Neue Chancen für Banken und Versicherungen

Durch Prozessoptimierungen und –automatisierung schneller und effizienter werden

Wo bieten sich Banken und Versicherungen heute die größten Chancen, um fit für die Zukunft zu werden?

Jörg Fehrenbacher: Im Moment sind drei Stellschrauben für Banken und Versicherungen besonders wichtig: Sie sollten erstens alte Strukturen und das Silo-Denken aufbrechen. Zweitens sollten sie ihre Prozesse End-to-End betrachten, unabhängig davon, ob es sich dabei um nutzungsbezogene oder Steuerungs- und Unterstützungsprozesse handelt. Und drittens sollten sie die teils noch sehr manuellen Prozesse durch die technologischen Möglichkeiten unterstützen, idealerweise durch die Einführung einer digitalen Plattform. Dadurch steigt die Effizienz, die Kosten sinken und die Zeit bis zur Bereitstellung von Produkten oder Dienstleistungen, Time to Market, wird verkürzt. Standardisierung, Optimierung und Automatisierung von Prozessen sind die nötigen Voraussetzungen, um das zu erreichen.

Welche Zielgruppen im und außerhalb des Unternehmens profitieren davon?

Christian Seidenath: Kundinnen und Kunden werden schnellere Response-Zeiten erkennen und sich durch die Möglichkeit, über vielfache Kanäle zu kommunizieren sowie auf Informationen flexibel zugreifen zu können, gut aufgehoben fühlen. Mitarbeitende profitieren in ihrer täglichen Arbeit von nutzungszentrierten, optimalen Workflows auf modernen Oberflächen. Doppeleingaben oder Klickserien in Word- oder Excel-Dateien existieren dann nicht mehr, eine Plattform bietet zudem eine 360-Grad-Sicht auf Kund:innen, ohne für Detailfragen in diverse Subsysteme abtauchen zu müssen. Von dieser höheren Transparenz profitiert auch die Unternehmenssteuerung. Das System zeigt, wo ein Team, wo eine einzelne Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter im Prozessablauf steht und wie lange es dauert, bis die Kundschaft die gewünschte Reaktion erhält. Unternehmen haben Zugriff auf einen neuen Fundus an Daten, der über unterschiedlichste Auswertungen – Dashboards – über den Geschäftsstatus informiert. Es besteht die Möglichkeit, aktiv im Prozess über steuerungsrelevante Parameter Vorgaben einzustellen, die durch die Teams und Mitarbeitende sofort ein- und umgesetzt werden.

Was muss getan werden, um bei der Standardisierung, Prozessoptimierung und -automatisierung voranzukommen?

Fehrenbacher: Um Daten verfügbar zu machen, müssen Vertrieb, Marktfolge bzw. Operations in einem durchgängigen Prozess zusammenarbeiten, der auf einer digitalen Plattform abgebildet wird. Dazu müssen vorhandene Systeme intelligent miteinander verbunden werden: Es wird entweder ein neuer Workflow auf Basis der alten Systeme etabliert. Oder die Legacy-Systeme müssen nach und nach „in Rente gehen“ – neudeutsch: Decomissioning –, um moderne Plattformen einsetzen zu können. Ein weiterer Schritt ist, Basistechnologien, die eine digitale Nutzung von Informationen erst möglich machen, frühzeitig in den Prozess zu integrieren. Das heißt: Dokumente auslesen, Daten interpretieren und diese strukturiert im Prozess verfügbar machen.

Warum ist die Datenanalyse so wichtig?

Seidenath: Am Beispiel der Kundenperspektive erläutert: Wer seine Daten richtig analysiert, vertieft den Blick entscheidend. Richtig ausgewertet, geben Daten eine Indikation dessen, wofür sich die Kundschaft interessieren könnte und was sie als Nächstes tun will. Auch ein Abwanderungswunsch kann dabei sichtbar werden, ebenso wie die Möglichkeit, dies zu verhindern. Vertriebsmitarbeitende erfahren so rechtzeitig, was sie tun können, um die Kundschaft zu halten. Die Internetkonzerne haben vorgemacht, welche Geschäftsmodelle und Werte mit Daten geschaffen werden können. Auch die Banken verfügen über einen gewaltigen Datenschatz. Sie sollten sich diesen mit durchdachten Prozessen, geeigneter Technologie und den passenden Mitarbeitenden zunutze machen.

Was kommt zuerst: die Prozessoptimierung oder die Entscheidung für die Technologie?

