Der Stichtag naht: FAQ zur Umsetzung des Barriere­freiheitsstärkungsgesetzes

Der Stichtag naht: FAQ zur Umsetzung des Barriere­freiheitsstärkungsgesetzes

Fragen und Antworten zum BFSG und wie Finanzunternehmen sich vorbereiten

Keyfacts:

  • Bis zum 28. Juni 2025 müssen Finanzunternehmen das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt haben.
  • Aus unserer Erfahrung in Umsetzungsprojekten bei Banken und Versicherungen wissen wir, welche Fragen Verantwortliche bewegen.
  • In unserem FAQ geben wir Antworten und Empfehlungen für das Herbeiführen der digitalen Barrierefreiheit.

In wenigen Monaten ist es so weit: Dann treten die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) in Kraft. Banken, Versicherungen und andere Finanzunternehmen müssen seine Vorgaben bis dahin umgesetzt haben.

Die Uhr tickt also, und Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Abläufe und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Doch was bedeutet das konkret und wie kann die Umsetzung erfolgreich gelingen?

In unseren Projekten zur Umsetzung des BFSG haben wir festgestellt, dass manche Fragen besonders viele Kundinnen und Kunden bewegen. Hier beantworten wir sie und teilen unsere Best-Practice-Ansätze.

Wer ist im Unternehmen für die Umsetzung zuständig?

Banken und andere Finanzunternehmen müssen ihre Produkte, Dienstleistungen, Websites, Online-Banking-Portale und mobilen Apps barrierefrei gestalten, um digitale Teilhabe zu ermöglichen. Das schließt auch ein, dass dort zur Verfügung gestellte Dokumente, wie PDFs und zusätzliche Dienstleistungen wie der Kundendienst oder die Video-Beratung (auch Remote-Beratung genannt), barrierefrei gestaltet sein müssen.

Die Breite der Anforderungen im Gesetz löst also an verschiedenen Stellen in den Unternehmen Handlungsbedarf aus. Die Verantwortlichkeiten für die Umsetzung des BFSG sind daher oft verstreut. Häufig stammen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aus den Bereichen Compliance, IT oder ESG. Aber auch Personalabteilung, Produktmanagement oder Marketing sind involviert.

Es zeigt sich, dass es nicht die eine Person oder den einen Bereich gibt, der die Verantwortung trägt. Es müssen viele verschiedene Stakeholder zusammengebracht werden. Idealerweise bildet sich ein Kompetenzteam oder eine Stabsstelle für digitale Barrierefreiheit. So können Synergien genutzt werden, beispielsweise wenn verschiedene Produkte den gleichen Antragsweg nutzen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen zu Beginn der Umsetzung nicht wissen, welche Bereiche bei ihnen vom BFSG betroffen sind und wie viele Berührungspunkte zum Gesetz es in verschiedenen Abteilungen gibt. Eine zentrale Erfassung des Handlungsbedarfs in Form einer Betroffenheits- und GAP-Analyse, aber auch eine zentrale Koordination der Umsetzung ist unerlässlich.

Barrierefreies Banking: Welche Auswirkungen hat das BFSG auf Bankdienstleistungen?

Die Anforderungen an die Barrierefreiheit im BFSG betreffen neben bestimmten Produkten wie Zahlungsterminals viele Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Betroffen im Sinne des BFSG sind dabei nicht nur Dienstleistungen zum Abschluss eines Vertrages selbst, sondern dessen gesamter Lebenszyklus.

Das bedeutet: Auch die während einer Vertragslaufzeit notwendigen Berührungspunkte mit Verbraucherinnen und Verbrauchern und ihre Anträge sind zu beleuchten. Das kann dazu führen, dass das BFSG bei einer allgemeinen digitalen Dienstleistung auch eine Ausstrahlwirkung auf analoge Prozesse hat, soweit zum Beispiel der Austausch zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern mit dem Unternehmen analog erfolgen. Insofern sind im Rahmen der Betroffenheitsanalyse all diese Berührungspunkte mit Verbraucherinnen und Verbrauchern zu beleuchten und zu bewerten.

Auch Geldautomaten fallen unter das BFSG

Der erste Schritt besteht darin zu klären, welche Leistungen unter das BFSG fallen – denn nicht jede klassische Bankdienstleistung ist automatisch auch eine im Sinne des Gesetzes. Besonders wichtig: Nicht nur digitale Services, sondern zum Beispiel auch Geldautomaten sind betroffen. Denn sie gelten als Produkt im Sinne des BFSG.

