Aktien auf der Blockchain: Das Zukunftsfinanzierungs-Gesetz kommt

Elektronische Aktien: Eine sinnvolle Ergänzung zu Kryptowährungen, NFTs und Co.?

Keyfacts:

  • Lange kletterten die Kurse von Kryptowährungen immer weiter nach oben. Diese Zeiten scheinen vorerst vorbei – es herrscht der sogenannte Kryptowinter am Kapitalmarkt.
  • Seit mehreren Monaten zeichnen sich sinkende Handelsvolumina und Umsätze ab – bei Unternehmen aus der Kryptobranche wie bei Neobrokern.
  • Das Zukunftsfinanzierungsgesetz erweitert das elektronische Wertpapiergesetz (eWpG) und ebnet den Weg für Aktien auf der Blockchain.
  • Elektronische Aktien bieten Anlegern, Krypto-Unternehmen und Neobrokern eine Möglichkeit, Vorteile der Distributed Ledger Technologie (DLT) zu nutzen und ihre Geschäftsmodelle sinnvoll zu ergänzen.

Inspiriert von den Möglichkeiten der Blockchain-Technologie startete der deutsche Gesetzgeber mit der Einführung elektronischer Wertpapiere ein Experiment. Seit dem Inkrafttreten des eWpG am 10. Juli 2021 gibt es in Deutschland die Möglichkeit, Schuldverschreibungen, Pfandbriefe und bestimmte Anteile an Sondervermögen elektronisch zu emittieren. Die Ausstellung einer Wertpapierurkunde auf Papier entfällt.

Rund ein Jahr später gibt es nun erste Eckpunkte für das Zukunftsfinanzierungsgesetz – eine weitere Neuerung im Wertpapierrecht. Der Entwurf sieht vor, den Rahmen des eWpG zu erweitern und auch Aktien in die digitale Welt zu überführen. Der Vorteil: Traditionelle Aktien, bestehend aus Mantel und Bogen, müssten nicht mehr physisch emittiert und verwahrt werden.

Während das eWpG bisher keine Revolution ausgelöst hat, scheint zumindest der Anwendungsfall rund um die elektronische Aktie vielversprechend. Branchenexpert:innen schätzen, dass in drei bis fünf Jahren bereits 20 % des Emissionsvolumens auf Kryptowertpapiere entfallen wird.

Ein Vorstoß mit großem Wachstumspotenzial

Die Ankündigung zum neuen Gesetz kommt zu keinem schlechten Zeitpunkt: Der Kryptowinter hat die Welt der Kryptowährungen fest im Griff, während die Europäische Zentralbank (EZB) parallel den Leitzins angehoben hat. Als alternative Anlageklasse zu Kryptowährungen werden Aktien oder Anleihen dadurch wieder attraktiver für Investoren.

Wird der jüngste Vorstoß des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) und des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) mit den aktuellen Entwicklungen der Unternehmen und Start-ups aus der Kryptobranche kombiniert, können daraus vielversprechende Entwicklungs- und Wachstumspotenziale entstehen.

Ein DLT-gestützter Kapitalmarkt – die Zukunft des Wertpapierhandels? #21

Simon Censkowsky, Senior Business Development Manager bei Cashlink Technologies und Philipp Köhler-Brinkmann, Senior Manager, Financial Services, sprechen über Emissionen auf der Blockchain.

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Hintergründe und Folgen des Kryptowinters

Die Kurse von Digital Assets kannten lange Zeit nur den Weg nach oben. Insbesondere die Rekorde von Kryptowährungen beflügelten den Unternehmergeist und ließen innovative Geschäftsmodelle entstehen. Positive Zukunfts- und Wachstumsprognosen ließen die Unternehmensbewertungen konstant steigen und Finanzierungsrunden in astronomische Höhen wachsen. Natürlich wurde die Anlageklasse damit auch für Investoren zunehmend interessanter, sodass klassische Finanzprodukte weniger Beachtung erhielten als in den Jahren zuvor.

Die Erfolgsgeschichte endete (vorerst) in den letzten Monaten des vergangenen Jahres. Dabei verloren zahlreiche Digital Assets nicht nur aufgrund anhaltender politischer Spannungen, ökonomischer Unsicherheiten und auf Basis der steigenden Leitzinsen an Wert und Bedeutung. Auch unzureichende Relevanz sowie fehlende Stabilität und Seriosität trugen zu dieser Entwicklung bei. Folglich zogen sich viele Investoren aus den tendenziell risikoreicheren Digital Assets zurück. Der Profiteur: klassische Anlagekategorien.

Was bedeutet das für die Marktteilnehmer?

Für Unternehmen und Start-ups, die den Handel mit Kryptowährungen anbieten, bedeuteten die sinkenden Kurse nicht nur Rückschläge bei den Bewertungs- und Finanzierungsrunden. Auch die Handelsvolumina ihrer Kund:innen gingen zuletzt zurück.

