So verändert KI Prüfung und Rechnungswesen börsennotierter Unternehmen
So verändert KI Prüfung und Rechnungswesen börsennotierter Unternehmen
Im Interview schildern unsere Experten, wie KI die Finanzwelt transformiert.
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) verändert die Wirtschaft rasant. Vor allem große Unternehmen investieren immer mehr in KI-Lösungen. Für den “KPMG global AI in finance report” haben wir Chief Financial Officer (CFOs) und weitere Führungskräfte aus dem Finanzbereich von 2.900 Unternehmen weltweit befragt.
Ein Ergebnis lautet: Unternehmen erhöhen ihre Ausgaben für maschinelles Lernen, Deep Learning und generative KI – und die meisten berichten von einem positiven Return on Investment (ROI).
Besonders generative KI gewinnt an Bedeutung: Vier von zehn Führungskräften (41 Prozent) nutzen sie aktiv, und das mit steigender Tendenz. Auch auf Seiten der Wirtschaftsprüfer sind die Erwartungen an die Technologie hoch – insbesondere, wenn es um die besonders große und komplexe Prüfung börsennotierter Unternehmen geht.

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Der Wirtschaftsprüfung hilft generative KI dabei, große Datenmengen effizienter zu analysieren und Anomalien zu erkennen, die für einen Menschen schwer zu erfassen wären. Die Zielsetzung: Der virtuelle Assistent soll die Präzision und Effizienz und damit auch die Qualität der Abschlussprüfung steigern, schildern die KPMG-Experten Frank Thiele und Sebastian Stöckle im Interview. Davon profitiert vor allem auch der Kunde.
Qualität hat in der Wirtschaftsprüfung höchste Priorität – welchen Beitrag leistet die KI?
Frank Thiele: Zunächst möchte ich einordnen: Für mich besteht die Qualität einer Prüfung in deutlich mehr als nur in fehlerfreien Finanzkennzahlen. Qualität drückt sich auch darin aus, wie gut Risiken und Abweichungen frühzeitig im Rahmen der Prüfung erkannt werden, sodass wir proaktiv mit unseren Mandanten ins Gespräch kommen. Hier kann die KI auf jeden Fall helfen.
Qualität hängt auch davon ab, wie tiefgehend die Analyse im Rahmen der Prüfung ist und wie präzise und zuverlässig das Prüfungsteam die relevanten Informationen aufbereitet und bewertet. Bei Konzernen im DAX-Bereich geht es um Milliardenbeträge. Das Vertrauen in die Finanzberichte muss immer gewährleistet sein.
Ein Praxisbeispiel: Mit dem Einsatz von KI können Stichprobenprüfungen mit statistischen Ungenauigkeiten vollständig entfallen. Wir prüfen alle Transaktionen mit den zugrundeliegenden Daten. Zudem können wir durch unser Know-how und die tiefgehende Analyse der Daten wertvolle Einblicke und Empfehlungen geben, die über die reine Prüfung hinausgehen und den Kunden helfen, ihre Geschäftsprozesse zu optimieren und Strategien zu verbessern – auch im Hinblick auf die Prävention von Betrug durch Deepfakes.
Allerdings gibt es auch gewisse Voraussetzungen, damit die KI sinnvoll angewendet und ihr Potenzial ausgeschöpft werden kann. Hier lautet das Stichwort Datenqualität. Je höher die zugrundeliegende Datenqualität beim zu prüfenden Unternehmen, desto effektiver kann die KI auf unserer Seite arbeiten.
Können Sie ein Beispiel dafür geben, wie eine gute Datengrundlage die Prüfung erleichtert?
Sebastian Stöckle: Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen hat seine Finanzdaten in einem gut strukturierten und zentralisierten System gespeichert – zum Beispiel in SAP S4/HANA. Diese Lösung ermöglicht es, alle relevanten Daten in Echtzeit zu analysieren. Unsere KI kann diese Daten – beispielweise über zentrale Data Lakes – schnell durchsuchen, um Unregelmäßigkeiten oder potenzielle Risiken zu erkennen. Data Lakes bieten also die Infrastruktur, um fortschrittliche Analyseverfahren wie maschinelles Lernen und KI anzuwenden.
Sie ermöglichen es uns, Daten schnell zu aggregieren und zugänglich zu machen. Die Zeit, die wir für die Datenanalyse aufwenden müssen, lässt sich erheblich verkürzen, bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität unserer Prüfung. Außerdem können Data Lakes helfen, die Anforderungen an Nachvollziehbarkeit und Compliance zu erfüllen, indem sie eine vollständige und transparente Historie der Daten und Analysen bereitstellen.
Wenn die Daten hingegen unstrukturiert oder über verschiedene Systeme verteilt sind, dauert eine solche Analyse unter Umständen länger. Eine gute Datengrundlage liefert Unternehmen also nicht nur wertvolle Informationen zur Unternehmenssteuerung – sie ist auch der Schlüssel zu einer schnelleren und effektiveren Prüfung.
Blicken wir auf die Unternehmenslandschaft in Deutschland. Sind Unternehmen bereit für diesen technologischen Wandel?
Frank Thiele: Die Ambition ist deutlich erkennbar: Laut unserer Studie setzen 30 Prozent der Unternehmen KI in der Finanzberichterstattung ein – und die Befragten prognostizieren, dass der Anteil in drei Jahren auf 83 Prozent gestiegen sein wird. Deutsche Unternehmen liegen dabei über dem globalen Durchschnitt. Dazu zählen auch unsere DAX-Vertreter.
Der signifikante Anstieg bei der Nutzung von KI (von 42 auf 49 Prozent) und insbesondere generativer KI (von 13 auf 21 Prozent) zeigt, dass deutsche Unternehmen verstärkt auf innovative Technologien, Best Practices und technische Infrastruktur setzen, um ihre Finanzprozesse zu optimieren.
Doch es gibt gleichzeitig auch eine gewisse Zurückhaltung, besonders bei traditionell orientierten Unternehmen, die an bewährten Methoden festhalten. Eine der größten Herausforderungen ist dabei die bereits angesprochene Datenqualität. Dazu kommen Bedenken mit Blick auf Datensicherheit und Datenschutz.
Diese Themen müssen wir ernst nehmen und Lösungen entwickeln, die sowohl effizient als auch sicher sind. Außerdem erfordert der Einsatz von KI eine ausgeprägte technische Expertise, die nicht in jedem Unternehmen vorhanden ist.
Generell gilt es, Vertrauen in diese neuen Technologien aufzubauen. Es reicht nicht, nur die Technologie einzuführen – auch die Mitarbeiter müssen geschult werden, sodass sie auf dem neuesten Stand sind und das volle Potenzial von KI ausgeschöpft werden kann.

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Mit unserem AI Finance Maturity Modell können Banken, Versicherer und Asset Manager ihren KI-Reifegrad strukturiert analysieren – und mit der Branche vergleichen.
Jetzt testenSebastian Stöckle: Und gleichzeitig sollte man nicht erwarten, dass KI sofort alle Probleme löst. Der wahre Wert der KI zeigt sich über einen längeren Zeitraum und erfordert kontinuierliche Anpassungen und Schulung der Menschen, welche die KI trainieren und bedienen sollen.
Vielen Dank für das Gespräch.