Während für einige der Produkte Übergangsfristen gelten, sollten Geldautomaten in der Analyse nicht vergessen werden, denn die für Produkte geltenden Barrierefreiheitsanforderungen unterscheiden sich von denen für Dienstleistungen.

Sind die betroffenen Angebote identifiziert, werden in der Regel Webseiten, Online-Banking-Portale, mobile Apps, digitale Kontoeröffnungsprozesse und die gesamte Kundenkommunikation barrierefrei zu gestalten sein. Doch damit ist es nicht getan: Als Dienstleistungserbringer im Sinne des BFSG müssen Banken sicherstellen, dass ihre Dienstleistungen nur dann angeboten oder erbracht werden, wenn die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt sind.

Sie müssen aktiv nachweisen, dass ihre Angebote barrierefrei sind. Dazu gehören die Erstellung und öffentliche Bereitstellung bestimmter Informationen in barrierefreier Form. Diese Dokumentation ist über den gesamten Lebenszyklus der Dienstleistung aufzubewahren.

Behörden können Nachweise anfordern – Banken sollten Abläufe dafür schaffen

Außerdem sind Dienstleister verpflichtet, ihre Barrierefreiheitsmaßnahmen regelmäßig zu überprüfen. Änderungen an der Dienstleistung, neue technische Standards oder aktualisierte gesetzliche Anforderungen müssen kontinuierlich berücksichtigt werden. Und falls eine Dienstleistung nicht den Vorgaben entspricht, ist sofortiges Handeln erforderlich. Dienstleister müssen Korrekturmaßnahmen ergreifen und die Marktüberwachungsbehörde informieren.

Wichtig für Banken: Die Behörden haben das Recht, Nachweise zur Barrierefreiheit anzufordern und Kontrollen durchzuführen. Dienstleister sind verpflichtet, auf Verlangen alle erforderlichen Informationen bereitzustellen und aktiv mit den Marktüberwachungsbehörden zusammenzuarbeiten.

Es lässt sich also festhalten: Banken müssen nicht nur ihre Bankdienstleistungen an die Anforderungen des BFSG anpassen, sondern auch interne Prozesse etablieren, um die Einhaltung der Barrierefreiheitsvorgaben dauerhaft sicherzustellen. Wer frühzeitig handelt, vermeidet rechtliche Risiken und schafft zugleich ein nutzerfreundlicheres Angebot für alle Kundinnen und Kunden.

Barrierefreiheit stärken: Leitfaden für Finanzunternehmen

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Wie gehe ich mit PDF-Dokumenten um?

Das BFSG bezieht sich hauptsächlich auf Produkte und Dienstleistungen in Bereichen wie IT, Kommunikation und Onlinehandel. Ob es konkret PDF-Dokumente auf Banken-Websites einschließt, hängt davon ab, ob diese Dokumente als Teil eines Produkts oder einer Dienstleistung gelten, die unter die Anforderungen des BFSG fallen.

Die Barrierefreiheit von PDF-Dokumenten ist zum Beispiel dann relevant, wenn die PDF-Dokumente als Teil einer digitalen Dienstleistung bereitgestellt werden. Technisch spricht man von einem barrierefreien PDF, wenn es den Anforderungen des Standards PDF/UA (Universal Accessibility) nach ISO 14289 entspricht. PDF/UA ist international anerkannt und definiert technische Anforderungen mit 31 Prüfpunkten und insgesamt 136 Fehlerbedingungen.

Sie müssen erfüllt sein, damit ein PDF-Dokument barrierefrei ist. Dazu gehören unter anderem die korrekte Strukturierung des Dokuments, die Verwendung von Tags, alternative Texte für Bilder und eine logische Lesereihenfolge. Ein Teil dieser Anforderungen erfordert eine Prüfung durch einen Menschen, andere lassen sich maschinell testen.

Die Umsetzung der PDF/UA Anforderungen ist ein komplexer Vorgang. Der Stand der Barrierefreiheit von PDFs hängt dabei stark vom verwendeten Output-System und der Art und Weise ab, wann und wie die Dokumente gespeichert und verwaltet werden.