In den Geschäftsplänen antizipierte Cashflows – notwendig zum Beispiel für die Bezahlung der Mitarbeitenden – konnten zeitweise nicht mehr wie gewohnt erzielt werden, sodass zahlreiche globale und nationale Unternehmen zuletzt Kosten sparen mussten.

Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich jetzt?

Elektronische Aktien als attraktive alternative Anlageklasse, unabhängig von Digital Assets, könnten einen Kompromiss zwischen klassischen Wertpapieren und den auf neuen Technologien basierenden Produkten darstellen. Denn einerseits bietet die DLT ohne Zweifel viele Vorteile – andererseits ist der deutsche Aktienmarkt bisher keineswegs gesättigt.

Zwar steigt die Zahl der Wertpapierdepots seit 2016 kontinuierlich an. Trotzdem besitzen laut Statistiken der Bundesbank mehr als 60 % der Erwachsenen hierzulande kein eigenes Wertpapierdepot. Der Markt birgt generationsübergreifende Wachstumspotenziale, die Anbieter mit attraktiven Produkten abrufen können.

Angetrieben durch effiziente und beschleunigte (Abwicklungs-) Prozesse, etwa durch den Wegfall von Zentralverwahrern, könnten Kryptounternehmen in diesen Markt vorstoßen und ihre praxiserwiesenen Kenntnisse rund um die DLT zu ihrem Vorteil nutzen.

Große Potenziale für Krypto-Unternehmen und Neobroker

Unter dem Strich eröffnet die Erweiterung des Angebots um elektronische Aktien insbesondere den Krypto-Unternehmen und Neobrokern eine Chance, Kostenstrukturen zu optimieren und diese Einsparungen, sofern der Handel mit Wertpapieren nicht schon kostenfrei angeboten wird, an die Kund:innen weiterzugeben. Letztere profitieren darüber hinaus auch von der Ausweitung der Investitionsmöglichkeiten.

Möglich wäre, dass das bestehende IT-Know-how und die heutige technische Infrastruktur der Krypto-Unternehmen (und gegebenenfalls der Neobroker) einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den etablierten Marktteilnehmern darstellen. Denn elektronische Aktien ermöglichen eine 24/7-Übertragung von Wertpapieren sowie ein deutlich schnelleres Settlement der Geschäfte.

Die Evolution der Wertschöpfungskette verschafft Krypto-Unternehmen und Neobrokern zudem weitere Einnahmequellen, zum Beispiel durch die Rolle als lizensierter Kryptowertpapierregisterführer oder -verwahrer. Nicht auszuschließen ist, dass durch die Einführung von elektronischen Aktien die Schlüsseltechnologie DLT in der öffentlichen Wahrnehmung gestärkt wird und so auch das Vertrauen in Digital Assets weiter wächst.

Regulatorik als Herausforderung

Gleichwohl stehen möglichen Anpassungen des Geschäftsmodells auch Herausforderungen entgegen. Die meisten Krypto-Unternehmen und Neobroker werden in vielen Fällen noch nicht über die für die Geschäftsmodellerweiterung erforderlichen Erlaubnistatbestände verfügen. Daher könnte mitunter ein Erlaubnisantrag bei der BaFin eine nicht zu unterschätzende Hürde darstellen.

Somit sind bei der Umsetzung einige Herausforderungen zu bewältigen. Aber die potenziellen Vorteile gegenüber anderen Marktteilnehmern sind nicht von der Hand zu weisen. Wir haben beides in einem Schaubild zusammengefasst:

Infografik
Quelle: KPMG in Deutschland, 2022.

Unser Fazit: Viele können jetzt an der DTL teilhaben

Die im Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgesehenen Neuerungen bieten allen Marktteilnehmern die Chance, an den Möglichkeiten der DLT zu partizipieren. Durch den Kryptowinter gewinnen unter anderem Aktien wieder an Attraktivität und schaffen, in elektronischer Form, die Basis für innovative Geschäftsfelder in der Finanzindustrie.

Krypto-Unternehmen und Neobroker, die auf das neue Produkt setzen, stehen insbesondere vor der Herausforderung, trotz der notwendigen Prozessanpassungen und regulatorischen Verpflichtungen ihre Flexibilität zu wahren. Marktteilnehmer sind nun gefordert, ihre Geschäftsstrategie vor dem Hintergrund der Digitalisierung und damit einhergehenden neuen Spielregeln zu validieren, mögliche bereits vorhandene Stärken in Bezug etwa auf die Kryptoverwahrung zu nutzen und die Relevanz ihrer Unternehmen zu sichern oder auszubauen.

Thriving in the era of crypto and blockchain

Die meisten Banken und Asset-Management-Unternehmen bieten bislang kaum Dienstleistungen rund um digitale Assets, Distributed-Ledger-Technologien (DLT) und Kryptowährungen an. Wir haben ermittelt, warum die Finanzbranche bei digitalen Vermögenswerten noch zögert und wie sie auf DLT und digitale Assets blickt.

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