Fehrenbacher: Im Prinzip muss der Prozess einen möglichst hohen Grad an Standardisierung erreichen, während zusätzliche Komplexität über einen modularen Aufbau hinzugefügt werden kann. Erst dann folgt die Überlegung, wie und auf welcher Plattform bzw. mit welcher Technologie der Prozess automatisiert wird. Allerdings kann auch die grundsätzliche Entscheidung, eine neue, zukunftsweisende Technologie einzuführen, das intensive Nachdenken über den Prozess und die nötige E2E-Sicht sowie die erforderliche Standardisierung erst auslösen.

Welche Rolle spielen Robotic Process Automation (RPA) und künstliche Intelligenz (KI)?

Seidenath: Gerade RPA wird immer in engem Zusammenhang mit der Prozessautomatisierung verstanden. Um sie sinnvoll einzusetzen, sind regelbasierte und stabile Prozesse nötig sowie strukturierte Daten mit geringer Komplexität und hohem Volumen. Die Erfahrung zeigt, dass diese Voraussetzung oft nicht erfüllt ist und sich Anwendungsfälle für RPA nur schwer identifizieren lassen. Bei KI ist die Situation anders: Sie ist vor allem am Beginn von Prozessen vielversprechend, wenn es um die Erkennung und Erfassung von unstrukturierten Daten aus E-Mails oder Gesprächen geht. Andere spannende Anwendungen wären beispielsweise das rechtzeitige Erkennen von Betrugsfällen oder die Unterstützung des Vertriebs, indem Up- und Cross-Selling-Potenziale erkannt werden. Allerdings mangelt es hier oft (noch) an der Qualität und Verfügbarkeit von Daten.

Sind Fintechs Bedrohung oder Chance für Banken und Versicherungen?

Fehrenbacher: Wenn wir von Fintechs sprechen, meinen wir nicht Neobanken, sondern Unternehmen, die sich auf einzelne Teilprozesse/ Funktionen in Banken oder Versicherungen fokussieren und diese spezialisiert zur Verfügung stellen. Das kann beispielsweise ein Video-Ident-Verfahren sein oder das Auslesen von Umsatzdaten, die für eine Kapitaldienstrechnung notwendig sind, oder die automatisierte Bilanzanalyse für die Erstellung des Finanz-Ratings von Unternehmen. Bei vielen dieser Schritte stellt sich für Banken die typische Frage, was einfacher und kostengünstiger ist: selber aufsetzen oder integrieren? Letzteres ist besonders dann relativ einfach, wenn bereits eine digitale Workflow-Plattform vorhanden ist. Insofern bieten Fintechs den Platzhirschen zweierlei Chancen: etwas von ihnen zu lernen oder die von ihnen angebotene Lösung zu übernehmen.

Seidenath: Die Fintechs zeigen auch, wie sich die Kompetenzen der zukünftig benötigten Mitarbeitenden gewandelt haben. Ihre primäre Perspektive ist oft nicht die fachliche Sichtweise einer Bank. Sie stellen sich vielmehr die Kernfrage: Wie kann ich den Automatisierungsgrad meiner Unternehmensprozesse erhöhen? Als Technologiebasis dienen oft Microservice-Architekturen, auch künstliche Intelligenz wird vermehrt eingesetzt. Entwickelt wird zu hundert Prozent agil, klassische Wasserfallansätze gibt es nicht mehr. Ein Ziel ist dann beispielsweise, eingehende E-Mails komplett automatisiert zu verarbeiten. Deshalb sind bei Fintechs oft weniger eine Vielzahl von Bankern und mehr IT-Fachkräfte oder CustomerExperience-Experten an Bord.

Wie wichtig sind Mitarbeitende generell bei der Standardisierung, Prozessoptimierung und -automatisierung?

Fehrenbacher: Wenn man mit derselben Mitarbeitendenzahl mehr Geschäft machen will, kann das nur durch effizientere, automatisierte Prozesse und den intelligenten Einsatz von Technologie erreicht werden. Sie muss aber nutzungsfreundlich sein und die Mitarbeitenden gut geschult und bei der Entwicklung einbezogen werden. Das Ziel ist der funktionierende Dreiklang aus Mensch, Technologie und Prozessen. Change Management ist und bleibt daher eine der Herausforderungen bei Digitalisierungsprojekten. Wir sprechen immer von der Customer Experience, die Erfolgsfaktor für Produktabschlüsse ist – genauso wichtig ist die Employee Experience, d.h. die Akzeptanz der Mitarbeitenden bezogen auf neue Prozesse und Technologien – erst dann wird die Automatisierung ein Erfolg!

Für weitere Informationen laden Sie sich gerne folgendes Whitepaper herunter:
Prozessoptimierung und -automatisierung: Wie Banken und Versicherungen gegen die digitalen Angreifer bestehen können

 

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