Gründe für den Verlust der Biodiversität
In den vergangenen Jahrzehnten ist weltweit Biodiversität verloren gegangen – zum Teil unumkehrbar. Insbesondere in den letzten Jahren hat die Dynamik des Biodiversitätsverlusts dramatische Formen angenommen. Laut der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) – einem wissenschaftlichen Beratungsgremium der Vereinten Nationen – sind schätzungsweise eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.
Aufgrund mehrerer Entwicklungen gerät die biologische Vielfalt unter Druck. Dazu gehören zum Beispiel die Ressourcennutzung, demografische Entwicklungen oder auch Konflikte und Epidemien. IPBES weist 90 Prozent des Biodiversitätsverlusts als menschengemacht aus. Insbesondere fünf direkte Auslöser führen demnach zum weltweiten Artensterben:
- Landnutzungswandel
- Übernutzung natürlicher Ressourcen
- Klimaerwärmung
- Umweltverschmutzung
- Ausbreitung invasiver Arten
Wie können Unternehmen vom Verlust der Biodiversität betroffen sein?
Grundsätzlich können Unternehmen auf zwei Arten vom Thema Biodiversität betroffen sein:
- Wenn im Rahmen der eigenen Geschäftstätigkeit umweltschädliche Schadstoffe entstehen (Inside-out-Ansatz).
- Wenn das Auftreten invasiver Arten die eigene Geschäftstätigkeit erschwert (Outside-in-Ansatz).
Gut zu wissen: Tier- oder Pflanzenarten gelten als invasiv, wenn sie gebietsfremd sind und unerwünschte Auswirkungen auf andere Arten, Lebensgemeinschaften, Biotope oder – im speziellen Fall – auf Unternehmen haben.
Entsprechend begegnen Unternehmen analog zur Klimathematik physischen und transitorischen Risiken. Abhängigkeiten von Ökosystemleistungen stellen physische Risiken dar (Outside-in). Von transitorischen Risiken ist die Rede, wenn sich Unternehmen zum Beispiel an striktere Umweltschutzmaßnahmen halten müssen.
Diese treffen insbesondere Branchen und Sektoren, die einen höheren negativen Einfluss auf Biodiversität haben (Inside-out). Branchen mit einer erhöhten Abhängigkeit von sowie erhöhter Wirkung auf die Biodiversität sind unter anderem die Land- und Forstwirtschaft, die Fischerei, der Bergbau sowie das verarbeitende Gewerbe.
Die Lage ist ernst: Das Weltwirtschaftsforum weist den Biodiversitätsverlust und den Zusammenbruch von Ökosystemen auf Zehnjahressicht als drittgrößten Risikofaktor für die Weltwirtschaft aus. Der Grund dafür liegt unter anderem in der branchenübergreifenden Abhängigkeit von Ökosystemleistungen: Für mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts kann eine moderate bis starke Abhängigkeit festgestellt werden.
Die Europäische Zentralbank (EZB) weist sogar für fast drei Viertel der Unternehmen im Euroraum hohe Abhängigkeiten an Ökosystemleistungen aus und verweist in dem Zusammenhang auf die kritischen Folgen des fortschreitenden Biodiversitätsverlustes.
Welche Folgen hat der Verlust der Biodiversität für Banken und Finanzinstitute?
Im Vergleich zu Fischerei oder Land- und Forstwirtschaft hat die Finanzindustrie keine derartig hohen direkten Abhängigkeiten. Dennoch ist der Biodiversitätsverlust auch für Finanzinstitute relevant und rückt immer stärker in den Mittelpunkt der Betrachtung.
So werden Risiken ihrer Geschäftspartner, zum Beispiel ihrer Kreditnehmer, auf Finanzinstitute transponiert. Das bedeutet, dass beispielsweise die Gefährdung etablierter Geschäftsmodelle der Realwirtschaft, hervorgerufen durch den Verlust natürlicher Ökosystemleistungen, wiederum in erhöhten Ausfallrisiken für die Finanzwirtschaft resultiert.
Das Befassen mit Biodiversität und Ökosystemleistungen wird von Banken als Kapitalgeber also mittlerweile erwartet. Zuletzt erneuerte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Forderung nach der Berücksichtigung naturbezogener Risiken insbesondere für den Finanzsektor.
Biodiversität: Regulatorischer Druck auf Banken und Co. nimmt zu
Der regulatorische Druck mit Blick auf Biodiversität steigt: Nachschärfungen bestehender Regularien, etwa zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, und wachsende aufsichtsrechtliche Anforderungen im Umgang mit Biodiversitätsrisiken führen zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Entwicklungen liegt die Beschäftigung mit Wechselwirkungen zum Biodiversitätsverlust im eigenen Portfolio im Eigeninteresse eines Finanzinstituts.
Das Thema Biodiversität ist dabei komplex und vielschichtig. Ein grundlegendes Verständnis bildet den Ausgangspunkt für die erforderliche, tiefergehende Analyse, damit Finanzinstitute ihre Berührungspunkte und biodiversitätsbezogenen Risiken identifizieren und managen können.