelle weltweite Befragung KPMG CEO Outlook 2023 hat ergeben: Fast sieben von zehn Unternehmenslenkern erwarten, dass ihre Mitarbeitenden in den nächsten drei Jahren vollständig zur Arbeit im Büro zurückkehren werden. Anreize werden dabei eine Rolle spielen, sagen drei Viertel.
Hybrides Arbeiten könnte also wieder zum Ausnahmefall werden, obwohl es in den vergangenen drei Jahren die Produktivität gesteigert hat und insbesondere von jüngeren Beschäftigen unterstützt wird. Gleichwohl haben viele Unternehmen realisiert, dass es schwierig ist über den Bildschirm belastbare Beziehungen aufzubauen und eine Unternehmenskultur und Unternehmensidentifikation nachhaltig zu verankern. Die Zeit vor Ort beim Kunden und im Büro wird voraussichtlich in 2024 wieder ansteigen. Ich finde: Führungskräfte sollten eine langfristige Perspektive einnehmen und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellen – mit großer Wahrscheinlichkeit wird die kommende Generation diese Entscheidung treffen.