Mit Verstand und Sinn: Warum Finanzunternehmen eine Purpose-Story brauchen

Deshalb braucht es eine Purpose-Story

Mitarbeitende und Kunden suchen heute mehr als Erzählungen über Umsatzwachstum.

Keyfacts:

  • Gerade in der Finanzindustrie ist er von großer Bedeutung: der Purpose.
  • In der digitalen Transformation, im Angesicht von ESG und New Work braucht es mehr denn je ein Purpose-Narrativ – eine Story über den Unternehmenszweck, der über den Produktnutzen hinausweist.
  • Eine Purpose-Story ist ein Instrument dafür, die eigene Zukunftsfähigkeit immer wieder neu zu bestimmen und zu erzählen.

    Einen Kredit kann man nicht essen, und mit einem Konto kann man sich nicht waschen oder von Köln nach Frankfurt fahren. Der Wert von Finanzprodukten macht sich eher indirekt bemerkbar, denn sie sind virtuell und oft komplex.

    Deshalb müssen Banken, Versicherungen und andere Finanzinstitute sich und ihr Geschäft seit jeher gut erklären – die Folgen der Finanzkrise von 2008 oder Greenwashing-Diskussionen erinnern die Branche immer wieder daran.

    Das gilt umso mehr, seit Technologie-Skills immer spezialisierter und passende Fachkräfte rar und umworben sind. Erste Stimmen sind zu hören, dass ein Mangel an qualifiziertem Personal zu einem operationellen Risiko für Banken und Co. werden könnte.

    Niedrige Hipness-Werte und Konkurrenz durch neue Player

    Und das alles im Angesicht traditionell niedriger (nennen wir es einmal umgangssprachlich) Hipness-Werte der Finanzindustrie: Seit jeher gilt die Branche jüngeren Bewerber:innen als klassisch, konservativ, hierarchisch, verkopft und nicht als Technologieführerin.

    Attraktive Retail-Marken, mit denen sich junge Fachkräfte identifizieren, finden sie eher in anderen Industrien. Und wenn sie sich schon für die Finanzindustrie entscheiden, dann wählen viele lieber die schillernde Welt der Fintechs, Insurtechs, Neobanken und Neobroker.

    In diesem Umfeld wird ein Baustein von Führung, der in der jüngeren Vergangenheit immer mehr Sichtbarkeit vor allem in Marketing, Kommunikation und Human Resources erhalten hat, für Finanzunternehmen quasi zur Pflicht: der Purpose. Kennen Sie ihren?

    Den Purpose definieren: Was mache ich hier und wozu?

    Der Purpose eines Unternehmens (oder auch eines Teams), beschreibt den Daseins-Zweck. Der Purpose wird als kurzer, prägnanter Satz formuliert und zeigt, welchen positiven Beitrag das Unternehmen für die Welt leistet. Ein Purpose ist dabei nichts, was auf die Zukunft verweist, sondern heute schon gilt und vom Unternehmen bereits ausgeübt wird.

    Der Purpose umfasst auch, wie das Unternehmen seinen Auftrag versteht. Er reicht über den Produktnutzen hinaus und verweist oft auf einen größeren Sinn – er verspricht also einen gesellschaftlichen Nutzen jenseits von Umsätzen, Gewinnen und Verlusten.

    Purpose: nicht Vision, nicht Strategie und nicht Mission

    Abzugrenzen ist der Purpose von anderen Instrumenten, die dem Management dienen, um zu führen und Kurs zu halten. Der Purpose ist zum Beispiel nicht identisch mit der Vision. Die Vision beschreibt, was ein Unternehmen in der Zukunft erreicht haben will. Sie wirkt daher noch unerreichbar, wenn sie formuliert wird.

    Der Purpose ist auch nicht zu verwechseln mit der Strategie, denn diese beschreibt, auf welchen Wegen man die Vision mit konkreten Zielen erfüllen kann. Ein Purpose ist auch keine Mission, obwohl er mit dieser noch am ehesten zusammenhängt. Die Mission des Unternehmens wird oft aus dem Purpose abgeleitet, denn sie macht das Unterfangen des Unternehmens konkreter.