Barrierefreie PDFs erfordern eine sorgfältige Planung und oft auch das Anpassen vorhandener Prozesse und Systeme sowie eine spezielle Vor-Konfigurationen der Quelldatei. Eine Faustregel gilt jedoch immer: Kein PDF-Dokument ist mit der Erstellung barrierefrei – es sind immer manuelle Nacharbeiten notwendig.

Reicht ein Overlay im Browser für digitale Barrierefreiheit?

Kennen Sie die kleinen, runden Buttons, die häufig am Rand einer Webseite schweben und eine Figur oder eine Person im Rollstuhl abbilden? Wer darauf klickt, öffnet ein Kontextmenü, in dem zum Beispiel Textgröße, Kontraste und Zeichenabstand angepasst werden können. Das Versprechen dieser sogenannten Overlays: Sie sorgen mit geringem Aufwand für BFSG-konforme digitale Barrierefreiheit.

Leider können sie aber nicht alle Bereiche und Inhalte gemäß den Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) abdecken, da sie nicht direkt das DOM (Document Object Model) der HTML ändern können. Tatsächlich wird diese Art von Software häufig auch als „Disability Dongle“ bezeichnet – also als eine Softwarelösung, die im Design- und Entwicklungsprozess keine Betroffenen mit einbezogen hat und eigentlich nur eines tut: die Aufmerksamkeit für Menschen ohne Behinderung auf das Thema lenken.

Es gibt viele Untersuchungen, die zeigen, dass die Verwendung von Overlays von Betroffenen nicht als unterstützend wahrgenommen wird und auch nicht die Versprechungen der gesetzlichen Konformität erfüllen kann. Die Antwort auf die Frage lautet daher: Nein.

Wie gehe ich mit Grafiken zu Kursentwicklungen um, die sich stetig aktualisieren?

Aktienkurse ändern sich laufend und einige Kundenportale von Banken oder Wertpapierhäusern sind genau darauf ausgerichtet: das Verfolgen, Kaufen und Verkaufen in Echtzeit. Für blinde Menschen, die mittels Screenreader, Sprachausgabe oder Braillezeile Daten lesen, ist das jedoch problematisch, da sie Informationen nur linear erfassen können.

Bei einer großen Anzahl von Aktien und Updates in kurzer Zeit führt das dazu, dass die Menge der vorgelesenen Werte die Nutzenden überfordert. Andererseits kann sich der Kurs der ersten Aktie bereits geändert haben, während die vierte Aktie noch vorgelesen wird. Das schränkt das Trading erheblich ein.

Wie also damit umgehen? Eine nicht lineare Darstellung ist mit heutigen Technologien nicht 1:1 realisierbar. Es gibt aber auch andere Lösungsansätze. Eine Trading-Plattform für Blinde ist daher nicht unmöglich und wäre sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal für Unternehmen – gleichzeitig sind solche Umsetzungen aber nicht unmittelbar vom Gesetz gefordert und können mit einem Hinweis auf eine „unverhältnismäßige Belastung“ mit einhergehender Dokumentation und einer Anzeige gegenüber der Marktüberwachung erfasst werden.

Wie gehe ich Schritt für Schritt bis zum Inkrafttreten des BFSG vor?

Die Umsetzung des BFSG wirft viele Fragen auf. Je nachdem, an welchem Punkt im Implementierungsprozess sich ein Unternehmen aktuell befindet, können es ganz unterschiedliche sein. Während zu Beginn der Auseinandersetzung mit dem Thema die juristische Einordnung erfolgen sollte und ganz grundlegende Überlegungen und Entscheidungen stehen, können im Laufe der weiteren Entwicklung immer mehr individuelle und spezifische Fragen aufkommen.

Manche Frage kann leider aktuell noch nicht vollständig beantwortet werden, obwohl das Inkrafttreten des Gesetzes naht. Denn immer noch sind einige Punkte nicht vollständig von der Gesetzgebung geklärt. Hier können das einheitliche Vorgehen innerhalb einer Branche oder der Verweis auf die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV), die für die Bundesverwaltung erstellt wurde, eine Annäherung darstellen.

Das lenkt den Blick noch einmal auf das oben beschriebene Teamwork: In der Regel müssen mehrere Verantwortliche und Abteilungen zusammenarbeiten, um die Anforderungen des BFSG pünktlich und korrekt umzusetzen. Die Zeit läuft.