    Wofür braucht man einen Purpose?

    Mitarbeitende wollen heute positiv mitgestalten, nachhaltig agieren, in einem Unternehmen mit Klima- und Umweltbewusstsein arbeiten, aber auch soziale Nachhaltigkeit leben.

    Schon vor Jahren haben Studien ergeben, dass die Menschen erfüllter sind, die einen Purpose in ihrer Arbeit sehen – also einen Zweck jenseits des unternehmerischen Gewinnstrebens. All das sind Gründe, aktueller denn je, die eine Purpose-Story einfordern.

    Zur Stärkung der Identifikation und der Arbeitgebermarke

    Der Purpose hilft der Identifikation mit dem Unternehmen und stärkt die Arbeitgebermarke – ein wichtiger Einflussfaktor beim Werben um neue Mitarbeitende und für das Stärken der Mitarbeiterbindung.

    Denn ein Purpose stiftet Sinn. Er gibt mir einen Grund, warum ich in diesem Unternehmen arbeiten sollte. Anhand des Purpose kann ich abgleichen, ob das Unternehmen zu mir passt und wie ich auch meinen persönlichen Purpose dort erfüllen kann.

    Aber nicht nur das Unternehmen selbst braucht den Purpose, um als Organisation zukunftsfähig zu bleiben. Auch Kunden suchen in der Informationsflut und in der Vielfalt von Angeboten auf dem Markt nach Ankern und nach Orientierung. Ihnen hilft der Purpose, geschäftliche Entscheidungen zu treffen, also etwa den passenden Dienstleister auszuwählen.

    Auf allen Ebenen bis zum einzelnen: Mehrere Arten von Purpose

    Beim Erarbeiten des Purposes bietet es sich an, eine Story auf mehreren Ebenen auszuformulieren. Idealerweise entwickelt man einen Purpose des Gesamtunternehmens, der zur Erfüllung der Unternehmensvision verhilft. In einem nächsten Schritt sollten einzelne Einheiten des Unternehmens ihren Purpose ableiten, der verdeutlicht, was ihr Beitrag ist. So wird der Purpose für einzelne Abteilungen besser greifbar.

    Einen Purpose im Team zu kreieren, fördert außerdem den Team-Spirit, den Zusammenhalt und das Vertrauen ineinander. Es ermöglicht den Teammitgliedern zu erkennen, was sie alle gemeinsam haben – und was sie antreibt, morgens aufzustehen und ihre Arbeit zu beginnen.

    Kommunikation – das Zünglein an der Waage

    Ist das Narrativ einmal in Workshops auf den jeweiligen Ebenen entwickelt, helfen wiederholte Kommunikationsmaßnahmen dabei, den Purpose nachhaltig in den Teams zu verankern. Von Blogbeiträgen im Intranet über Videos, Events oder eigens entwickelten Spielen bis hin zur Integration in Mentoring- oder Entwicklungsgespräche bieten sich viele Formate dafür an. Denn wenn niemand vom Purpose erfährt oder ihn nicht versteht, dann gibt es ihn in den Köpfen auch nicht.

    Wer den Purpose dagegen gleichzeitig in der Kommunikation nach außen transportiert, verstärkt auch nach innen die Glaubwürdigkeit und die Wirkung. In Stellenausschreibungen, in der Beschreibung des Unternehmens auf der Website, in Pressemitteilungen und Vertriebsmaterialien oder auf Social-Media-Kanälen kann das Purpose-Statement zum Einsatz kommen.

    Wichtig ist: Man sollte nicht versuchen, die Realität per Behauptung zu erzwingen. Das Statement darf kein Wunschzettel, kein bloßes Marketing oder Baustein einer kurzlaufenden Haltungs- oder Corporate Social Responsibility (CSR)-Kampagne sein. Vielmehr sollte der Purpose Ausdruck gelebter Haltung und Spiegel praktizierter Unternehmenswerte sein. Sonst ist der Purpose das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht.